Eigentlich gibt es die Serie „Evil“ schon seit 2019 – sie lief nur vollkommen unter meinem Radar. Herba habe ich es zu verdanken, dass ich überhaupt darauf aufmerksam wurde. Eigentlich habe ich aber auch vor Kurzem erst gesagt „Ich will nie wieder Crime Procedurals sehen in denen jemand fachfremdes der Polizei hilft Fälle zu lösen“. Zwar meinte ich damit eher sowas wie „Mentalist“, aber „Evil“ fühlt sich stellenweise schon etwas danach ein. Und hier bin und hatte unheimlich viel Spaß mit der Serie um einen angehenden Priester, einen Techniker und einer forensischen Psychologin, die gemeinsam Fälle lösen. Die Besprechung ist spoilerfrei.
Die erste Staffel beginnt damit wie Dr. Kristen Bouchard (Katja Herbers) ihren Job verliert und einen neuen angeboten bekommt. Durch ihre Arbeit als forensische Psychologin am Fall des wegen Mordes angeklagten Orson LeRoux (Darren Pettie) kreuzen sich ihre Wege und die von David Acosta (Mike Colter). David befindet sich in der Ausbildung zum Priester und arbeitet für die katholische Kirche als Assessor. Er untersucht Meldungen über Wunder oder Hilfegesuche wegen Besessenheit und ähnlichen Phänomenen. Kann er die Geschehnisse nicht auf natürliche Ursachen zurückführen, springt die Kirche ein. Auch der angeklagte LeRoux gilt als ein solcher spekulativer Fall von Besessenheit. Acosta engagiert Kristen, um solche Fälle zusammen mit seinem Mitarbeiter Ben (Aasif Mandvi) zu bewerten. Ben berät ihn in technischen, physikalischen und chemischen Sachverhalten, Kristen soll dies in psychologischer Hinsicht tun. Sie ist skeptisch. Übrigens auch eine ihrer wichtigsten Eigenschaften für den Job. Da sie aber vier kleine Töchter zu versorgen hat, einen abwesenden Ehemann und ein Haus abzubezahlen hat, sagt sie zu. Und macht damit ihre kleine Familie zur Zielscheibe.
Evil Season 1 Trailer | Rotten Tomatoes TV, Rotten Tomatoes TV, Youtube
Was die Serie Evil so anziehend macht ist die konstante Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Glaube. David erklärt im Trailer wie auch in der ersten Episode, dass er Besessenheit nicht von psychischen Störungen unterscheiden kann und daher Kristens Expertise braucht. Die Fälle machen das glaubhaft. Man kann sich quasi (fast) alle in der Serie über irgendwelche anderen Faktoren und Motivationen erklären. Liegt hier eine psychische Erkrankung vor oder wurde jemand vergiftet? Ist es klassischer Betrug oder ein Vertuschungsversuch? Will hier jemand eine andere Person in den Wahnsinn treiben? Davids Team wie auch wir als Zuschauende kommen dabei immer wieder in Situationen, die nicht eindeutig beantwortbar sind. Beste Beispiele sind die Erscheinungen, die Kristen während ihrer Schlafparalyse hat. Ist der Dämon „George“ (Marti Matulis) nur ein Nachtschreck oder ist er wirklich da? Ich liebe Serien, die zum diskutieren nach gerade gesehener Episode einladen. Vor allem aber liebe ich wie die Serie gesunde Skepsis in ihr Zentrum stellt, aber auch klar macht: die Welt ist nicht so einfach in Schubladen einsortierbar.
Wer eingestaubte und eintönige Fälle erwartet, wird überrascht mit sogar sehr modernen Inhalten. Es gibt eine eventuell besessene Alexa (zwar kein Product Placement, aber es sieht schon wie eine aus), VR Brillen aus der Hölle, (vermeintlich) böse Kinder genauso wie den klassischen Exorzismus. Natürlich immer mit einem Fragezeichen, ob das was wir hier sehen wirklich ist, wonach es aussieht. Etwas schade finde ich, dass man gegen Ende der Staffel schon den Eindruck bekommt, dass hier ein Überhang zu Glaube, statt zu Wissenschaft herrscht. Etwas formelhaft wird auch stets und ständig Kristens Familie durch neue Bedrohungen beeinflusst. Es erfüllt einen sehr offensichtlichen Zweck, dass man beim Anblick der vier quirligen Mädchen Angst um ihr Leben hat. Nur quetscht die Serie das zu sehr aus.
Worin Evil wiederum die genau richtige Dosierung findet ist der Zeitgeist. Irgendwann wird Kristen über einen Horrorfilm sagen, dass „das Fernsehen Mütter hasst“ und sie meistens töten würde. Da hat sie leider nicht unrecht, wenn man an das beliebte Motiv der abwesenden Mutter und der Kindheitstraumata denkt. Dass Evil sie und gleich vier Töchter zentriert ist ein schöner Gegenwind für ein Business, dass Mysogynie lange als als Mittel zum Zweck akzeptiert hat. Es thematisiert sogar sehr präsent und öffentlich INCELs und Frauenhass in einer Episode, die bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat. Evil tut sowieso einige Dinge angenehm anders als unser „übliches Crime Procedural“.
Beispielsweise leugnet die Serie nicht die Anziehung zwischen David und Kristen. Klar, will they won’t they ist nicht neu. Aber es wird oft ein Tänzchen drum herum aufgeführt. Auch in Anbetracht von Themen wie Sünde und Sühne wie auch ihren unterschiedlichen Standpunkten bekommt das Motiv extra Unterfütterung. Apropos Darsteller:innen: neben oben genanntem Darren Pettie als Orson LeRoux, tritt auch sehr früh der aus Lost und Person of Interest bekannte Michael Emerson als Dr. Leland Townsend auf, der große Gegenspieler der Staffel. Seine Wortgefechte mit Kristen haben es in sich. Überhaupt verkörpert er als „big bad“ genauso wie einige Nebencharaktere sehr gut warum die Serie Evil heißt. Sie können unfassbar böse sein. (8/10)
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Stand heute kann man die erste Staffel im Segment von Prime streamen. Mit dem Wechsel der Serie von CBS zu Paramount ändert sich das eventuell (spekulativ). Nicht spekulativ: ab der zweiten Staffel kann man „Evil“ dann als Teil von Paramount+ streamen. Ich bin offen gestanden wenig happy über noch mehr Channels oder Streaming Plattformen. Aber weiterschauen würde ich schon gern. Tja … . Kennt ihr die Serie? Wie hat sie euch gefallen? Wem übrigens der Ton der Serie bekannt vorkommt – das kommt nicht von ungefähr. „Evil“ stammt von denselben Serienschaffenden wie „The Good Wife“, das auch in ähnlicher Form weibliche Blickwinkel und brisanten Gegenwartsbezug einsetzt.
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