Fantastischer Film: Mother!

Aronofskys kontroverser Film war einer, den ich mit Verblüffen geschaut habe, anfangs nicht so richtig gut fand und dann irgendwie genial. Dass er bei den Academy Awards 2018 übergangen wurde, erschien mir schwer glaubhaft. So ist das Drehbuch und auch die Machart eine einzige, krasse Metapher. Jennifer Lawrence ist hier als namenloser Hauptcharakter in der Do-it-Yourself Hölle. Ihr Mann (Javier Bardem), ein bekannter Dichter, ist in einer Schaffenskrise. Sie versucht ihm ein schönes Heim herzurichten und sein einst abgebranntes Haus zu restaurieren in der Hoffnung, dass ihm das Umfeld und die Erneuerung hilft. Plötzlich entwickelt er eine seltsame Affinität dazu wildfremde Leute einzuladen, die sich meistens als seine Bewunderer outen und sehr hartnäckig einnisten. Ja sogar dem Paar die Besitzrechte an dem Haus streitig machen und damit ziemlich mies umgehen, während der Mann sich an der ihm entgegen gebrachten Bewunderung nicht satt sehen kann. Seine Frau gerät ins Hintertreffen.

Was sich die Gäste herausnehmen und er ihnen erlaubt ist schwer zu akzeptieren und macht wütend. Man ist fassungslos und zornig ob der Dreistigkeit, die ins immer Krassere gipfelt. Man möchte, dass es aufhört. Würde man nicht ab einem gewissen Punkt wissen wollen, was mit den Charakteren kaputt ist, würde man vielleicht sogar den Film verlassen. So schlimm ist es. Und dann wird der Film surrealer. Worum geht es da eigentlich? fragt man sich entsetzt. Ist das alles eine Metapher? Und dann als sich plötzlich in der ausbeuterischen Beziehung und dem Eigenheim-Albtraum die weltpolitische Lage und Menschheitsgeschichte wiederspiegelt, wird klar: das ist sogar eine riesengroße Metapher. Und die Menschheitsgeschichte so an sich vorbeirasen zu sehen ist leider nicht angenehm. Das Haus wird der Schauplatz von Kriegen, Ausbeutung und viel Ungerechtigkeit.

„mother! movie (2017) – official trailer – paramount pictures“, via Paramount Pictures (Youtube)

Da ist Aronofsky ein Kunstgriff gelungen. Aber einer der aufgrund seiner Brisanz sicherlich den meisten Zuschauern zuviel war. Vielleicht auch zuviel Bibelstunde!? Denn man kann den Film auf verschiedene Arten und Weisen deuten. Einerseits kann Javier Bardems namenloser „Mann“, der „Mutter“ aufgrund ihrer bedingungslosen Liebe und Gutmütigkeit so ausbeutet, als die kaputte Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt (Natur) gedeutet werden. Aber auch als die Beziehung zwischen Gott, dem Menschen (seinen Bewunderern) und der Erde. Spätestens machen dann auch die Figuren (Adam & Eva, Kain & Abel, …) und der zuerst angedacht Titel Day 6 Sinn, der auf die Schöpfungsgeschichte anspielt. Bis der Groschen fällt ist da viel Verwirrung, aber wenn er fällt, ist der Aha-Effekt groß. Sicherlich schmeckt es aber nicht jedem wie der Film gedeutet werden kann. Die einen wollen nicht mit Religion konfrontiert werden und gingen unter einer anderen Prämisse in den Film. Die wieder anderen sehen eventuell ihren Glauben empfindlich kritisiert. Je nach Deutung. Und die lässt natürlich auch das Gleichnis der Gesellschaft allgemein zu oder eben die Parabel auf Mensch und Umwelt. In jedem Fall ist der eine ein Parasit, der sich alles nimmt, was der andere zu geben hat. Home Invasion als Metapher.

Schwer zu ertragen ist der Film trotz und gerade wegen seiner starken Bilder, Metaphern und Schonungslosigkeit. In was die Handlung gipfelt dreht einem fast den Magen um. Das eine, weil es dem gleicht was man jeden Tag in den Nachrichten sieht. Das andere, weil das Handeln aller zu surreal und grausam wirkt. Den schonungslosen Realismus muss man abkönnen. Aber auch wenn der Film höchst unbequem ist, ist er auch genial. Aronofsky wird immer mehr ein Regisseur, der zwar bedeutungsvolle und kompromisslos kritische Werke schafft, aber v.A. welche, die sich nicht mehr an ein Publikum richten, das einfach nur unterhalten werden will. Sondern für ein Publikum, das gefordert werden will und einiges ertragen kann. Das sind keine einfachen Filme und v.A. deswegen welche, die polarisieren und schockieren. Ich behaupte es sind wichtige Filme. Auch Noah wurde viel gescholten, aber hatten die Filme nicht einfach nur zu viele Gedanken und Ideen, die uns nicht gefallen, weil sie uns ertappen? Für eine Oscarnominierung war er offenbar jedenfalls zu kontrovers.

Mother!, 2017, USA, Darren Aronofsky, 122 min

Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆

2 Antworten

  1. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Ein fiebertraumhafter Film. 😉 Ich fand ihn zwar auch sehr sehenswert, aber rückblickend auch an einigen Stellen ein bisschen zu viel. Ich kenne nicht so viele Filme von Aronofsky und auch wenn ich diese gut fand, empfinde ich einige Rollenbilder und Metaphern zu stark, zu festlegend, zu einschränkend und damit passend und unpassend zu gleich.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja der fordert die Zuschauer ganz schön … ich bin gespannt wie Aronofsky in der Zukunft weiter macht und ob er nochmal zu weniger stressenden Filmen zurückfindet. Auch wenn ich ihn dafür andererseits schätze und mutig finde

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