Serien-Besprechung: „The Witcher“ Season 2

Das ging dann doch schneller als erwartet. Anfangs in Season 1 tat ich mich mit dem Witcher-Universum eher schwer. Kenne weder Filme noch Bücher. Dann waren alle so mega gehyped, dass ich schon gar nicht mehr wusste, ob ich überhaupt in dieses Tal hinabsteigen will. Aber mir hat die erste Staffel dann doch sehr gut gefallen. So gut, dass ich es nicht erwarten konnte die zweite zu schauen. Leider habe ich die nun aber schwächer als die erste wahrgenommen. Die Besprechung ist an sich spoilerfrei, leider nicht für die erste Staffel.

„Monsters are more than just horrid looks and claws and teeth. Monsters are born of deeds done. Unforgivable ones.“

Nachdem Yennifer (Anya Chalotra) das Chaos komplett entfesselt hat und damit die Schlacht bei Sodden entschied, ist von ihr keine Spur mehr zu finden. Die Nachricht, dass Yennefer für tot gehalten wird, erreicht auch Geralt (Henry Cavill), der mit Ciri (Freya Allan) im Schlepptau auf dem Schlachtfeld nach ihr sucht. Im Folgenden versucht er sich seine Trauer nicht anmerken zu lassen und auf Ciris Sicherheit zu konzentrieren. Nach mehreren Zwischenetappen gelangen sie nach Kaer Morhen, der Festung der Hexer. Dort überwintern gerade mehrere andere Hexer, was Ciri vielleicht doppelt Schutz bietet. Leider nur in der Theorie, denn hinter ihr sind inzwischen mehrere Parteien her.

Währenddessen ist Yennefer keineswegs tot, sondern wurde von Fringilla (Mimi Ndiweni) unter nilfgaardischer Flagge gefangen genommen. Offenbar sind aber durch ihren Ausbruch in Sodden ihre Fähigkeiten erloschen. Als sie Elfen über den Weg laufen, werden aber die Karten neu gemischt. Die Elfin Francesca (Mecia Simson), Fringilla wie auch Yennefer haben Visionen, die sie nicht loslassen und derem Ruf sie mit weitreichenden Konsequenzen folgen. In der zweiten Staffel versucht Geralt Licht in das Dunkel von Ciris Herkunft und Fähigkeiten zu bringen, während Yennefer versucht wieder Kontrolle über ihr Leben zu bekommen und erneut dem Irrtum unterliegt, dass das etwas mit Macht zutun hat. Zwangsläufig fühlt man sich an die erste Staffel erinnert und fragt sich, ob es dieses Mal wieder x Episoden braucht, damit sich alle Suchenden gegenseitig in die Arme fallen. Nicht ganz. Und durch die Art und Weise wie sie auseinander gegangen sind, kann auch nicht von „in die Arme fallen“ die Rede sein.


„The Witcher Season 2 | Official Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)

„We Don’t Kill Out Of Fear“

Das mag für Hexer gelten, leider nicht für den Rest des Kontinents. Angst, dass einem etwas weggenommen wird. Angst vor dem Unbekannten. Angst vor den eigenen Unzulänglichkeiten. Was in der ersten Staffel von The Witcher bereits ein Thema war, bekommt in der zweiten noch deutlichere Bilder. Im Norden erleben die Elfen Unterdrückung, Verfolgung und Völkermord. Leider eine Hommage an das echte Leben und die Menschheitsgeschichte. Inklusive einer Underground Railroad, die von niemand geringerem als Jaskier (Joey Batey) bewerkstelligt wird. Der ist inzwischen ein bekannter Barde, und offenbar unter dem Pseudonym The Sandpiper Schleuser für den guten Zweck.

Unsere Held*innen sind gewachsen! Yen hilft Jaskier, Jaskier hilft Elfen. Ciri wird von der wohlbehüteten Prinzessin zu einer, die selber kämpft. Und Geralt!? Der muss wohl off-camera gewachsen sein. Es ist wunderbar anzuschauen, dass er inzwischen anderen Vertrauen kann und sich sehr schnell in eine Vaterrolle einfügt, aber so recht scheint das nicht zur ersten Staffel zu passen. Haben die Serienschöpfer die erste Staffel nochmal gesehen innerhalb der letzten zwei Jahre? Was ist aus dem mürrischen Knurren geworden? Der Art wie er andere von sich stößt? Hier hat die Serie erzählerisch ebensoviel Akzeptanz vorausgesetzt wie bei ihrem Worldbuilding.

