Serien-Besprechung: „A Murder at the End of the World“

Spricht man von „A Murder at the End of the World, spricht man auch von den Serienschöpfern Brit Marling und Zal Batmanglij und zwangsläufig von „The OA“. Der von vielen geliebten aber zu früh abgesetzten Serie. „A Murder at the End of the World“ hat daher große Fußstapfen, in die es treten muss. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Darby Hart (Emma Corrin) ist Hackerin und Amateur-Detektivin. Über ihren ersten großen Fall und das Aufdecken einer Mordserie an Frauen schrieb sie gerade erst ein Buch. Überraschend erhält sie die Einladung des „King of Tech“ Andy Ronson (Clive Owen) erhält. Zusammen mit anderen bahnbrechenden Genies auf ihren Gebieten wird sie zu einem Retreat nach Island eingeladen. Der Gedanke dabei: Ideen generieren, die die Welt verändern.

Darby sieht sich eher als Ausreißer in der Gruppe, kann aber nicht widerstehen und reist an. Vor Allem weil Ronsons Ehefrau niemand geringeres ist als Lee Anderson (Brit Marling), Darbys Hacker-Idol. Dann aber taucht zum Willkommensdinner auch Bill Farrah (Harris Dickinson) auf, Darbys Exfreund. Ein allzu konstruiert wirkendes Aufeinandertreffen. Zu welchem Zweck? Ehe die Gruppe dazu kommt bahnbrechende Zukunftsvisionen auszutauschen, geschieht ein Mord. Ganz im Stile Agatha Christies sind sie in dem isländischen Retreat eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Der oder die Killerin ist mitten unter ihnen.

A Murder at the End of the World | Official Trailer 2 | FX, Youtube

Zero Trust

Natürlich wissen sie nicht, wem sie trauen können. Trotz der bitterkalten Verdächtigungen und der verschneiten Atmosphäre, setzt die Serie all dem einen Kontrast entgegen. In Rückblicken wird die Handlung von Darbys Buch und gelöster Mordserie erzählt. Es ist auch die Geschichte wie sie Bill kennenlernte und sich beide verliebten. Die isländische Gegenwart und der Wüsten-Road-Trip stehen im krassen Gegensatz zueinander. Nostalgie der Vergangenheit, warme Farben und Liebesgeschichte im Rückblick, kühler Krimi in der Gegenwart im noblen isländischen Hotel zwischen VIPs. Man könnte Gefahr laufen nie so richtig in das eine oder das andere einzusinken, aber die Kontextwechsel sind nicht zu häufig. Das Rätselraten hält uns außerdem bei Laune.

Das in der Überschrift angegebene Zero Trust ist auch ein Konzept aus der IT. Es ist sinnbildlich für die Verdächtigungen unter den Gästen und Gastgebern. V.A. für den von Clive Owen gespielten Andy Ronson. Ein Tech Gigant mit Obsessionen. Eine davon sein Sohn Zoomer. Allein dessen Name und wie er ihn abschottet – das ist alles sehr Elon Musk. Ronson ist letzten Endes wohl der misstrauischste unter ihnen allen. Er traut weder seinen Gästen, noch der Zukunft. Wie wir früh in der Serie lernen, hat er all seine Erfindungen v.A. aus Misstrauen und Zukunftsangst gebaut. Wohin mit uns in einer Welt, in der unsere Klimasünden uns irgendwann bedrohen? Ist Technik die Lösung?

Faulty Programming

Technik und IT ist an vielerlei Stellen in der Serie Thema, steht aber auch in der Kritik. Wo hilft uns IT? Die Botschaft ist klar: das Potential ist da, aber auch die Grauzonen. Darby und Lee könnten als zwei zentrale Figuren, diejenigen sein, die die Technik meistern. Sie sind Hackerinnen. Hacking wird nur wenig gezeigt und wieder als eine Black Box dargestellt, die halt irgendwie beherrschbar ist und von Darby, Lee und x anderen Personen gemeistert wird. Hacking ist für Nicht-Hacker-Serien halt irgendwie immer Zauberei und sehr simplifiziert. Klar, es sieht eben nicht spannend aus, wenn man wochenlang einen Hack vorbereitet und Hacker:in dabei nur zusieht wie sie vor einem Computer sitzen und Zeugs in eine Kommandozeile eingeben. 😉 Ich bin mir nicht sicher, ob Mr. Robot für viele spannend ist, auch wenn es eine hervorragende Hackerserie ist.

