Mit meiner zweiten Seoultember-Woche und den Filmen darin bin ich etwas weniger zufrieden. 🤔 Interessant war es trotzdem. Nicht nur wegen wiederkehrender, bekannter Gesichter, sondern auch wegen kaputten Leih-BluRays. Seufz. Die Besprechungen sind spoilerfrei.
Das Hausmädchen
Nach dem Original Hanyeo bzw. Hanyo schob ich das 50 Jahre später veröffentlichte Remake hinterher. Darin spielen aber gefühlt ganz andere Dinge eine Rolle als es meine Wahrnehmung beim Original war. Eun-yi (Jeon Do-yeon) wird als Hausmädchen der reichen Familie Goh eingestellt. Die Gohs haben bereits eine kleine Tochter namens Nami (Ahn Seo-hyun) und die Dame des Hauses (Seo Woo) ist mit Zwillingen schwanger. Ihr Mann Hoon (Lee Jung-jae) arbeitet lange und kommt spät abends nach Hause. Überall im Haushalt schlägt Eun-yi Dekadenz entgegen. Die Gohs können tun und lassen, was sie wollen und sich alles nehmen. Davor schreckt auch der Hausherr nicht zurück.
D.h. nicht, dass er sich Eun-yi aufzwingt. Es beginnt eine Affäre, in die beide mit einem gewissen (wenn auch anders gearteten) Vergnügen teilnehmen. Man kann sagen, dass sich alle Beteiligten in dem Film ordentlich auslassen können. Der eben noch in Il Mare romantische Lee Jung-jae mimt ein großartig süffisantes und besitzergreifendes Arschloch. Yoon Yeo-jeong (u.a. bekannt aus Minari) spielt Eun-yis einzige Bezugsperson auf Augenhöhe als dienstältere Angestellte im Haushalt, die mit den Marotten der Reichen schon längst abgeschlossen hat. Ist die Katze aus dem Haus, tanzt sie auf dem Tisch. Großartig!
Aber auch die sinnlichen Bilder lassen nicht über das plakative hinwegtäuschen. Auf Letterboxd beginnt jede dritte Review mit „If you liked Parasite, then you should watch this movie“. Naja. Das mag schon stimmen. Es ist eine krasse Persiflage und Anprangerung von Klasse. Damit zahlt der Film schon in die Erfolgswelle südkoreanischen Kinos eins und eines der Themen, die es großartig einzufangen vermag. Nur hier eben sehr in your face und viel weniger spaßig. Aber als Remake des 1960er Klassikers ist es komplett am Ziel vorbei. Reichtum spielte dort keine Rolle, sondern Geschlechterrollen, Macht und Obsession. Hier kehren sich zu keinem Zeitpunkt die Machtverhältnisse um, obwohl das den 1960er Film so spannend macht. Eun-yi bleibt stets in einer Opferrolle und es gibt bei Weitem nicht das spannende Geflecht moralischer Verwicklungen. Außerdem ist das Ende eine Farce.
Das Hausmädchen (OT: 하녀 „Hanyo„), Südkorea, 2010, Im Sang-soo, 106 min, (5/10)
Right Now, Wrong Then
In der Presse findet man den Film auch unter dem deutschen Titel Einmal fremd, einmal vertraut, wobei ich bei dem englischen bleibe, da ich den Film eben unter diesem Titel geschaut habe. Es war mein erster Hong Sang-soo und wenn ich etwas über den Regisseur oder seine Filme wusste, dann dass sie (spekulativ aber auch offensichtlich) autobiografische Züge tragen und Variationen von Beziehungen auf eher intellektueller Ebene erzählen. Ja, kann ich bestätigen. Der Film beginnt mit dem Regisseur Ham Chun-su (Jung Jae-young), der in einer Stadt referieren soll, zu früh anreist und sich langweilt. Er trifft die junge Künstlerin Yoon Hee-jung (Kim Min-hee) und versucht sie rumzukriegen oder sagen wir mal für sich zu gewinnen. Eine Zeit lang sieht es so aus, als ob sich zwischen den beiden wirklich etwas entwickelt, bevor die Stimmung kippt. In der zweiten Hälfte werden die Geschehnisse nochmal erzählt – so wie es auch hätte laufen können.
