Serien-Besprechung: „Evil“ Season 2

„Evil“ Season 1 war meine große Serienüberraschung des Frühjahrs. Wissenschaft und Glaube treten in dem Crime Procedural gegeneinander an, vertreten durch drei Mitglieder einer Gruppe, die für die katholische Kirche „Phänomene“ überprüft. Ist es wahr – wird ein Exorzismus benötigt? Oder sind hier ganz irdische Dinge am Werk? Staffel 2 aber hat mich erstmal kalt erwischt. Die Besprechung enthält keine Spoiler für die zweite, aber für die erste Staffel. Kennst du die schon?

Nach dem krassen Ende der ersten Staffel tritt Dr. Kristen Bouchard (Katja Herbers) mit einer drastischen Veränderung ihrer Persönlichkeit auf. Sie ist äußerst risikobereit und noch direkter als zuvor. Mit einer seltsamen Mischung aus Entfremdung und Ratlosigkeit versucht man als Zuschauende ihr Verhalten entweder darauf zurückzuführen, dass sich so ihre Schuldgefühle wegen des Mordes an Orson LeRoux (Darren Pettie) äußern oder das es das Hochgefühl des „Davonkommens“ ist. Glaubt Kristen am Ende besessen zu sein und gibt ihre Skepsis auf? Kann und will sie ihre Tat vor all ihren Mitmenschen verstecken? Was auch immer ihre Gedankengänge sind, ihre Tat kann sie besonders schwierig vor ihren Kollegen verbergen, dem angehenden Priester David Acosta (Mike Colter) und dem Tech-Genie Ben (Aasif Mandvi). Die bemerken natürlich, dass Kristen regelrecht entfesselt ist.

Evil Season 2 Promo „This Season on Evil Promo“, SpoilerTV, Youtube

Währenddessen bereitet sich David auf seine Priesterweihe vor, wobei die Nähe zu Kristen ihn vor Herausforderungen stellt. Ben wiederum wird auch Opfer eines Nachtschrecks und sein rationaler Kopf wird vor eine harte Prüfung gestellt. Spätestens wenn aber Dr. Leland Townsend (Michael Emerson) die Hilfe der katholischen Kirche sucht und David ihm als religiöser Beistand abgestellt wird, deutet sich ein größerer Plan an.

Natürlich legt die erste Staffel einige Spuren. Narrative Brotkrumen, um der Staffel ein paar Ziele mitzugeben und uns als Zuschauende nicht ganz so hängen zu lassen. Denn herausfordernd ist Staffel 2. Wir wissen immerhin, dass „etwas“ unbedingt verhindern will, dass David zum Priester geweiht wird. Ein Mittel ist Kristen als Versuchung auf dem Spielbrett zu platzieren – aber brauchte es dafür auch einen Mord? Dient all das der moralischen Kompromittierung Kristens, die auf David überschwappen soll? Oder erschien das Motiv Mord notwendig und machbar gerade durch die Nähe Kristens zu Mordfällen und Mörder:innen? Dachte sie sich „was die können, kann ich auch“ und war sich sicher davonzukommen?

Die Staffel wird darauf einige Antworten geben, aber bis dahin muss man damit auskommen, dass Kristen einigermaßen out of character bleibt. Damit meine ich nicht per se, dass sie außer Kontrolle ist, sondern dass sie stellenweise ihre eigene Besessenheit als reale Möglichkeit wahrnimmt, wo sie doch sonst eher zum Team „Wissenschaft“ gehörte. Sind es die Schuldgefühle? Oder ist es der Stress, den eine solche Tat mit sich bringt? Resultiert die ständige Auseinandersetzung mit abstrakten Themen wie gut, böse, Himmel, Hölle, Glaube in ihrem irrationalen Verhalten? Warum ihre Gedankengänge nicht mehr nachvollziehbar sind, habe ich bisher nicht für mich beantworten können. Dass das Thema innerhalb der Staffel tatsächlich zu einem (vorläufigen) Abschluss gebracht hat, überrascht. Ähnlich verhält es sich mit den großen Plänen, die aber in Staffel 2 erst so richtig entwickelt werden. Namentlich dem plötzlichen, dämonischen und bösartigen Verhalten von Kristens Mutter Sheryl (Christine Lahti) und der Entwicklung von Kristens Tochter Lexis (Maddy Crocco).

