Seoultember 2023 – Woche 1 („The Chaser“, „Il mare“ & „Hanyeo“)

Der September ist bereits halb rum und die Filme immerhin zu einem Drittel geschaut – Zeit für ein Zwischenfazit. Ob ich nun die acht Filme schaffe oder nicht, vorrangig: es macht richtig Spaß sich mal wieder systematisch und konstant einer Reihe von Filmen zu widmen. Hier eben südkoreanischen. Und die ersten drei könnten unterschiedlicher kaum sein. 😉

The Chaser

Joong-ho (Kim Yoon-seok) ist ein ehemaliger Polizist, inzwischen Zuhälter. Als er Mi-jin (Seo Yeong-hee), eine seiner Prostituierten, zu einem Freier schickt und kurze Zeit später nichts mehr von ihr hört, fällt ihm ein Muster auf. Auch eine andere seiner Frauen war das letzte Mal beim ihm, bevor sie spurlos verschwand. Joong-ho macht sich auf den Freier, Ji Yeong-min (Ha Jung-woo), zu stellen. Dass er ein Verbrechen begangen hat, scheint außer Frage. Aber Yeong-min schweigt. Und der Polizei fehlen ohne Leiche und mit einem frischen Skandal rund um einen mit Fäkalien beworfenen Bürgermeister die Kapazitäten dem Fall gründlich nachzugehen. Also nimmt Joong-ho das selbst in die Hand.

🎥 THE CHASER (2008) | Full Movie Trailer in Full HD | 1080p, MOVIE PREDICTOR, Youtube

The Chaser ist ein umwerfend spannender und beklemmender Thriller des Regisseurs von u.a. The Wailing. V.A. ist es in vielen Belangen unbequem wie er durch seinen Einsatz die Polizei als eine Farce darstellt. Es sind aber nicht nur die sehr mit sich selbst beschäftigten Polizisten, sondern auch die Gesellschaft allgemein. Das kalte Desinteresse der Masse für diejenigen die sie an den metaphorischen „Rand der Gesellschaft“ drängt, verursacht neben den grausamen und blutigen Morden den nächsten Schauer. Warum ist bisher niemand dem Verschwinden all der Frauen nachgegangen? Der Fall basiert lose auf dem des sehr realen Serienmörders Yoo Young-chul. The Chaser ist brutal, aber unheimlich gut orchestriert und gepaced. Die derbe Kritik trennt einzig und allein manche Formelhaftigkeit von zehn von zehn Punkten. Beispielsweise das allzu rührende und beklemmende Auftreten des Kindes von Mi-jin, um mal wieder klarzumachen wer die Opfer sind. Dabei die Opfer sind doch noch soviele mehr.

The Chaser (OT: 추격자 „Chugyeokja“), Südkorea, 2008, Na Hong-jin, 123 min, (9/10)

Sternchen-9

Das Haus am Meer – Il Mare

Da schaut Sung-hyun (Lee Jung-jae, richtig – der aus Squid Game!) nicht schlecht als er das „Haus am Meer“ bezieht. In seinem Briefkasten findet er immer wieder Briefe einer Frau namens Eun-joo (Jun Ji-hyun), die behauptet aus dem Jahr 1999 zu schreiben. Aber es ist doch 1997!? Anfangs glaubt er ihr nicht und verlangt Beweise. Die sie erbringt. Ab da entspinnt sich ein Briefverkehr zwischen zwei sehr einsamen Menschen, der eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Sung-hyun und Eun-joo bedeuten sich bald mehr als sie zugeben können. Aber ist ein Treffen möglich?

Es ist ziemlich gewagt überhaupt soviel über den Film zu verraten. Schließlich ist das Motiv der Zeitdifferenz zwischen Beiden ja schon die erste angenehme und klug eingefädelte Überraschung. In den ersten Minuten fällt das alles nämlich gar nicht so sehr auf. Man kann leicht Sung-hyun für den Nachmieter des Hauses halten – dabei ist es genau andersrum. Inzwischen vermute ich aber, dass fast alle die Pointe aus dem US-Remake mit Keanu Reeves und Sandra Bullock kennen. Dann wiederum überrascht nicht mehr ganz so viel an dem Film. Sehr empathisch widmet es sich den Beiden und ihren Hoffnungen wie auch den Gründen für ihre Einsamkeit. Auch wenn das Schaffen von Parallelen zwischen Charakteren und Zeitebenen scheinbar Drehbuch-Einmaleins ist, erscheint doch aber die Häufigkeit einer bestimmten Art Unfall etwas sehr hoch. Auch reichen sich wunderschöne Einstellungen vom Haus am See mit seinen jeweiligen Bewohner:innen im Verlauf der Jahreszeiten mit geradezu kitschigen und aus der Zeit gefallenen Repeat Cuts, die man sonst eher mit Filmen der Achtziger assoziiert. Was Il Mare auf jeden Fall drauf hat: ansprechende und tief gehende Geschichten in knapp neunzig Minuten zu erzählen.

