Zal Batmanglij dürfte Serienjunkies durch The OA bekannt sein, eine zum Teil sehr kontrovers aufgenommene Serie. Genau wie in der Produktion, spielt auch hier Brit Marling eine der Hauptrollen und die Parallelen zu The OA springen einem ins Auge. Marling spielt in The Sound of my Voice Maggie, die Führerin eines religiösen Kults. Das Paar Peter (Christopher Denham) und Lorna (Nicole Vicius) plant eine Dokumentation über den Kult zu drehen und dabei Maggie als Betrügerin zu entlarven. Sie wollen die Doku als „Insider“ drehen und schließen sich selbst dem Kult an. Während ihrer Bewährungsphase treffen sie das erste Mal Maggie, die behauptet aus der Zukunft zu kommen.
„SOUND OF MY VOICE: Official Trailer“, via FoxSearchlight (Youtube)
Während Lornas, Peters und des Zuschauers Aufeinandertreffen mit Maggie entlarvt der Film sehr gekonnt Praktiken, die Sekten und Kulte nutzen, um ihre Mitglieder zu binden und zu faszinieren. Sie kreieren einen Mythos und eine Geschichte. Bevor die Mitglieder Maggie treffen, müssen sich einer aufwendigen Reinigungsprozedur unterziehen, da Maggies Gesundheit schnell angegriffen ist. Sie inszenieren das gekonnt. Alles ist klinisch weiß und Maggie meistens an eine Sauerstoffflasche angeschlossen. Sie haben einen bestimmten Handschlag als Erkennungszeichen. Manchmal gibt es Zeremonien und Rituale, die sie durchführen und die nicht selten obskur sind, aber andererseits auch nicht einer gewissen Weisheit und Weitsicht entbehren. Manchmal erzählt ihnen Maggie aus der Zukunft, aus der sie stammt und fasziniert mit Visionen und Dystopien, die die Mitglieder der Sekte ihr privilegiertes Leben erkennen lassen. Manchmal entzieht sie sich wiederum geschickt ihren Fragen, nicht selten indem sie sie selber hinterfragt oder direkt angreift. Maggie wirkt zerbrechlich und ätherisch. Sie hat ein gutes Gespür dafür, was in den Menschen vorgeht und eine ausgezeichnete Menschenkenntnis. Ihre Direktheit zieht einen aus der eigenen comfort zone, lässt einen manchmal wie etwas besonderes wirken oder schüchtert ein. Obwohl Peter und Lorna sich anfangs vollkommen sicher sind, dass Maggie eine Betrügerin ist, fängt v.A. Peter an zu zweifeln. Könnte es nicht alles auch genauso gut wahr sein? Er ist hin- und hergerissen und das spürt auch Maggie und fordert einen Vertrauensbeweis, der alles verändert.
Zal Batmanglij und Brit Marling haben zusammen an dem Drehbuch gearbeitet und einen meisterlichen Kniff hingelegt. Der Film funktioniert inklusive seines Endes perfekt für beide Deutungsmöglichkeiten. Er unterstützt sowohl die Theorie, dass Maggie wirklich aus der Zukunft kommt, aber auch die, dass Maggie eine Betrügerin ist. Ein Punkt, an dem viele Filme scheitern, der hier aber sogar noch besser gelingt als in The OA. Kenner der Serie werden sich an viele Szenen erinnert fühlen. Eine junge Frau erzählt einer ausgewählten Gruppe Menschen ihre Geschichte, die eine ist für die man viel Überzeugungskraft oder Wille zum Glauben benötigt und die Gruppe hat ihre eigenen Rituale – um mal nur einige wenige Beispiele zu nennen. Leider ist The Sound of my Voice bis heute nicht in Deutschland veröffentlicht worden und man muss sich mit DVD-Imports begnügen. Dabei ist der Film von der Lauflänge her ein echtes Fliegengewicht mit seinen 85 Minuten. Und zwar ein sehr angenehmes. Man hat das Gefühl, dass er es erstens schafft seine Geschichte zu vollster Zufriedenheit in der Laufzeit zu erzählen und zweitens sogar mehr erzählt als das andere Filme mit der doppelten Laufzeit tun.
The Sound of my Voice, USA, 2011, Zal Batmanglij, 85 min
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
Schreibe einen Kommentar