Der „Feministische Frühling“ ist eine Beitragsreihe, in der ich mich Feminismus in der Gesellschaft und Literatur widme. Mit dem sechsten Beitrag ist heute tatsächlich schon Schluss mit dem Thema, das leider auch etwas asynchron lief. Am Anfang war der Gedanke. Meine Arbeit als Softwareentwicklerin und so manche Geschlechterkontroverse hat schon seit Jahren den Begriff Gleichberechtigung und Feminismus in mein Blickfeld gerückt. Dann begann ich nebenbei als Teil eines kleinen Diversity-Teams in meiner Firma zu arbeiten. Und mein Bücher- und Film-vernarrtes Ich begann vor einer Weile zu realisieren, dass viele Protagonisten in den Büchern, die ich lese und Filmen, die ich schaue, Männer sind. Ich fing an gezielt über Frauen zu lesen. Filme von Regisseurinnen zu schauen etc. Im Frühjahr diesen Jahres habe ich zwei Bücher gelesen, in denen es um Frauen geht. Eins davon ist von einer Frau geschrieben. Beide waren sehr bewegend und kennzeichnen eine Gesellschaft, die Frauen nur das Mindestmaß an Raum zur Entfaltung gibt. Dann sah ich auf der Leipziger Buchmesse das Sachbuch Frauenbewegung und Feminismus. Auch trotz der herben Winter-Rückkehr im März beschloss ich: ich mache einen Feministischen Frühling. Heute: Ein Fazit.
Der Kreis schließt sich
Zuerst waren es Olga, der sich Bernhard Schlinks Buch widmet und Yeong-Hye in Han Kangs Die Vegetarierin, die ich im Frühjahr 2018 las und die nur der Anfang einer Reihe von Büchern von und über Frauen sein sollten, mit denen ich mich in diesem Jahr beschäftigen wollte. Margaret Atwoods Handmaids Tale hat sicherlich auch etwas damit zutun, ist vielleicht der geheime Auslöser und Mutter des Gedankens dieses Feministischen Frühlings. Ich dachte eine fachliche Auseinandersetzung damit was Feminismus ist und wie sich die Frauenbewegung entwickelte, könnte nicht schaden. Und als mich ein Exemplar von Ute Gerhards Frauenbewegung und Feminismus anlächelte, war das abgemacht.
Es hat sich gelohnt, denn spätestens bei der Auseinandersetzung mit Virginia Woolf als Person, ihren Essays und Geschichten wie Mrs Dalloway schloss sich der Kreis. Ich lerne im Sachbuch etwas vom Wollestoncraft Dilemma und wie wenig Rechte Frauen in früheren Zeiten wirklich hatten. Nämlich noch weniger als ich dachte. Nicht einmal Besitz. Auch die Tonart, die sagt, Gleichberechtigung ist eine demokratische Aufgabe und noch längst nicht abgeschlossen, fand ich in allen Büchern wieder. Zu Virginia Woolfs Zeiten mag das nicht verwundern, aber wenn selbst Ute Gerhard es noch heute aufschreibt!? Es ist vielleicht noch ein weiter Weg und einer, der wahrscheinlich mindestens genauso viel mit Demokratie wie mit Feminismus zutun hat und leicht verfehlt werden kann. Auf der einen Seite sagt man „Wir in Deutschland leben das doch schon ganz gut!“ aber wenn einem ein Lehrer sagt, dass man sich nochmal gut überlegen soll, ob man als Frau wirklich Informatik studieren will, so wie ich es vor zehn Jahren gehört habe, dann muss man sich fragen: ist es wirklich abgeschlossen? Sind wir am Ziel? Hat sich denn in den zehn Jahren etwas verändert? Die Diskussion lebt aber leider noch. Das merke ich ständig, wenn wir auf Arbeit Diversity-Maßnahmen für Mädchen oder Frauen gestalten. Oder wenn sich jemand beschwert, dass es eine Frauenquote gibt. Oder einfach, wenn mir jemand beweisen will, dass ich als Frau etwas nicht so gut kann wie ein Mann. Oder wenn ein Mann versucht mir zu erklären, dass ich etwas nicht verstehe, obwohl ich nur eine andere Meinung habe als er – so wie erst letzte Woche oder so. Dann gibt es plötzlich Meinungen und manchmal sogar harte Gefühle. Wir sind noch nicht fertig. Und in manchen Ländern der Welt ist man vom Ziel noch ganz weit entfernt. Aber ich habe auch gelernt, dass man bei der Förderung der einen schnell die anderen vergisst. Dass auch Feminismus gewalttätig durchgedrückt werden kann, hat die Geschichte gezeigt. Und manchmal geht Feminismus einfach in die falsche Richtung – wie man gut an der oftmals falsch definierten „starken Frauenrolle“ sehen kann. Deswegen habe ich schon im letzten Artikel dafür plädiert, dass man mit einfachen Mitteln schon viel erreichen kann. Nachschauen, was eure Stadt oder Gemeinde an Projekten zum Thema Gleichstellung anbietet. Darüber schreiben oder Frauen eine Plattform geben. Oder einfach mal ausreden lassen.
