#Japanuary 2023 – Besprechungen zu „Somebody’s Flowers“, „Killing“ & Fazit

Bevor mich der Post-Japanuary-Blues trifft 😉 , muss ich noch feiern, dass ich meine Liste geschafft habe. Vorgestern lief der letzte bei mir über die Mattscheibe. Aber hey … nach dem Japanuary ist vor dem Japanuary, oder? Und wenn der Blues allzu hart trifft, lockt immer noch das japanische Online-Filmfestival JFF+ bis Juni mit kostenfreien Streamingangeboten und natürlich ist im Sommer wieder Nippon Connection! Aber Moment, zwei Besprechungen habe ich noch offen.

Somebody’s Flowers

Es ist eh schon schwierig für Takaaki (Shinsuke Kato) mit der Demenz seines Vaters (Choei Takahashi) umzugehen, da geschieht ein schrecklicher Unfall und damit einhergehend ein grausiger Verdacht. Ein neu zugezogener Familienvater wird im Vorbeigehen am Wohnhaus von einem herabfallenden Blumentopf erschlagen und stirbt. Er hinterlässt seine Frau (Misa Wada) und einen Sohn (Ruse Ôta). Der Fall scheint klar – der Blumentopf stand auf dem Balkon des etwas unsozialen, stets barschen Nachbarn. Er hat vergessen ihn vor dem angekündigten Sturm hereinzuholen. Für Takaaki ist die Schuldfrage aber nicht so klar. Seine Eltern wohnen neben besagtem Nachbarn und es wäre ein leichtes auf den Balkon nebenan zu greifen. Hat sein Vater eventuell den Blumentopf aus Versehen heruntergeworfen? Fragen kann er ihn nicht. Er erinnert sich ja kaum, wer Takaaki ist, geschweigedenn was er am Tag davor gemacht hat. Was würde seinem Vater passieren, wenn der Verdacht bekannt wird?

Selbstredend, dass das Leben des Nachbarn, den alle für den Unfallverursacher halten, nicht gerade leichter wird. Ein Verdacht ohne Antworten und Anschuldigungen mit großen Folgen, die auch einen alten Mann treffen könnten, der sich seiner Taten nicht mal bewusst ist. Und was bedeutet das für die Schuldfrage? Yôsuke Okudas Film spielt mit den Rollen aller Beteiligten in diesem tragischen Konstrukt. Der ahnungslose Vater, der Sohn, die Pflegekraft des Vaters, Takaakis Mutter, die Witwe, der Sohn, alle haben eigen Standpunkte, alles hat Ursachen und Wirkung. Das alles im Zusammenspiel zu betrachten ist emotional und dramatisch. An und für sich könnte das auch der Film sein, nur nimmt er sich eben sehr viel Zeit an all diesen Punkten anzukommen. Einige, wenige tragikomische Szenen („Hast du schon mal getanzt?“) heben zwischendrin die Stimmung. Obwohl ich die Prämmise des Films („aus etwas Gutem entsteht etwas tragisches“) etwas schwierig finde, kommuniziert es empathisch die verschiedenen Lebensrealitäten, die Überalterung Japans und dass längst nicht jeder Geld für ein Pflegeheim hat. Wäre all das nun auch etwas geraffter und mit mehr Spannungspotential erzählt, würde es dem Film auch das Gewicht geben, dass das Thema verdient hat.

Somebody’s Flowers (OT: 誰かの花 „Dareka No Hana“), Japan, 2021, Yôsuke Okuda, 115 min, (6/10)

Sternchen-6


Killing Original Trailer (Shinya Tsukamoto, 2018), Arrow Video, Youtube

Killing

Killing is hell. Also nicht der Film, sondern der Tötungsakt. Das Dilemma bildet der Film anhand des jungen Samurai Mokunoshin Tsuzuki (Sosuke Ikematsu) ab, der bisher herrenlos ist und auf der Reise. Er kommt aktuell bei einer Landwirtsfamilie unter, deren Sohn Ichisuke (Ryūsei Maeda) ein ziemlicher Samurai-Fanboy ist und sich häufig als Mokunoshins Sparringspartner versucht. Seine Schwester Yu (Yū Aoi) und Mokunoshin wiederum sind einigermaßen voneinander angezogen. Eines Tages begegnet Mokunoshin aber dem Samurai Jirozaemon Sawamura (Regisseur Shinya Tsukamoto selber), der mit ihm zusammen in die Schlacht ziehen will. Als ob Mokunoshin der Abschied nicht eh schon schwer fallen würde, kommt zeitgleich aber auch eine Gruppe bewaffneter Männer ins Dorf, vor dem sich die Anwohner fürchten. Sie hoffen eigentlich, dass die Samurai noch bleiben bis die anderen abgezogen sind. Ein Missgeschick passiert, die Spirale der Gewalt wird losgetreten und Mokunoshin bemerkt, dass er eigentlich nicht töten will oder kann. Denn bisher musste er das auch noch nicht.

