Vorher noch nicht, aber als Denis Villeneuve ins Gespräch kam, war ich dann auch gehyped über die Nachricht einer Verfilmung von Frank Herberts Erfolgsroman. Und von Anfang an relativ sicher, dass Villeneuve das wuppen wird und der Dune-Community die Filmadaption gibt, die ihnen bisher verwehrt blieb. Mein Wissen über Frank Herberts „Dune“ und seine Verfilmungen (und Beinahe-Verfilmungen) beschränkte sich bisher auf Hörensagen und das Wissen einer Betrachterin von außen. Bis ich jetzt neulich das erste Buch gelesen habe und just in time fertig wurde, einen Tag bevor ich dann ins Kino ging. Und wie war es nun? Die Besprechung ist spoilerfrei.
Fear is the Mindkiller. Viele tausende Jahre in der Zukunft herrscht erneut ein feudalistisches System, nun aber interplanetar. Haus Atreides wird angeordnet den Spice-Abbau auf dem Planeten Arrakis, genannt Dune, zu übernehmen. Spice ist eine für das Imperium enorm wichtige Ressource, ohne die interplanetare Reisen über große Distanzen nicht möglich sind und die nebenbei gesagt abhängig macht. Die Bedingungen könnten aber kaum schwieriger für Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac), seine Familie und Untertan*innen sein. Zum Einen war vor ihnen das verfeindete Haus Harkonnen unter Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) auf Arrakis an der Macht und hat einen Kleinkrieg gegen die Einheimischen Fremen geführt. Sie hinterlassen den Atreides den Stützpunkt in einem suboptimalen Zustand. Hinzu kommen die lebensfeindlichen Bedingungen auf dem Wüstenplaneten. Leto Atreides, seine Partnerin Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und ihr gemeinsamer Sohn Paul (Timothée Chalamet) laufen in eine offensichtliche Falle.
Sie laufen trotzdem hinein, denn Befehl ist Befehl. Die Aufregung aller offenbart auch, dass der eine oder andere ganz spezifische Pläne für Paul hat. Lady Jessica gehört dem Orden der Bene Gesserit an und lehrt Paul ihre Künste wie Beeinflussung, Kontrolle über das Selbst – sowohl physisch als auch psychisch und Resilienz. Was Paul klar wird: sie wollten ihn anfangs nicht als Erlöser, aber seine Veranlagung spricht für sich. Man versucht ihn als eine Erlöserfigur zu platzieren. Und das nicht mal besonders subtil und gegen seinen Willen. Tatsächlich beginnt er bereits weit vor ihrer Ankunft Visionen über Arrakis zu haben. Nicht alles, was ihm diese Zukunft zeigt, will er. Und schon gar nicht unter der Flagge des Hauses Atreides. Lässt sich aber verhindern, was Paul sieht? Können die Leben noch gerettet werden, deren Tod er schon vorhergesehen hat? Fest steht, dass seine Zukunft ihn zu den Fremen führt, die an das Leben in der Wüste angepasst sind und deren Augen vom Konsum des Splice durchgehend blau sind.
„DUNE Trailer German Deutsch (2021)“, via KinoCheck (Youtube)
Selbst mir als (bis vor Kurzem) Nicht-Kennerin der Bücher war klar: Dune verfilmt man nicht leichtfertigt. Was bis dahin nur eine Vermutung (geboren aus den Flops der Vergangenheit) war, bestätigte sich beim Lesen. Die Mythologie der Serie ist so ausgefeilt und reich an logischen Zusammenhängen, Begriffen und Motiven, dass es kein Wunder ist, dass das Unterfangen alles in einen Film zu pressen zum Scheitern verurteilt ist. Denis Villeneuves Entscheidung und Bedingung das erste Buch in zwei Filme zu adaptieren statt alles in einen zu quetschen, sorgt für eine atmosphärische Aufbereitung des Stoffs. Der Film nimmt sich so Zeit das Flimmern des Spice im Sand von Arrakis zu zeigen, Pauls Visionen und Vorahnungen Raum zu geben, die unterschiedlichen Häuser zu skizzieren genauso wie das Leben in dieser Galaxie des Jahres Zehntausend-Irgendwas.