In meinem Rückblick auf das Filmjahr 2021 habe ich noch darüber geschrieben, dass ich die Dune-Bücher nicht ungelesen machen kann und daher die Probleme vieler Zuschauer*innen nicht nachvollziehen kann, die sagen, dass sie den Film nicht verstanden haben. Jetzt kann ich das vielleicht schon, ansatzweise. Man muss sich sehr viel von der Welt um den Witcher zusammenpuzzlen oder hinnehmen. Das Making-of zur zweiten Staffel gibt einen Eindruck, was aus den Büchern oder Games stammt, was hinzuerfunden wurde. Aber es gibt auch einen Einblick darin, dass einige Dinge (Was ist die Wild Hunt? Warum hat Yennefer ihre Kräfte verloren?) vielleicht nicht so geläufig, leicht verständlich und auf der Hand liegen wie das die Produzent*innen wohl dachten. Was das betrifft, hinkt The Witcher Season 2 leider gewaltig.


„The Witcher: Unlocked | FULL SPOILERS Season 2 Official After Show & Deleted Scenes | Netflix Geeked“, via The Witcher Netflix (Youtube)

Die Familie, in die wir geboren werden und die, die wir uns aussuchen

Wo leider viele Zusammenhänge verschütt gehen, werden andere bewusst lange nicht aufgezeigt. Das große Thema der Staffel mag einerseits das eventuelle Zusammenfinden einer Wahl-Familie aus Geralt, Ciri und Yennefer sein (so sie sich vertragen), aber es ist auch die Staffel Ciris. In einer eigenen kleinen Sinnsuche ist sie hin- und hergerissen zwischen Rache und Angst, Kraft und Schwäche, Prinzessin oder Kämpferin sein, gut oder böse. Viele unterliegen bei dem Versuch ihr zu helfen, der einzige der über weite Strecken bleibt und weitermacht ist Geralt. Ich habe das gern gesehen und wünsche mir das für Ciri und Geralt, aber die Kontinuität der Serie hat keine Arbeit dabei geleistet zu zeigen wie Geralt in diese Rolle wächst. Ciri alleine als Aufhänger der zweiten Staffel ist dann eben leider auch wenig Story, v.A. wenn die Fragen nach ihren Fähigkeiten und ihrer Herkunft dann immer noch unbeantwortet bleiben.

Was mir bei all dem gefehlt hat ist mehr Comic Relief. Die Bromance zwischen Geralt und Jaskier hat ihre Momente, aber insgesamt teilen die beiden zu wenig Screentime. Das Queerbaiting bleibt Queerbaiting und so artig, dass sich Zuschauende hininterpretieren können, was sie wollen. Ich wäre ja für was konkreteres, aber ok. Das müssen derweil Jaskier und Yen wieder wett machen. Sie sind ausgezeichnete Frenemies. 🙂 Zur Merkmalliste: was ist anders, was ist neu? Die Effekte sind voller Tropen, die man so schon wo anders gesehen hat und die Kontinuität der Serie verletzen. Portale bringen hier mal alle zum erbrechen, dann mal nicht. Sind hier mal schwierig aufrecht zu erhalten, dann nicht. Monster, Besessenheit, Portale, Magie, alles ist schmerzhaft ähnlich wie in anderen Fantasy-Stoffen dargestellt. Die Augenfarben sind immer noch übertrieben gesättigt. Soll das so? Ist das so ein Ding aus Büchern und Games, woran man in einer Adaption nicht vorbei kommt ohne sich Feinde zu machen? Andere Entwicklungen gefallen. Ausbalanciere Nacktheit zwischen den Geschlechtern. Zumindest wenn man beide Staffeln betrachtet. Die Kostüme sind besser (Geralts Rüstung!), die Kulissen stimmungsvoller, das Make-Up ist besser: endlich kein blauer Lidschatten mehr, dafür Charakter-Augenbrauen. Die Musik ist wieder großartig und stimmungsvoll. Joey Batey liefert ab als Barde. Der hat das drauf. Gebt dem Mann mehr Screentime.

