Serien-Besprechung: In 80 Tagen um die Welt

Mit der ersten Berichterstattung über eine Adaption von Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“, war ich bei der Nennung von „europäische Gemeinschaftsproduktion“ und „David Tennant“ schnell am Haken. Dass die Serie dann aber noch vor Ausstrahlung in den anderen beteiligten Staaten in der ZDF Mediathek (und dem Free-TV) landete war kurz vor Weihnachten ein ziemlich cooles Geschenk. Wie gefällt nun aber „In 80 Tagen um die Welt“? Besprechung ist spoilerfrei.

„Coward“ (Narr) steht auf der Postkarte, die der betuchte Londoner Phileas Fogg (David Tennant) an einem Morgen im Jahr 1872 erhält. Er weiß nur zu gut, wer die Karte geschickt hat. Er weiß auch sehr gut, warum der oder die AbsenderIn ihn für einen Narren hält. Kurz darauf tut er, was er immer tut. Er geht in seinen Herrenclub, trifft seine Freunde, liest Zeitung und bestellt eine braune Windsor-Suppe. Als er durch die Tageszeitung blättert und einen Artikel darüber liest, dass aufgrund neuer Erfindungen und Verbesserungen der Fernreise-Strecken die Weltumrundung in 80 Tagen möglich sein müsste, entbrennt darüber eine Diskussion zwischen seinen Freunden Bellamy (Peter Sullivan), Fortescue (Jason Watkins) und ihm. Während Fogg von der Idee fasziniert ist und die Weltumrundung in 80 Tagen für möglich hält, fordert Bellamy ihn heraus und spottet, dass ein Phileas Fogg das eh nicht schaffen würde. Fogg spukt noch die Postkarte im Kopf herum – er wettet dagegen. Und das um ein üppiges Sümmchen.

Die Neuigkeiten machen schnell die Runde. Auf der Suche nach den nächsten großen Schlagzeilen will die Journalistin Abigail Fix (Leonie Benesch), Fortescues Tochter, Fogg als Chronistin begleiten. Sehr zu dessen Missfallen. Ganz direkt stellt er hingegen Jean Passepartout (Ibrahim Koma) als Diener ein, der wiederum v.A. schnell aus London raus will. Während jeder seine eigenen Motive hat die Reise anzutreten und die nicht zwingend mit den anderen teilt, werden Fogg, Fix und Passepartout zu einem Team. Bis dahin geht aber mächtig viel schief. Bellamy wiederum hat vor allen verheimlicht, dass er eigentlich pleite ist und greift zu drastischen Mitteln, damit Fogg nicht gewinnt und er nicht in die Situation kommt eine Wettschuld begleichen zu müssen.


„Around the World in 80 Days 🌍 Trailer 🌏 BBC“, via BBC (Youtube)

Das auffälligste an der deutsch-italienisch-französischen Koproduktion ist wohl, dass sie die Figuren neu denkt. Zwar habe ich die Literaturvorlage nicht gelesen, aber reichlich Adaptionen gesehen, die sich offenbar jeweils andere Freiheiten rausnehmen. Besonders viel Gleiches gibt es jedenfalls abgesehen von der Reise nicht. Phileas Fogg ist zwar auch hier auf Pünktlichkeit bedacht und ein Gentlemen, der ein breites Wissen hat; aber leidet unter großen Selbstzweifeln und Reue. Die Figur des klassischen, weltgewandten, britischen Gentleman ist hier nicht zum Alleswisser, Alles-Regler und zur Heldenfigur hindrapiert. Stattdessen ist Fogg die Art Gentleman, der sich ein Leben lang sehr wohl in seinem Herrenclub gefühlt hat und nie die Welt gesehen hat. Und das kann er nicht mehr hinter maßgeschneiderten Anzügen verstecken als das Bedauern eines nicht „genug gelebten Lebens“ zu groß wird.

Ein schöner Take auf solch klassische Figurenkonstellation, der sich auch mit Leonie Benesch (u.a. bekannt aus Babylon Berlin und Counterpart) fortsetzt. Ihre Miss Fix ist hier das Pseudonym der Journalistin Abigail, während es sich im Buch dabei um einen Mann handelte. Sich als Frau in einer (damaligen) Männerdomäne zu beweisen wird mit dem Moment an ihr Ziel als ihre Artikel unter einem männlichen Namen abgedruckt werden. Heute würde man sie damit als Opfer von Erasure sehen und Abigail ist daran gelegen das zu ändern. Nebenbei wird sie das gute Gewissen der Gruppe und muss einige Kämpfe im Stile von „das können Frauen aber nicht“ und „das ist zu gefährlich“ ausstehen. Dankbarerweise bleibt es nicht dabei und Abigail bekommt auch noch einige persönliche Handlungsfäden, sodass es nicht nur um „bekannte“ Motive feministischer Befreiungsschläge geht. Nicht, dass das schlecht wäre. Aber einer Person eine Geschichte und Intentionen zu geben bedeutet nicht immer nur dieselben Motive aus der Versenkung zu holen, sondern lohnenswerte Botschaften mit echten persönlichen Schicksalen zu verbinden.

