Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Tod auf dem Nil“ (2022)

War ich spät dran? Ja, bin ich. Tatsächlich hat sich meine Begeisterung für „Tod auf dem Nil“ zuvor eher abgekühlt und ich hätte auch den Disc- oder Stream-Release abwarten können. Aber da waren wir und wollten ins Kino und ich konnte mich nicht durchsetzen ein drittes Mal The Batman gucken zu wollen. ^^ Und der beste Kompromiss zu dem wir fanden war … „Tod auf dem Nil“. So kann’s halt auch mal gehen. Würde es ein Nachteil sein, dass ich die Verfilmung aus dem Jahr 1978 mit Peter Ustinov mindestens zwei Mal gesehen habe und daher die Auflösung kannte? Die Besprechung ist spoilerfrei.

Während ihrer Hochzeitsreise in Ägypten machen die gut situierte Linnet Ridgeway-Doyle (Gal Gadot) und ihr frisch angetrauter Simon Doyle (Armie Hammer) die Bekanntschaft Hercule Poirots (Kenneth Branagh). Das Paar kennt den Ruf Poirots als begnadeten Privatdetektiv und bittet ihn direkt sich ihres Falls anzunehmen. Linnets ehemals beste Freundin Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) ist auch Simons Ex. Jaqueline hat das jetzige Paar erst miteinander bekannt gemacht, fühlt sich verraten und sinnt auf Rache. Sie scheint die frisch Vermählten zu verfolgen – selbst bis nach Ägypten. Inzwischen fühlen sie sich durch Jaqueline bedroht und hoffen auf Poirots Sachverstand, den sie kurzerhand mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft auf ein Dampfschiff einladen. Jaqueline kommt ihnen allerdings nach – und eines morgens wird tatsächlich eine Leiche gefunden.

Natürlich ermittelt Poirot und natürlich wird er in bester Manier aller Poirot-Bücher und -Filme ein mögliches Motiv bei jeder Figur finden. Erfrischend ist wie Michael Greens Drehbuch die Figur Poirot wie schon in Mord im Orient-Express auch hier wieder überspitzt und selbstironisch darstellt. Er wüsste, dass das ein „Problem“ ist, dass er jeden verdächtigt. 😉 Solche Momente machen in jedem der Poirot-Verfilmungen Spaß. In den Nebenrollen erleben wir u.a. Rose Leslie als Linnets Dienstmädchen oder auch Letitia Wright als Rosalie Otterbourne, eine Geschäftsfrau (anders als im Roman übrigens). Neben den leichten Veränderungen an den Figuren (zu dankbarerweise diverseren und spannenderen Charakteren) und ihren Hintergrundgeschichten gesellt sich aber v.A. auch das Bemühen Poirots Hintergrundgeschichte auszustaffieren.


„TOD AUF DEM NIL Trailer 2 German Deutsch (2022)“, via KinoCheck (Youtube)

In den Büchern ist Poirot ein aufgrund des Krieges nach Großbritannien ausgewanderter Belgier und zur Ruhe gesetzter Polizist, der eine zweite Laufbahn als Privatdetektiv eingeschlagen hat. Die jüngste Verfilmung dichtet Poirot einen anderen Lebensweg auf. Innerhalb eines Rückblicks zu Beginn des Films zeigt er Poirot als Soldaten, der versucht seiner Kompanie mit Cleverness und Beobachtungsgabe einen Vorteil zu schaffen. Selbst für seinen Bart gibt es Erklärungen. Explaining much!? Kann man so sagen. Dadurch wird zuweilen genau das Gegenteil dessen erreicht, was wohl ursprünglich bezweckt war.

Im Rest des Films gerät Poirot dann wieder in das Hintertreffen und seine Beobachtungsgabe sorgt für deutlich weniger Aha-Momente bei Zuschauenden. Manchmal hat man eher den Eindruck, dass er rät. Zusätzlich bekommt seine Vergangenheit einige tragische Tränenzieher, die erklären, warum er den Fall der Doyles und der anderen an Bord so persönlich nimmt. Aber das hätte im Grunde eben auch gereicht statt einen Rahmen zu liefern, der verglichen zu dem Rest der Handlung so wenig anknüpft und daher konstruiert und künstlich wirkt. Die Spitze ist dann wie Poirot auch noch zufällig das Drama von Anfang mitbekommt, weil er zu Beginn des Films Zeuge wird wie Jaqueline einst ihrer Freundin Linnet Simon vorstellte und natürlich da schon all das Drama kommen sah.

Konstruiert und künstlich ist leider auch der Rest des Films. Der umwerfend schöne Cast, die traumhaften (in UK nachgebauten) Kulissen und die Kostüme, sowie der Anflug von Dekadenz werden so durchinszeniert, dass sich Tod auf dem Nil am ehesten noch wegen der Schauwerte und Atmosphäre genießen lässt. Denn die stehen klar im Mittelpunkt. Die Story nicht. Die Romantisierung der Gefahr und Vorstellung von Leidenschaft sind teilweise lächerlich wie die total übertriebenen Tanzeinlagen der Paare Simon/Jaqueline und Simon/Linnet zu Beginn des Films. Obwohl Liebe und Leidenschaft offensichtlich eine große Rolle spielen soll, wird kein einziges Paar auf der Leinwand dargestellt, das wirklich die Luft zum Knistern bringt. Das mag subjektiv sein. Als zweites großes Motiv versucht der Film halbherzig Reichtum als Bürde darzustellen. Man könne sich nie sicher fühlen. Das geht gehörig daneben, weil der Reichtum so überbordend ästhetisch und nahezu ohne Nachteile dargestellt wird. Die Spitze dessen sind wohl die ganzen Kleopatra-Metaphern auf Linnet. Ein optisch schöner Film, nur inhaltlich erschreckend dünn.