Konsequent bedienen sich die Showrunner bei slawischer Folklore und wir werden u.a. Baba Yaga in den mythischen Figuren wiedererkennen. Ein Detail, was wohl laut des auch auf Netflix verfügbaren Making-ofs nicht aus Buch und Games stammt. Die Verknüpfung fand ich äußerst gelungen. Das und die Einblicke in die Zunft der Hexer mitsamt Cast-Erweiterungen um u.a. Kim Bodnia als Vesemir sind klasse. Vor Allem fügen sie sich aber sehr viel nahtloser in den Rest der Welt ein als Monolithen und was da noch alles Thema wird. Die zweite Staffel kann offenbar nicht alle Stärken der Welt der Hexer ausspielen und verknüpfen, verliert sich in Beliebigkeit und hat verglichen zur ersten Staffel weitaus weniger zu erzählen, das auf weitaus zuviel Zeit gestreckt wird. Auch bewegen sich die Seriscnhöpfer*innen wohl von den Büchern weg, was mich nicht stören kann, aber vielleicht Fans. Viele der Motive, Ideen und Entwicklungen gefallen, wo andere sich nicht über „schon gesehen“ aus anderen Fantasyepen hinweghebt. Was das betrifft ist The Witcher Season 2 vielleicht eine typische zweite Staffel, die vieles ebnen muss, um zu dem nächsten großen Konflikt aufzubreiten. Dabei haben sie aber übersehen ihre Zuschauer*innen mitzunehmen. Was nicht heißt, dass die Staffel keinen Spaß macht. Ich kann’s nicht erwarten, die nächste zu sehen. Aber ich schaue vielleicht lieber nochmal die erste als die zweite. (7/10)

Sternchen-7

Über das Finale und Spekulationen zu Season 3

enthält Spoiler – aufklappen, zum Anzeigen

Hui, da hat Season 3 ja einiges vor sich. Im Finale von Season 2 war ich etwas unterwältigt wegen des etwas länglichen CGI-Gemetzels der besessenen Ciri inklusive einiger Surprise Monster gegen die Hexer, Geralt, Jaskier und Yennefer. Die letzten Minuten haben aber offenbart, dass es sich bei The White Flame, dem Regenten Nilfgaards, um Ciris Vater handelt. Der ist also offenbar nicht tot. Wenn man Reaktionen Zuschauender einfängt, gäbe es sicherlich einige Gesichtsentgleisungen zu beobachten. ^^ Nach dem Schock stellt sich aber auch gleichzeitig für mich die Frage: wie kann das nicht auffallen? Wie kann das niemand im Laufe der Zeit gemerkt haben? Selbst wenn er weiter unter dem Namen „Duny“ lebte, irgendjemand wusste doch wie er aussieht? Schauen wir mal wie die dritte Staffel das auflöst. Für mich ist das bisher sinnbildlich für viele unschlaue Entscheidungen wie der Stoff in der zweiten Staffel erzählt wird. Es ist cooles World-Building auf sehr wackeligen Füßen. Fest steht aber: damit gibt es einen ordentlichen Konflikt zwischen den Vaterfiguren. Und inzestuöse Tendenzen… ? Spannend auch: was ist mit Pavetta passiert?

Ganz klar liegen also auch meine Sympathien bei der Wahl-Familie, die ab der dritten Staffel hoffentlich mit stärkeren Drehbüchern belohnt wird. Bei all dem Gerede um Familie stellt sich auch die Frage, wo Jaskier in all dem steht. Ich gestehe er ist mein Lieblingscharakter, was mich die Andeutungen um seinen „Gönner“ und die Offenbarungen, um wen es sich dabei handelt, etwas schockt. Geralt hat seine Familie ganz fein um sich gesammelt und es sei ihm gegönnt. Gehört Jaskier aber dazu? Der leidet wie die zweite Staffel zeigt offenbar an gebrochenem Herzen, auch wenn er das einigermaßen zu überwinden scheint. Was aber, wenn er damit konfrontiert wird nicht zum „inneren Kreis“ zu gehören und sein Gönner beispielsweise einfordert, dass er Geralt (und Ciri) verrät? Ich hoffe sie gehen den Weg nicht und legen Fokus auf das Auflösen des Konfliktes, die Darlegung der Beziehung zwischen Geralt und Jaskier und vor Allem, dass sie sich dabei etwas mehr Mühe geben. Außerdem würde ich mir sehr wünschen, dass sie aus dem Queerbaiting das Baiting entfernen. Leider erwarte ich, dass sie sich das nicht trauen. Eure Wünsche für die dritte Staffel?