Während sie vollfrontal in alle Abenteuer springt, ringt Ibrahim Koma als Jean Passepartout mit der Tendenz Ärger aus dem Weg zu gehen und nicht für „seine Sache“ einzustehen. Wird damit anfangs ein vielleicht nicht ganz so schönes Bild entworfen, zeigt sich bald, dass dafür hier aber sehr viel Raum zur Entwicklung des Charakters ist. Passepartout weiß wie es in der Welt außerhalb von piefigen Herrenclubs läuft und sein Instinkt rettet der Gruppe einige Male die britischen Allerwertesten. Besonders stark finde ich wie gegen Ende der 8 Episoden starken Staffel sein Leben als People of Color Thema wird. Denn nicht in jedem Land ist es vollkommen normal für zwei Weiße mit einem Schwarzen unterwegs zu sein und dabei auf gleicher Augenhöhe zu interagieren. Hier beweist In 80 Tagen um die Welt die dringend nötige Modernisierung des Themas.

Während ihrer Reise verschlägt es die Drei u.a. durch Indien und die USA. Dort wird dankbarerweise aufgezeigt, dass nicht ein Land das Monopol und sagen im Rest der Welt hat und es Banditen in der Wüste vollkommen egal ist, wer sich für einen britischen Gentleman hält. Auch der britische Kolonialismus wird andressiert und die Kolonisten als ein recht in sich selbst verlorenes Völkchen. Ich bin begeistert von dem modernen Take, der auch nie zu karikaturistisch oder belehrend verläuft, sondern den Zuschauenden das Denken mit einigen Hints überlässt. Sie reisen per Zug, Heißluftballon und Schiff. Es wird einige Male brenzlig und spätestens wenn bereits in der ersten Episode Gepäck verloren geht und kurze Zeit später auch der restliche Besitz und sie die ersten wichtigen Verkehrsmittel für die reibungslose Überfahrt verpassen, wird klar, dass den Dreien auf dieser Reise nichts geschenkt wird.

Wenn alles so großartig ist, wo zieht man da Punkte ab? Zum Einen bei dem Score. Da steht zwar „Hans Zimmer und Christian Lundberg“ drauf, aber tatsächlich klingt der als ob etwas zuviel von der Klang-Palette von Sherlock Holmes (der mit Robert Downey Jr. und Jude Law) abgeguckt worden wäre. In meinen Ohren ist es fast derselbe Score. Vom Look her ist In 80 Tagen um die Welt eine Serie von cineastischer Qualität, aber auch filmischer, überbeanspruchter Stilmittel wie Filtern und hektischen Schnitten. Die Serie ist rasant, aber das alleine schon durch die Handlung an sich. Die Schnitte scheinen wenn es schnell gehen muss zu schnell zu sein und wenn die Handlung langsam ist, zu langsam. Damit adressiere ich vor Allem das Problem mit den dramatischen Pausen, von denen einfach zu oft Gebrauch gemacht wird. Jeder hat früher oder später Schlüsselmomente in denen Ängst und Zweifel sie zurückhalten den „richtigen“ oder einfach „nächsten“ Schritt zu gehen. Spätestens in der 8. Episode will man die unnötige Haderei dann nicht mehr sehen. Statt also unseren Puls zu beschleunigen und uns Bangen zu lassen, sitzen wir eher seufzend vor der Mattscheibe und sagen „ach komm schon!“ Schließlich haben sie soviel dazugelernt. Vor Allem wie die Drei im Laufe der Zeit zusammenwachsen wärmt mir das Herz. Tolle Serie für deren sympathische Charaktere und gelungene, diversere und kritischere Betrachtung ich allemal alle Filter dieser Welt akzeptiere. Sogar Flares. Okay, vielleicht nicht Flares. (9/10)

Sternchen-9

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Inzwischen wurde die Serie dankbarerweise um eine zweite Staffel verlängert, wie Deadline berichtete. (29.11.21) Ein wenig überrascht bin ich allerdings über das Thema. Das widmet sich wie man dem Link entnehmen kann eines anderen Jules Verne Romans als am Ende dieser Staffel angedeutet wurde. Schade, gerade auf den hätte ich mich gefreut. Habt ihr „In 80 Tagen um die Welt“ gesehen? Wie hat euch die Serie gefallen? Derzeit kann man leider kaum noch nach der Serie suchen ohne dabei über einen gleichnamigen, kürzlich releasten Animationsfilm zu stolpern. Das ist per se nicht schlimm, aber irgendwie auch unglücklich.

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