So erlaubt sich A Murder at the End of the World verständlicherweise eine Menge Auslassungen. Die größte darin ist wohl, dass halt nicht im klassischen Sinne gehackt wird. Im Grunde müsste Darby auch ein immens großes Vorstrafenregister haben, da in den USA quasi alles Hacking ist. Auch schwer nachvollziehbar: dass sie so viel mit ihrem Klarnamen arbeitet und manchmal so aufgeschreckt und „fremdelnd“ mit Technik umgeht. Trotzdem schätze ich die Serie für den eingestreuten Hacker-Humor um vi, emacs und „401“ an Darbys Haustür (401 steht für Unauthorized). Ihre Charakterisierung konzentriert sich aber v.A. auf das Zwischenmenschliche, das darin nicht vergessen werden darf. Ebenso wie die nicht so rational klingenden Aspekte wie Bauchgefühl und Intuition. Die rettet jedenfalls die Gäste einige Male.

Auch erzeugt mir das Gerede um „Gen-Z-Ermittlerin“ Darby etwas zu viel Hype. Zumindest steht das in der Beschreibung der Serie bei Disney Plus (Stand heute). Was würde wohl Gen Z dazu sagen wie sie hier abgebildet werden? Coole Tattoos im Gesicht – ist das Gen Z? Und warum ist das überhaupt wichtig? Das wird in der Serie nicht deutlich, zumindest wird es nicht wortwörtlich gesagt. Spekulativ erklärt es sich durch den Anti-Hype und wird eher gezeigt als in Worte gefasst: Gen Z ist mit Technik schon aufgewachsen. Gen Z sieht darin keine Wunder. (Oder?)

Obwohl Technik eine große Rolle in der Serie einnimmt, stehen im Zentrum v.A. die Personen und die Kriminalfälle. Diese drei Aspekte sind trotz ein bisschen Kritik wunderbar verbunden. Die Chemie zwischen Emma Corrin und Harris Dickinson erwärmt das Herz zwischen der Kälte im isländischen Refugium. Der Mordfall ist wendungsreich und nicht (alles) vorhersehbar. Man hat jede Menge Potential zum miträtseln und erwartet einige Überraschungen. Wie es sich für ein gutes Murder Mystery gehört, musste ich meine Hauptverdächtigen einige Male auswechseln. Nebenbei streut die Serie Zukunftsvisionen und Warnungen ein, die zu einer gesunden Skepsis gegenüber Technik raten. Schön sind die vielen Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es ist eine runde Serie, die vielleicht nicht dieselbe Begeisterung in mir triggert wie The OA, aber es ist trotzdem originell und eine Story, über die man hinterher reden will. Es gibt Dinge, auf die ich gern verzichtet hätte wie so manch dramatische Familiengeschichte, die ja total unvorhergesehen kommt. Aber das ist meckern auf hohem Niveau. (8/10)

Sternchen-8

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Wie hat euch die Serie gefallen? Und hat euch der Soundtrack auch so an „Dark“ erinnert? 🤔 Was waren eure Theorien wie die Serie endet und wer der Mörder oder die Mörderin ist? (Bitte versuchen Spoiler zu kennzeichnen) Ich hatte ziemlich wilde, die die Serie nochmal von Grundauf geändert hätten … da gingen wohl meine Erinnerungen an „The OA“ mit mir durch. Dieser Beitrag ist Teil des Booleantskalenders, wo noch mehr Reviews warten.

3 Antworten

  1. […] hat mich Fellow Travelers, gegen Ende gefiel mir dann auch Loki Season 2 und ziemlich gut war auch A Murder at the End of the World und Pluto. The Walking Dead Season 9 hat mich mehr genervt als alles andere und von NOS4A2 Season 1 […]

  2. Avatar von BoomHoschi
    BoomHoschi

    Mir hat die Serie ganz gut gefallen, obwohl mir sehr schnell recht klar war, wer für alles verantwortlich ist und warum, halt nur nicht wie.
    Mir haben die Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit sehr gut gefallen, ansonsten wäre sie mir etwas zu „DARK“* gewesen.

    * absolut der Soundtrack

  3. […] Adaption einer meiner Lieblingsmanga) und der neuen Serie von Brit Marling und Zal Batmanglij A Murder at the End of the World erschienen gegen Ende des Jahres noch zwei, die ich sehr gehyped habe und (größtenteils) nicht […]

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