 

Abschließend kann ich mich nur entschuldigen für den Mischmasch zwischen englischen und eventuell falsch übersetzten deutschen Begriffen aus der Witcher-Welt. Ich habe die Serie im englischen O-Ton geschaut, aber manches klingt eben falsch. Elves? Witcher? Mmmh. Ich hab da ein wenig meinen eigenen Kopf. Was ich selber leider nicht beantworten kann: macht die Serie einen guten Eindruck verglichen zu den Vorlagen? Und wie hat euch die zweite Staffel gefallen? Was sind eure (möglichst spoilerfrei adressierten oder eindeutig als Spoiler erkennbare und umgehbare) Hoffnungen für die dritte Staffel? Mein Fangirling kann ich nun wahrscheinlich noch weniger verbergen, aber wusstet ihr, dass Joey Batey (Jaskier) im RL eine Band hat? The Amazing Devil macht Alternative Folklore und ist … amazing. Läuft bei mir gerade rauf und runter. Aber wir wussten ja schon in Season 1, dass es eine gute Idee ist nicht irgendjemanden schnell schnell zum Gesang zu coachen, sondern einen Musiker und Schauspieler für die Rolle zu casten, nech?

6 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich fand die zweite Staffel echt gut. Sie haben sehr viel frei hinzugefügt und neu gemacht, was so in den Büchern gar nicht passiert. Und ich muss sagen, dass ich die Neuerungen eigentlich ziemlich gut fand.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Da bin ich ja leider recht hilftlos, da ich weder die Witcher Spiele gespielt, noch die Bücher gelesen habe. Ich muss das alles einfach so schlucken und auch gestehen, dass es manchmal erst ein oder zwei Folgen später Klick macht wie die Zusammenhänge sind. Also da verlieren sie glaube ich schon die einen oder anderen Zuschauenden… . Aber es macht schon Spaß, ich hab spontan sogar rewatched, weil mir die Serie so gut gefällt.
      Absoluter Hass-Satz für Fans von etwas … „manchmal geht’s aber nicht so richtig logisch auf“.

      Ich überlege aber in letzter Zeit immer wieder, ob ich doch mal anfangen soll die Bücher zu lesen …

      1. Avatar von donpozuelo
        donpozuelo

        Die Bücher sind halt nett. Erwarte da auch nicht zu viel. Ich glaube, der ganze Witcher Hype wurde wirklich durch die Spiele so groß.

  2. Ich hatte die zweite Staffel wieder mit meinen Eltern geschaut und wir waren stellenweise auch verwirrt, was nun Sache ist bei den zentralen Mysterien und Fragen. Rückblickend hat es mir aber trotz fehlender Antworten in Bezug auf Ciris Mächte oder dem mysteriösen Wild Hunt gut gefallen. Ich hoffe einfach, dass man diese Fragen noch klärt und lasse mich dann bei der Auflösung überraschen. Logische Lücken habe ich aber auch gesehen, schon allein, als der eine Witcher mit sichtbarer Wunde auftaucht und das niemanden stört, das fand ich auch Lazy Writing und die große Liebesgeschichte von Geralt und Yennefer sehe ich aktuell auch noch nicht, dazu haben die beiden viel zu wenig Screentime. Angeblich ist das ja das große Paar der Bücher und Games, deshalb bezweifel ich, dass wir da je über Queerbaiting rauskommen.

    Unterhalten hat die Serie mich aber trotzdem und ich mochte die politischen Intrigen und den finalen Cliffhanger, den ich nicht habe kommen sehen. Laut Internet kommt der in den Büchern wohl auch, aber erst am Ende.

    Dankeschön für dein liebes Kommentar :). Puh ich weiß gar nicht ob ich das Jahr wirklich als gut einstufen wurde, ich hatte jetzt nicht unbedingt die großen Highlights, aber auch nicht die großen Flops. Irgendwie so ein Mittelding.

    Mit „Star Wars“ konnte ich aber auch nie was anfangen, bei den Serien bin ich auch raus und kein Teil des Hypes :D. Und das muss man ja auch nicht. Ich weiß was du meinst bei „Once Upon a Time in Hollywood“.

    Ich bin ja gespannt auf die neue Serie von Julian Fellowes „The Gilded Age“, durch „Downton Abbey“ hätte ich da echt Lust drauf. Gibt aber noch keinen Starttermin bei Sky und somit auch noch keine Staffelpass.

  3. […] Die Zeit wird es zeigen. Soviel erkenne aber auch ich ohne Kenntnisse der Vorlagen – die zweite Staffel hatte mich deutlich weniger am Haken als die erste. Trotzdem mochte ich beide und hoffe einfach, […]

  4. […] gut finden. Also größtenteils jedenfalls. Die erste Staffel war für mich schon keine 10/10, die zweite Staffel schnitt auch deutlich schlechter bei mir ab. Die dritte ist nun die letzte mit Henry Cavill […]

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