So wie ich mich am Anfang gelangweilt habe, war ich schon gespannt auf die zweite Hälfte und ob ich den Film dann besser finden würde. Jung Jae-young macht dem trope des Pick-up-Artist Regisseurs alle Ehre – er ist so offensichtlich, dass es weh tut. Spätestens hier wusste auch ich, so muss wohl ein Hong Sang-soo Film sein! Witzig war das schon. Aber leider auch sehr langatmig. Kunstvoll wird es dann, wenn man sieht wie das Hong Sang-soo-sche Konzept greift und man im Schauspiel beider Hauptfiguren sieht, dass sie dabei sind entlarvt zu werden/zu entlarven. Ihre Mimik und Gestik ist großartig, nuanciert. Auch die zweite Hälfte macht es interessant(er). Es ist wieder langatmig, aber wir sehen deutliche Unterschiede im Verlauf ihres Kennenlernens. Wäre der Regiesseur einen Tick ehrlicher und sie einen Tick vorsichtiger, könnte daraus etwas ganz anderes werden? Das ist ziemlich spannend. Nur weiß ich nicht, was am Anfang mehr an den Nerven zerrt: die langsame Entwicklung oder der so offensichtlich aufreißende Regisseur? Es ist ein bisschen als ob Hong Sang-soo anfangs Zuschauende testen will, ob sie ausschalten.
Right Now, Wrong Then (OT: 지금은맞고그때는틀리다 „Jigeumeun Matgo Geuttaeneun Teullida“), Südkorea, 2015, Hong Sang-soo, 116 min, (7/10)
The Witch: Subversion
Gibt es eigentlich irgendein populäres Muster rund um aus Forschungsanstalten entlaufene Kinder, besondere Fähigkeiten und Actionfilme, die The Witch nicht in diesen Topf schmeißt? In dem Film wächst Koo Ja-yoon (Kim Da-mi) auf dem Land auf. Niemand weiß, dass sie als kleines Kind blutüberströmt auf der Türschwelle ihrer Zieh-Eltern auftauchte. Inzwischen haben die finanzielle Probleme und die Gesundheit leidet auch. Ihre beste Freundin Do Myung-hee (Go Min-si) ermutigt sie sich bei einer TV-Talentshow zu bewerben und das Preisgeld einzusacken. Als Koo Ja-yoon dort auftritt, erkennen sie aber auch Personen aus ihrer Vergangenheit wieder. Da ist sie nun wie auf dem Präsentierteller.
Es ist einfach unfassbar wie viele populäre Versatzstücke in dem Film verwurstet werden. Kinder mit besonderen Fähigkeiten, mysteriöse Experimente, tödliche Krankheiten und Heilung versprechende Spritzen, das hat man doch schon mal gehört oder gesehen. Besonders wichtig ist dabei scheinbar die Gegenüberstellung von bemitleidenswert + niedlich (Koo Ja-yoon und ihre Freundin) und psychotisch + brutal (alle anderen). Damit das auch ja wirkt! Der ganze Film fühlt sich wie eine südkoreanische Version von Léon – Der Profi gepaart mit The Boys an. Dann hau noch Actionszenen drauf bis zum geht nicht mehr und das passt. Der Titel Witch erklärt sich irgendwie so durch einen Nebensatz. Wie aber erklärt man, dass die „Witches“ und „Witcher“ hier mehr auf Schusswaffen zurückgreifen müssen als alles andere? Wer sich darüber nicht einlullen lässt wie unglaublich reißerisch das ganze aufgesetzt ist, wird sich immerhin daran erfreuen, dass es zwei erzählerische Kniffe in dem Film gibt, die ganz gut wirken. Der eine fußt auf Auslassung, der andere ist ein Twist. Und auch wenn es unheimlich einfach ist, natürlich wirkt es wie zum Greifen nah ein idyllisches Leben für Koo Ja-yoon war. Na bloß gut, dass es schon einen zweiten Teil gibt, der nichts mit ihr zutun hat. Ihr seht mich mit den Augen rollen.
The Witch: Subversion (OT: 마녀 „Manyeo“), Südkorea, 2018, Park Hoon-jung, 125 min, (5/10)
Zu den bisherigen Artikeln
Woche 1 („The Chaser“, „Il mare“ & „Hanyeo“)
Header image photo credit: Valery Rabchenyuk at Unsplash
Die in der Einleitung erwähnte kaputte Leih-Disc hatte ich leider bei „The Witch“ und bin dann auf Streaming umgestiegen. Wer auch mal Lust auf das Erlebnis hat, wird sich fragen, wo man denn nun die Filme streamen kann? Aktuell ist sowohl „Das Hausmädchen“ als auch „Right Now, Wrong Then“ auf Mubi verfügbar (keine bezahlte Werbung). „The Witch“ gibt es z.B. bei Amazon zum Draufzahlen. Jetzt muss ich mich wohl etwas sputen, um meine Liste zu schaffen. 😅 Aber immerhin sind auch nur noch zwei Filme offen. Wie läuft euer Seoultember?
Schreibe einen Kommentar