Ein Film von Isabel Coixet über eine Buchhandlung? Da muss ich nicht lange nachdenken, das will ich sehen. 🙂 Coixets Filme und ihr Gespür für Geschichten über Frauen abseits vom Hollywood-Bullshit waren meistens sehr sehr sehenswert. Moralisch aufwühlend wie Das geheime Leben der Worte, erschütternd und nahegehend wie Mein Leben ohne mich oder locker und entlarvend wie Elegy. Die Regisseurin hat bei mir einen Nerv getroffen. Ihre Attitüde und Interesse für spannende, Bechdel-test-bestehende Frauenrollen trägt nur umso mehr dazu bei. Hält das auch ihr neuer Film? Review ist spoilerfrei.
Das kleine Städtchen Hardborough an der britischen Ostküste ist beschaulich und ihm mangelt es an einer Buchhandlung. Florence Green (Emily Mortimer) beschließt das zu ändern. Sie liebt Bücher und schwelgt gern in Erinnerungen an bestimmte Zeilen, lebt dieses Gefühl nachdem man ein Buch zu Ende liest und es einem weiter im Kopf rumgeht. Und in Erinnerungen an ihren Mann, der ihre Leseleidenschaft teilte. Er starb vor einer Weile und die junge Witwe erkennt in der Frage wie es mit ihr weitergehen soll nun endlich: mit einer Buchhandlung. Doch nicht alle sind Freunde von dem Gedanken, dass eine Frau eine Buchhandlung eröffnet und welche Bücher sie dort anbietet.
„DER BUCHLADEN DER FLORENCE GREEN Trailer German Deutsch (2018)“, via KinoCheck (Youtube)
Es gibt eine Stelle in dem Film, in der Florence (sinngemäß) sagt, dass sie sich nie der Ansicht beuge, dass es zwei Arten von Menschen gibt. Menschen und Menschen, die anderen Menschen vorschreiben können wie sie ihr Leben zu leben haben und ihr Schicksal lenken dürfen. Genau diese unsichtbaren Klassen, die sie verneint, rütteln an dem Ast, auf dem sie sitzt. Die einflussreiche und offensichtlich gut-situierte Violet Gamart (Patricia Clarkson) erklärt sich zur Kunstmäzenatin und will in genau dem Haus, in dem Florence ihre Buchhandlung eröffnet hat, ein Kunstzentrum einrichten. Wer jetzt an Zickenkrieg denkt, hat weit gefehlt. Gamart gibt sich gar nicht die Blöße, sondern stellt das alles sehr geschickt an. Ohne große Konfrontationen. Von hinten durch die Brust ins Auge. Auf die feine Art. Und sie ist auch nicht die einzige Kritikerin. Es ist die Abschätzigkeit vieler Menschen wie die des Bankiers, ihres Anwalts. Der Leute, die ihr schon ihren Bankrott vorhersagen und die Gerüchte schüren ihr Laden stehe zum Verkauf, sie würde abspringen, das alles ja nicht ernst nehmen, etc etc. Es wirkt schon arg satirisch wie sich vor Florence eine Wand entfaltet, die alle Klischees auspackt. Klischee, die selbst Florence in den 1950er Jahren zu klischeehaft findet wie die Frage „Soso, sie sind also Witwe? Wann gedenken sie denn wieder zu heiraten?“ Aber Coixets Film ist mehr als die Klischees. Er bringt mutig auf den Tisch wie Florence das Kleinstadtleben aufrüttelt. Zum Beispiel mit ihrem Mut den Laden überhaupt zu eröffnen und auch dort Bücher wie Nakobovs „Lolita“ anzubieten.
Es gibt auch die Förderer und Enthusiasten, die Florence helfen. Und das manchmal auf ganz zarte Weise wie am Beispiel des Literatur-Enthusiasten Edmund Brundish, wieder mit einer herrlichen Mischung aus herzig, höflich und schroff gespielt von Bill Nighy. Er spielt in Florences Leben zwar eine Rolle, aber der Film gibt sich nicht die Blöße in alte Klischees zu verfallen und ihn zum Retter in der schimmernden Rüstung zu machen, der Florence und den Tag und die Buchhandlung rettet. Nein, Florence versucht es selber. Doch manche ihrer Entscheidungen bleiben trotz ihres charmanten Charakters schwer nachvollziehbar und geben dem Film und auch seinem Ende damit einen faden Beigeschmack herbeigeführter Zwickmühlen, Konflikte und Situationen, die änderbar gewesen wären und die man in Filmen Isabel Coixets nicht erwartet. Steht sie doch normalerweise für nicht vorhersehbare, nicht konstruierte, sondern aus dem Leben gegriffene Stoffe. Andere Motive erkennt man eher: beispielsweise den charmanten genreübergreifenden Ton voll Witz, Tragik und Satire. Letzten Endes hat Florence aber etwas erreicht, das ihr niemand streitig machen kann. Wenn man übrigens gegen Ende des Films gut aufpasst, sieht man ein Buch der Autorin Penelope Fitzgerald, die die Literaturvorlage zu Der Buchladen der Florence Green schrieb.
Der Buchladen der Florence Green (OT: The Bookshop), Spanien/UK/Deutschland, 2017, Isabel Coixet, 112 min, (7/10)
Zuletzt noch eine Trigger Warnung: seht euch vor, denn wer den Film schaut, bekommt danach möglicherweise Lust einen Buchladen zu eröffnen. Jetzt bin ich besonders neugierig: kennt ihr die Buchvorlage? Mir sagt sie leider nichts. Ich muss gestehen, dass sich der Film ein wenig anders anfühlt als andere Filme Coixets, etwas konventioneller. Generell kann ich ihre Filme aber sehr empfehlen – ein paar Tipps gibt es hier.
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