Das Haus am Meer – Il Mare (OT: 시월애 ), Südkorea, 2000, Lee Hyun-seung, 96 min, (6/10)

Sternchen-6

Hanyo – Das Hausmädchen

Seitdem ich Hanyeo gesehen habe, weiß ich wieder wie sich das domestic horror Genre anfühlt. Der 1960er Film genießt einige Vorschusslorbeeren, steht er doch auf etlichen Listen der Top asiatischen Filme, die man gesehen haben sollte. Dabei war er lange gar nicht mehr zugänglich bzw. nicht in guter Qualität. Erst um 2008 rum wurde die restaurierte Fassung in Cannes wieder aufgeführt. Der Film beginnt mit dem Komponisten und Klavierlehrer Dong-sik Kim (Kim Jin-kyu), der seiner Frau aus der Zeitung vorliest. Es heißt darin ein ehrbarer Mann hätte eine Affäre mit einer seiner Hausangestellten gehabt. Noch empören sich beide. Als aber die junge, schöne und etwas schroffe Myung-sook (Lee Eun-shim) bei ihnen eine Stelle als Hausmädchen antritt, tritt das eine Welle von dramatischen und tragischen Ereignissen los. Sagen wir mal so: Rattengift sollte man gut wegschließen.

Hanyo The Housemaid) trailer, Mostra Internacional de Cinema, Youtube

Hanyeo, wie der Film im Original heißt, braucht ein bisschen um aus der Knete zu kommen. Für die eigentliche Handlung um das Hausmädchen hätte es die zwei anderen Frauen, die auf Klavierlehrer Kim stehen, nicht gebraucht. So wirkt es anfangs geradezu wie eine Männerfantasie mit welcher Regelmäßigkeit junge Frauen ihm zu Füßen liegen. Spekulation: was diese Sequenzen zeigen sollen ist das langsame mürbe machen des Mannes? Viel interessanter und wichtiger ist aber wie sich nach und nach das Machtverhältnis umkehrt. Ab einem gewissen Punkt diktiert das Hausmädchen, was in dem Haus passiert. Sie alle sitzen bald in einer selbstgemachten Falle und einem moralischen wie auch kriminellen Patt, aus dem niemand entkommt, weil sich früher oder später alle etwas zu schulden haben kommen lassen.

Hanyeo ist beklemmend und tatsächlich ein wahrer domestic horror Film, bei dem Kim Ki-young viele Mittel nutzt, um genau diesen Effekt zu erzeugen. Die Enge des Hauses wird von der Kamera eingefangen, als ob sie mit ihnen im goldenen Käfig sitzt. Ab und zu erfolgt ein Wechsel vorn der Enge nach außen vor die Fensterfront, um das Drama zu beobachten. Ganz nebenbei zeigt der Film wie sich Südkorea nach dem Krieg organisierte. Dass Frauen in Fabriken arbeiteten, dort in Unterkünften unter strengen Regeln wohnten. Hauptdarstellerin Lee Eun-shim setzte sich nach dem Film zur Ruhe und ich frage mich wie sich der Erfolg des Films für sie in der Rolle einer Femme Fatale angefühlt hat.

Hanyo – Das Hausmädchen (OT: 下女 „Hanyeo“), Südkorea, 1960, Kim Ki-young, 108 min, (7/10)

Sternchen-7

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Ankündigung und Filmliste

Header image photo credit: Valery Rabchenyuk at Unsplash

Spannend war’s! Ich kann jetzt kaum erwarten das Remake von „Hanyeo“ zu sehen. Aber war schon sehr viel aneinandergereihtes Drama. Ich kann sowas nicht allzu oft gucken. 😅 Kennt ihr die besprochenen Filme? Und wie schneiden sie für euch ab? Was läuft in eurem „Seoultember“? Auf den Trailer zu „Il Mare“ müssen wir leider verzichten, weil eine Version nichts mit dem Film zutun hat und die andere alles spoilert. Tja.

2 Antworten

  1. […] dem Original Hanyeo bzw. Hanyo schob ich das 50 Jahre später veröffentlichte Remake hinterher. Darin spielen […]

  2. […] hat und Leute umbringt), Clue (alias Alle Mörder sind schon da), Bodies Bodies Bodies und den Seoultember-Filmen. Im Kino haben wir Oppenheimer geschaut, der mich nicht so beeindruckt hat und Talk to Me, […]

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