Photo credit: Katherine Hanlon
Frauen (an)erkennen
Ich denke, dass Auseinandersetzung ein wichtiger Punkt ist, Frauen in das Bewusstsein zu rücken. Geschichten, egal ob in geschriebener oder filmisch umgesetzter Form, sind ein guter Anfangspunkt. Für den einen oder anderen Leser ist das jetzt möglicherweise nicht die neueste oder überwältigende Erkenntnis. Aber es ist ein Anfang, den jeder machen kann. Fragt euch wieviele Bücher, die sich mit Geschichten über Frauen befassen in eurem Regal stehen. Oder wieviele davon von Frauen geschrieben wurden. Wieviele Filme weiblicher Regisseure habt ihr gesehen? Es sind die kleinen Dinge, die fördern und Verständnis schaffen. Ein paar Einstiegshilfen geben großartige Blogreihen wie Sabines #WomenInScifi, das inzwischen an die 30 Science-Fiction-Bücher von Autorinnen vorstellt. Oder die Aktion 52 Films by Women, die den Fokus auf Filme von weiblichen Regisseuren legt – denn unglaublich aber wahr: sie sind immer noch stark in der Minderheit in den diversen Traumfabriken der Welt. Auch ich habe im Zuge meiner Werkschauen 7éme art immer mal wieder Regisseurinnen und Schauspielerinnen in den Vordergrund gerückt. Es geht dabei gar nicht so sehr um Feminismus, sondern v.A. darum sich erst einmal dafür zu öffnen und das Bewusstsein für das Werk der Frauen zu schaffen. Mal in den Schuhen der anderen ein paar Meter zu laufen und zu schauen wie sich das anfühlt. Und dem einen oder anderen abzugewöhnen „Frauenroman“ mit abfälligem Ton in der Stimme zu sagen. Denn es gibt Protagonistinnen da draußen, die Geschichten erzählen, die vielfältig sind und gehört werden sollten. Egal ob als Olga, die aufgehört hat darauf zu warten, dass die Menschen bescheidener werden. Oder Flavia, eine junge Detektivin. Oder als Kathy, die in Alles was wir geben mussten ihre Aufgabe akzeptiert. Oder Grey, die in Mo Hayders Tokio auf Spurensuche ist. Oder Yeong-Hye, die alle Gewalt aus ihrem Leben verbannen will. Oder Reneé und Paloma, die eine besondere und unerwartete Freundschaft verbindet. Oder Alice und ihre Reise ins Wunderland. Oder Scout, die jung und wild und frei und boyish ist und viel über Gerechtigkeit lernt. Oder von Louise, einer Sprachwissenschaftlerin, die Kontakt aufnimmt. Oder von Offred, die sich in einer Welt wiederfindet, in der Frauen vollkommen entmündigt sind. Oder von Grace, die vielleicht eine Mörderin ist, vielleicht auch nicht. Es ist ein erster Schritt mal auszuprobieren wie es sich anfühlt die andere zu sein.
Bisherige Artikel der Beitragsreihe
I. Sachbuch-Besprechung „Frauenbewegung und Feminismus“ von Ute Gerhard
II. Buch-Besprechung „Mrs Dalloway“ von Virginia Woolf“
III. Diversity und Wahrnehmung
IV. Virginia Woolf „A Room of One’s Own“ and „Three Guineas“ – zwei verschiedene Tonarten über Feminismus
V. Feminism gone wrong? Stephen und Owen Kings „Sleeping Beauties“ und andere Medien
Für mich wird es übrigens weitergehen mit dem Feministischen Frühling – ob auch unter diesem Namen kann ich noch nicht sagen. Aber es gibt viele Bücher, die noch auf meiner To-Read-Liste stehen, die feministisch motiviert sind oder einfach von Frauen geschrieben sind oder eben Protagonistinnen haben, deren Stimme ich hören will. Beispielsweise Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ und auch nicht feministische Bücher von ihr wie „Alle Menschen sind sterblich“. Vielleicht ist Feminismus auch uncool geworden – die Artikel hier gingen was die Kommentare und Klicks betrifft nicht gerade durch die Decke. Aber trotzdem kamen einige spannende Diskussionen auf und ich habe viele Tipps von euch bekommen. 🙂 Vielen Dank dafür! Für mich ist das Thema noch nicht durch. Und ich hoffe für euch auch noch nicht.
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