Tod auf dem Nil (OT: Death on the Nile), USA, 2022, Kenneth Branagh, 128 min, (5/10)

Sternchen-5

Was ich nicht in meine Besprechung habe einfließen lassen ist wie gehypt ich anfangs auf den Film war als das Casting Armie Hammers und Gal Gadots angekündigt wurde. Und wie abgeturnt als ich dann später von Missbrauchsvorwürfe gegen Hammer erfahren habe. Das war allerdings recht lange bevor er dann tatsächlich in die Kinos kam. Außerdem heißt es ja man solle Kunst und Künstler trennen. Dieses Mal gelang mir das, aber ich gestehe: nicht immer. Ich vermute aber, dass die Schlagzeilen dem Film so oder so geschadet haben. Denn mein Empfinden war, dass er insbesondere seit Hammers Schlagzeilen signifikant weniger beworben wurde und insgesamt weniger Beachtung fand als der erste Teil, der schon eher etwas gehyped wurde. Der war aber auch inhaltlich und inszenatorisch meiner Meinung nach stärker. So oder so wird ein dritter Teil mit „a pretty daring shift in genre and in tone“ (Quelle) geplant. Hoffentlich zum Besseren. Wie hat euch der Film gefallen? Oder boykottiert ihr wegen Hammer? Oder ist euch der Film schlicht egal? Davon abgesehen … ich vestehe nicht, warum man „The Batman“ nicht noch ein drittes Mal sehen will. Und: Es ist nicht unbedingt ein Nachteil, aber auch kein Vorteil das Ende zu sehen. Man hat zwar weniger Überraschungen, aber man kann früh Spuren suchen, weil man weiß, wonach man schauen muss. 🙂

7 Antworten

  1. Ich kenne bisher nur den Vorgänger, der ich nur so semi-gut fand, werde mir diesen aber sicher auch irgendwann anschauen, weil eben ne Christie-Verfilmung.
    Aber richtig überzeugend finde ich Branagh als Poirot nicht – David Suchet forever 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Dem David Suchet Poirot wollte ich mich auch mal widmen!! 😀 Ich lese raus, der ist deiner Meinung nach der Beste!? Was hat er besonders drauf?

      1. Also Ustinov ist schon auch ganz großes Kino, aber dadurch, dass Suchet in so vielen Serienfolgen Poirot spielt, hat er sich bei mir einfach als DER Poirot festgesetzt.
        Für mich kommt er dem Buch-Poirot sehr nah, er geht richtig in der Rolle auf und ich wußte am Anfang nicht, dass er gar kein Franz….äh, Belgier ist, sondern Brite. Er spielt gerade das blasierte Gehabe der Figur so zauberhaft. Ich mag ihn, wie man vermutlich merkt, wirklich sehr.
        Und das, obwohl ich eigentlich die Figur Poirot gar nicht so gern mag und Miss Marple viel lieber beim Ermitteln zuschaue.

  2. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich muss gestehen, dass mit Hammer habe ich erst im Nachhinein mitbekommen. Hatte da eher das Gefühl, dass wird ziemlich verschwiegen… oder ich habe es einfach verpennt.

    Beim Film selbst hatte ich auch immer wieder überlegt, aber dann kamen die ersten nicht so tollen Kritiken rein und irgendwie legte sich dann mein Interesse. Da hätte ich doch eher Lust, mir mal die alten Filme anzugucken.

    Hab so ein bisschen das Gefühl, man haut einfach ein riesiges Aufgebot an Stars und hofft, dass das ausreicht, um die Menschen ins Kino zu locken

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Und da ist sicherlich was dran. Das Staraufgebot war ja schon bei „Mord im Orient Express“ überraschend dicht. Aber geholfen hat es in dem Fall eben auch nichts. Kla, es drängst sich auf, dass sie ein besonders glamouröses Bild der Krimi-Klassiker zeichnen wollen. Aber ist halt auch leider ziemlich viel heiße Luft.

      Was Hammer betrifft, könnte ich mir sogar vorstellen, dass sie Szenen mit ihm geschnitten haben. Mein Eindruck war, dass er auffällig wenig zu sehen ist, dafür dass er eigentlich eine der Hauptrollen hat.

      Mir wurde der Skandal schon relativ viel in die Timeline gespült. Ist wohl eine Frage dessen, was und wen man abonniert hat?Der Film wurde wohl auch u.a. deswegen etwas aufgeschoben. Allzu viel Einfluss hatte es ja nicht auf meine Wahrnehmung des Films, aber die von Armie Hammer (losgelöst von Filmen). Ich hab ihn schon etwas ge-fangirlt, aber das hat sich deutlich abgekühlt. Sag mir doch eine*r, dass euch das auch so geht, wenn Personen des öffentlichen Lebens so auftreten?

      Die alten Filme finde ich auch sehenswerter. Die sind nicht so … selbstverliebt!? Nicht so bemüht darum Hercule Poirot zu inszenieren? „Das Böse unter der Sonne“ und „Tod auf dem Nil“ mochte ich unter denen mit Peter Ustinov am meisten.

  3. […] The Batman schauen. Pattinsons Emo-Batman und das Noir-Feeling gehen doch echt gut zusammen. Tod auf dem Nil habe ich auch geschaut, aber ihr könnt ja nachlesen wie wenig beeindruckt ich war. Ansonsten habe […]

  4. ich wusste bis dato nicht einmal, wer Armie Hammer ist.

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