Ach, der Film fängt so schön an und eskaliert so schnell und stetig, bis er sich den Titel „Mental Samurai Breakdown“ verdient. Aber es ist ja nicht umsonst ein Shinya Tsukamoto Film, der sich die menschlichen Gefühle schnappt und die Charaktere zum Äußersten treibt. Der Film tut das aber auch mit seinen Zuschauenden. Wenn die Katastrophen, die den Charakteren passieren immer mehr kumulieren und alle zum dritten Mal einen Schreikrampf bekommen, ist der Film dann auch schon (fast) expressionistisch bis surreal und gibt damit der reinen Brutalität des Tötens ein entsprechend verzerrtes Gesicht. Darin findet sich nicht nur der Titel wieder, sondern auch die Botschaft. Töten ist scheiße. Tsukamotos „Mental Samurai Breakdown“ macht eigentlich alles richtig, auch wenn es gegen Ende repetitiv wirkt und die Person des Jirozaemon Sawamura eher eindimensional skizziert ist. Sicherlich nicht in der Darstellung. Alle Schauspieler:innen fahren eine enorme Leistung und Tsukamoto hat alle Phasen der Katastrophe in wunderbare Bilder gegossen, die fühlen lassen.

Killing (OT: 斬 „Zan“), Japan, 2018, Shinya Tsukamoto, 80 min, (8/10)

Sternchen-8

Fazit

Mein taktischer Fehler Nummer 1: alle Filme, auf die ich am meisten Lust habe gleich in der ersten Woche gucken. ^^ Danke für den Enthusiasmus, aber gegen Ende schwand dann etwas meine Motivation. Immerhin habe ich mir den Tsukamoto für den Endspurt aufgehoben. Mir haben also am besten in dieser Runde die Anime gefallen: Memories, und dort besonders das Segment Magnetic Rose, aber auch Angels Egg. Nicht ganz so gut wie sein Vorgänger hat mir The Fable II gefallen, wobei die Actionszenen gold waren. Killing hat mir auch sehr gut gefallen, am Ende aber etwas an meinen Nerven und meiner Geduld gezehrt. Die Filme des JFF+ Festivals Online waren mir dieses Jahr einen Tick zu ruhig und gediegen und im Programm nur zwei, die mich interessiert haben – zumindest im Programm bis Anfangs März. Danach gibt es einige, die ich spannend finde. So haben weder Double Layered Town / …, noch Somebody’s Flowers wahnsinnig bei mir gezündet. Qualitäten haben sie natürlich alle und finden sicherlich andere Fans. Dass das Festival anders als in anderen Jahren auf den Japanuary fällt, ist natürlich klasse. Ein Highlight war dann noch Cure für mich – faszinierender Thriller. So konnte ich immerhin was von ein paar Lieblingsregisseuren schauen (Kurosawa, Oshii), Klassiker nachholen (Ozus Die Reise nach Tokyo) und japanisches Indie-Kino, so wie auch mal ein paar Anime nachholen, die ich schon ewig sehen will und was zum Lachen war auch dabei. Runde Sache.

Auch dieses Jahr habe ich gefühlt zu wenig den Austausch mit anderen #Japanuary-Teilnehmenden in den sozialen Netzen gesucht. Der Wille war da, nur irgendwie die Zeit nicht. Immerhin sind einige spannende Gespräche entstanden und vieles haben Blogs, Podcasts und Videos für uns über den Januar hinaus konserviert. Eine Riesenleistung ist, dass wir auf SchöNERDdenken wieder eine Liste der besprochen Filme finden. Wunderbar – vielen Dank! Schaut unbedingt rein, wenn ihr nicht wisst, welchen japanischen Film ihr als nächstes sehen wollt. 🙂

Zu den bisherigen Artikeln

Ankündigung
Besprechungen zu „Memories“, „The Fable 2“, „Angel’s Egg“
Besprechungen zu „Cure“, „Double Layered Town …“ & „Die Reise nach Tokyo“

Header Image Photo Credits: Andre Benz

Habt ihr am Japanuary teilgenommen? Was waren eure Höhepunkte oder auch Lowlights? Welchen Film wolltet ihr schon ewig sehen oder welchen habt ihr durch die Aktion kennengelernt? Und … was kommt eigentlich im Februar?

2 Antworten

  1. […] gibt so einige Filmchallenges, an denen ich regelmäßig teilnehme wie den Japanuary oder den Horrorctober. Andere wiederum habe ich lange und gern mitgemacht, aber sie aus diversen […]

  2. […] und Jane-Austen-Verfilmungen. Außerdem habe ich an den üblichen Filmchallenges teilgenommen. Dem Japanuary 2023, dieses Jahr das erste Mal am Seoultember und erneut am Horrorctober. Darüber hinaus gab es keine […]

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