Dafür arbeitet Villeneuve wie schon zuvor für Blade Runner 2049 mit dem deutschen Spezialeffektdesigner Gerd Nefzer und Hans Zimmer für den Score zusammen. Und das macht sich bemerkbar. Das CGI des Films ist auf einem Level, auf dem man längst nicht mehr so einfach erkennen kann, was hier aus dem Computer kommt und was nicht. Der Soundtrack von Zimmer arbeitet einzelne Elemente heraus wie die mit einem Dudelsack-beginnende Ankunft des Hauses Atreides auf Arrakis, die optisch und kulturell die an die Hebriden angelehnte Herkunft und Inspiration aufgreift. Aber nie zu sehr unsere Realität beansprucht, sondern einen neuen Sound gestaltet. Und das ist dringend notwendig, um Dune die nötige Atmosphäre zu geben. Viele Chöre gleichen religiösen Gesängen und erzeugen neben der Optik des Films das Gefühl etwas unübertrieben episches zu schauen.
Das erste was ich aber nach dem Kinobesuch im Internet nachgeschlagen habe: von wem stammen das Production Design und die Kostüme? Beides formt die Vision von Arrakis, Atreides, Harkonnen und dem Imperium maßgeblich und macht einen großartigen Job. Szenenbild bzw Production Design geht auf die Kappe von Patrice Vermette. Er hat etwas gemeistert, das im Kino heutzutage schwer zu treffen ist – er hat neue Impulse geliefert. Gibt so beispielsweise dem Haus Atreides ausgedrückt in Wandbilderm, Raumschiffen, Architektur und cross-kulturellen Anleihen (Stierkampf vs Hebriden) ein Profil. Genauso werden aber auch Raumschiffe gestaltet, die sich wie vieles in dem Film nicht vorwerfen lassen müssen, dass man das schon zig Mal gesehen hätte. Die Kostüme von Jacqueline West und Robert Morgan sind von Stillsuit bis Roben der Bene Gesserit fantastisch, dem jeweiligen Personengruppen und Zwecken angemessen und wirken authentisch.
„Dune (2021): The Royal Houses Featurette“, via Secrets of Dune (Youtube)
Bei all dem hält sich Villeneuves Dune stark an seine Vorlage, was meines Erachtens nach nicht mal sein muss. Eine Adaption ist eben genau das, was der Name ausdrückt. Sie kann nie das Original sein, weil es ein anderes Medium ist. Aber dass was Villeneuve hinzugefügt oder weggelassen hat, sind gute Entscheidungen. So ist die Darstellung Vladimir Harkonnens zumindest eines häßlichen Vorurteils beraubt worden und verletzt damit weniger Zuschauer*innen. Auch werden starke Bilder hinzugefügt wie die Dattelpalmen, die soviel Wasser wie 100 Personen benötigen. Etwas das wie Paul und wir als Zuschauende lernen auf Arrakis eigentlich ein Unding ist, denn Wasser ist kostbar. Aber sie gelten als heilig. Später werden wir sie brennen sehen, wenn auf Arrakis in diesem Konflikt um Vormachtstellungen nichts mehr heilig ist. Dune macht in diesen Momenten die Vehemenz und Grausamkeit der menschlichen Gier nach Macht greifbar. Was dem Film besser als das Buch gelingt ist zu zeigen wie sehr sich Paul gegen seinen Prophetenstatus sträubt und damit einen sogar noch sympathischeren, weil widerwilligen und „nahen“ Protagonisten schafft. Was dem Film weniger gut gelingt als das Buch ist zu erklären, warum das Imperium diese Materialschlacht in Kauf nimmt, nur um sich des verhassten, populären Hauses Atreides zu entledigen. Dune atmet alles was die Vorlage erzielen will mit jeder Faser, mit jedem Frame. Vom Abspann, der wirkt wie wenn man mit geschlossenen Augenlidern der Sonne begegnet bis hin zu angemessener Epicness der „kleinen“, wichtigen Momente wie als Paul das erste Mal Fuß auf den Wüstensand von Arrakis setzt. Großartiger Film.
Dune, USA, 2021, Denis Villeneuve, 155 min, (10/10)
Übrigens beweist schon der oben verlinkte Trailer, was die Spatzen von den Dächern pfeifen. Dass es insgesamt vier Stunden Filmmaterial allein für den ersten Teil geben soll, der hier auf knapp zweieinhalb Stunden zusammengestellt und -geschnitten wurde. Also den 4h-Dune hätte ich ja lieber als den Snyder-Cut von irgendwas, allerdings hat Denis Villeneuve jüngst angegeben, dass es einen solchen 4-6h-Cut nicht gibt oder geben wird (Quelle Screenrant, 20.08.21). Würdet ihr den schauen? Wie hat euch der Film gefallen? Und im Vergleich zu den Büchern oder zieht ihr den eher ungern?
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