Wir wussten, dass Leland dabei eine Rolle spielt. Der Verlauf der Staffel zeigt aber sehr deutlich, dass das längst nicht alles ist. So lassen sich alle Irritationen um die Staffel zusammenfassen mit: was zur Hölle ist mit denen los? Und das liebe Freunde der Serienkunst macht die Staffel so unfassbar interessant. Aber ist die Irritation zu groß, dann kann sie auch vor den Kopf stoßen. Ich kenne tatsächlich schon mehrere Personen in meinem Umfeld, die während der zweiten Staffel abgesprungen sind, weil das alles zu bizarr und zu anders verglichen zur ersten wirkte. Kann ich ihnen nicht verübeln.

Dabei hat auch die zweite Staffel eine gut abgeschmeckte Mischung aus case of the week und oben besprochenen episodenübergreifenden Handlungsfäden. Der Konflikt aus Wissenschaft vs. Glaube wird gut auf die Probe gestellt in Episoden wie „A Is for Angel“, in der Menschen zu Salzsäulen erstarren. Eine meiner Lieblingsepisoden ist „E Is for Elevator“, das sich urban legends und Schauergeschichten widmet und einige wirklich gruselige Szenen hat. Sehr gegenwärtige Themen wie Racial Profiling adressiert die zweite Staffel in „C Is for Cop“. Stark empfand ich auch „S Is for Silence“, in der unser Team in einem Kloster ermitteln muss, in dem ein Schweigegelübde gilt. Das führt zu so ziemlich allem: schaurigen Situationen, Glaubenskonflikten und einigen wirklich witzigen aber auch irritierenden Momenten. Trotzdem entscheidet man sich in Staffel 2 schon gefühlt mehr für Glaube als für Wissenschaft, denn viele Aspekte um Leland, Kristen und Sheryl sind mit Wissenschaft allein schon nicht mehr zu erklären. Oder?

Ein toller neuer Charakter der Serie ist übrigens Andrea Martin als Sister Andrea, die nicht nur mit Bibelfestigkeit und Weisheit beeindruckt, sondern auch mal zu ganz irdischen Mitteln greift, um ihren Standpunkt klarzumachen. Wie man aber in der Zusammenfassung liest, gibt Evil Season 2 Zuschauenden eine Menge zum Nachdenken mit auf den Weg. Vielleicht zu viel.

Sternchen-7

Header Images uses a photo by Marek Studzinski on Unsplash

Tatsächlich habe ich die Serie nicht weitergeschaut, war ich uneins mit mir selbst war, ob ich den kleinen Shift in der Serie gelungen finde. Nun steht aber Halloween vor der Tür und ich habe mich daran erinnert wie großartig die dritte Staffel jetzt passen würde. So ganz bin ich noch zu keinem Schluss gekommen. Der weitere Verlauf der Serie könnte entweder großartig oder eine ziemliche Gurke werden, von Staffel 2 aus betrachtet. Wie seht ihr das? Habt ihr Staffel 2 gesehen? Was ich aber überhaupt erst in der zweiten Staffel bemerkt habe, sind diverse Easter Eggs und Hinweise in der Serie. Beispielsweise im Kinderzimmer von Kristens Mädchen. Staffel 3 schaue ich definitiv aufmerksamer.

2 Antworten

  1. Demnächst will ich mal mit Staffel 3 anfangen. Bei der zweiten Staffel bin ich ganz bei dir: Immer noch gut, aber die erste hat mir besser gefallen. Vor allem die Storyline rund um Leland fand ich lange unnötig und konstruiert.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich hab die tatsächlich gerade zu Ende geschaut 😀 (Und merke gerade, dass ich das vergessen habe in meinem Woche 4 Horrorctober Rückblick zu erwähnen.) Es ist … ereignisreich.

      Das mit Leland fand ich ja noch witzig, aber Lexis Selbstwahrnehmung und Sheryls Verhaltensänderung gibt mir noch viel mehr zu denken. Ich meine … ich habe Sheryl als sehr selbstbewusst und frontal erlebt. Aber nicht als jemanden, die für okkultes empfänglich ist und das Leben ihrer Tochter und Enkelkinder gefährdet. Da tue ich mich ganz schwer. Du?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert