Nach Spectre hat sich meine Überzeugung vom Kurs, den die jüngeren James-Bond-Filme einschlagen, etwas abgekühlt. Cast inklusive Daniel Craig, Ben Whishaw, Naomie Harris, Ralph Fiennes, Rory Kinnear unvm fand ich schon die ganze Zeit über toll – so auch noch immer. Nur erzählerisch versuchten die Filme zuviel. Witzigerweise hat die pandemiebedingt lange Wartezeit auf „Bond 25“ dafür gesorgt, dass ich zunehmend neugieriger wurde. Und wie war’s nun? Besprechung ist spoilerfrei.
Nachdem sich James Bond (Daniel Craig) mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) zur Ruhe gesetzt hat, jetten sie zusammen durch die Welt. Aber über beiden scheint ein Schatten zu hängen. Während Madeleine Erinnerungen an ihre Kindheit nachhängt, kann James nicht aufhören sich in Erwartung eines Angriffs über die Schulter zu schauen. Tatsächlich wird auf ihn ein Anschlag verübt und es scheint nur eine Antwort zu geben, wer ihn verraten hat. Sein Vertrauen in Madeleine ist zerstört und er trennt sich von ihr. James Neustart wirkt wie ein falsches Versprechen. In die Bitterkeit mischt sich die Nachricht, dass die Welt ohne es zu wissen von einer Herakles genannten Biowaffe bedroht wird. Als Felix Leiter (Jeffrey Wright) auf Bonds Türschwelle steht, lässt er sich dazu hinreißen dem Fall nachzugehen. Soviel macht Leiter allerdings klar: dieses Mal ermittelt Bond höchstwahrscheinlich für die CIA, aber gegen das MI6 und M (Ralph Fienne), die in die Entwicklung von Herakles involviert sind. Spätestens als sich die Agentin Nomi (Lashana Lynch) als (neue) 007 vorstellt und ihm klar macht, dass sie nun auf verschiedenen Seiten stehen, ist klar, dass wohl doch nicht alles beim Alten ist.
„Keine Zeit Zu Sterben – Finaler internationaler Trailer deutsch/german HD“, via Universal Pictures Germany (Youtube)
Das Gute vorweg. Cary Joji Fukunagas „Bond“ ist eine Augenweide. Die Bilder sind symbolträchtig und metaphorisch. Madeleine verspricht nicht selten in Szenen das Licht am Ende des Tunnels zu sein und vielleicht immer noch die Antwort auf Bonds Fragen. Rami Maleks Figur des Lyutsifer Safin (smarter Name für einen Bösewicht) bekommt Wiedererkennungsmerkmale wie die Maske mit sichtlichen Spuren der Vergangenheit, die ihn mit Madeleine verbinden. Grüße aus der Vergangenheit sind allgegenwärtig. Familie ein sich in der Erzählung wiederholendes Thema, so wie auch Erbe. Einige erben Hass, andere erben Wünsche für eine bessere Zukunft. Die Landschaftsbilder sind atmosphärisch, bombastisch und das ganze Production Design lässt erkennen, was für ein Budget dahintersteckt. Die Schauplätze sind vielfältig – Jamaika, Italien, Norwegen, London natürlich. Die sind vielleicht für Bondfilme nicht direkt exostisch oder ausgefallen, aber es hat den Bond-Chique. Durch und durch bis in die Opening Credits, die Götter-Motive (Herakles, Neptun, …) aufgreifen und diese als gefallene Titanen darstellen.
In punkto Diversität hat der Film die Reihe angenehm und noch deutlicher als in der Vergangenheit fortgesetzt. Es gibt ein Wiedersehen mit Q, der auf „Ihn“ wartet – sein Date. Das Casting von Lashana Lynch drückt den Wunsch nach Inklusion im Bond-Universum aus. Ihr wollt einen BIPoC-Bond? Ihr wollt eine weibliche-Bond? Hier habt ihr beides. Und Lashana Lynch ist wirklich tough und genau die weibliche Bond, von der wir nachts träumen. Das Problem nur ist, dass das Bemühen allen Eventualitäten vorauszueilen und alle Wünsche von „Bond 25“ vorwegzunehmen dem Film definitiv nicht gut getan hat. Alles was die neuen Bondfilme etabliert haben, übertreiben sie so weit und mischen es so krampfhaft mit alten, typischen Bond-Motiven, dass man Bond 25 noch schwerlich als Bondfilm erkennt, weil er schlichtweg so überfrachtet ist.
So ist es beispielsweise eine schöne Idee das klassische Bondgirl für obsolet zu erklären, indem Ana de Armas als Agentin Paloma beispielsweise frisch, witzig, schlagkräftig, etwas unsicher und absolut nicht an Bond interessiert ist. Ihr Auftritt aber wirkt so als ob man keine Zeit hatte. Und das in einem 160-Minuten-Monstrum. Lashana Lynch ist 007 und hat im Vorfeld als „weibliche schwarze Bond“ für Schlagzeilen gesorgt. Hoffentlich nicht nur für das Marketing. Denn leider ist sie gegen Ende des Films eher eine Randfigur, obwohl sie so cool starten darf. Sie wird deutlich zu wenig etabliert und ihr zu wenig Charakter oder Hintergrundgeschichte gegeben. Eine schöne Genugtuung ist, dass sie in Anspielung auf Ethnien und die wünschenswerte und zu oft mangelnde Farbenblindheit der Gesellschaft gegen Ende nochmal richtig austeilen darf. Will man an ihr demonstrieren wie die Zukunft von 007 aussehen kann, dann hätte man mehr in das Ende des Films und sie investieren sollen. Daniel Craigs Charakterisierung als geläuterter Bond, realitätsnahe Figur, die sich nach Familie sehnt, funktioniert hingegen gut. Dankbarerweise wird der Kurs, der ihm seit Casino Royale auf den Leib geschrieben wurde, zu einem stimmigen Ende geführt. Aber als zweieinhalb-stündiges Monstrum versucht der Film so ziemlich alles mit zu erschlagen, was geht. Inklusive Blofeld (Christoph Waltz).
Die Bemühungen das erst im letzten Film zum Verbrechersyndikat gekrönte Spectre in diesem Film einzureißen sind zu hoch gesteckt. Ähnlich wie es nicht auffällt wieviel Zeit im Film verstreicht (Jahre, ohne dass man es groß merkt), fällt auch das Gewicht Spectres nicht mehr auf. Auch Bonds Beziehung zu Madeleine in einem Film zu beenden und sie vielleicht(?) wieder zusammenzuführen, erfordert alles viel Zeit, die eigentlich nicht da ist. Und so entsteht ein zweieinhalb-Stunden-Monstrum, was seine zahlreichen erzählerischen Mittel zum Zweck und zur Dramatisierung einfach nicht in den Griff bekommt. Ein Beispiel: Madeleine soll ein Geheimnis haben, es wird die ganze Zeit über angeteasert. Und ja, ein Geheimnis oder zwei kommen raus. Aber keins davon kann das sein, was sie alle angeteasert haben, denn so überraschend ist das nicht. Die Bemühung „Bösewichte“ einzuführen, die Wiedererkennungsmerkmale haben und an die Bondfilme früherer Zeiten erinnern, sind wie schon bei Spectre ein gescheiterter Versuch alt und neu zu verbinden. Das Bild des „entstellten Bösewichts“ ist ein Armutszeugnis für diejenigen, die die Figuren schaffen. Zumindest, wenn es vier Mal in Folge geschieht. Was bedeutet überhaupt „entstellt“? Aber doch bitte nicht „Schönheitsmakel“. Und bitte nicht mit „Bösewicht“ gleichsetzen. Auch wurden an Lyutsifer Safin viele interessante Motive verschenkt, beispielsweise die von Gift. Was das betrifft hatte Rami Malek von Anfang an schlechte Karten und dann kam auch noch wenig Screentime dazu dazu.
Leider demonstriert No Time To Die, woran schon Spectre gescheitert ist. Dass das Zusammenbringen alter und neuer Werte ein Unterfangen ist, wofür es viel Fingerspitzengefühl und nicht nur Production Value und „Masse“ an Ideen braucht. Dass die großartige Phoebe Waller-Bridge am Drehbuch beteiligt war, hat mir große Hoffnung gemacht, aber vielleicht verderben auch viele Köche den Brei. Sie, Purvis & Wade und Cary Joji Fukunaga haben sich an dem Monstrum die Zähne ausgebissen – offensichtlich war es zäh. Es ist amtlich, dass es Daniel Craigs letzter Bondfilm ist. Aber wer bis ganz zum Schluss im Kino sitzen bleibt (was sich wie ich finde ja immer lohnt), sieht dort den prominenten Schriftzug über die Rückkehr von „James Bond“. Wie auch immer das dann aussieht.
James Bond 007: Keine Zeit zu sterben (OT: No Time to Die), UK/USA, 2021, Cary Joji Fukunaga, 163 min, (6/10)
Daniel Craig’s farewell speech after wrapping No Time To Die, his last James Bond film. @007 pic.twitter.com/xCqab3JK3z
— Filmthusiast (@itsfilmthusiast) September 17, 2021
Nevertheless … i like Daniels „James“!
Dass der Film trotzdem verhältnismäßig viele Punkte bekommen hat liegt viel daran, dass ich Daniel Craigs Darstellung der ikonischen Figur sehr mag und bis einschließlich Skyfall sehr lohnenswert finde. An und für sich habe ich mich auch gut unterhalten gefühlt … nur hatte ich wenig Bond-Vibes. Es hätte auch ein random Actionfilm sein können. Wie ging es euch damit? Wie sieht eurer Meinung nach die Zukunft von „Bond“ aus?
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