Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Perfect Days“ #Japanuary

Manch Filmfan dürfte überrascht sein, dass es viel mehr Kōji Yakusho ist als Wim Wenders, der mich ins Kino lockte. Darf man das sagen? Jetzt ist es jedenfalls raus. Aber fairerweise: ich könnte mehr Wim Wenders Filme gesehen haben und werde das korrigieren. Meine erster Kinobesuch in dem Jahr war jedenfalls auch der Auftakt zu meinem Japanuary. Sogar ein hervorragender. Die Besprechung ist gewohnt spoilerfrei.

Der Toilettenreiniger Hirayama (Kōji Yakusho) geht in Tokio einem geordneten und strukturiertem Alltag nach. Er steht auf, wässert seine Pflanzen, stutzt den Bart, geht zur Arbeit, danach ins Badehaus. Mit unerschütterlicher Geduld und Gewissenhaftigkeit reinigt er die öffentlichen Toiletten und tritt respektvoll vor die Tür, falls jemand auftaucht und es dringend ist. Hirayama interessiert sich darüber hinaus für Fotografie, Bücher und Musik. Er hält es einfach – hört seine Kassetten auf einem alten Radio zuhause und im Auto. Ihm reicht außerdem ein Buch zur Zeit – meistens jedenfalls.

PERFECT DAYS Trailer German Deutsch (2023) @FilmtoastDE, Youtube

Perfect Days erzählt von diesen perfekten Tagen, aber auch von dem was dazwischen kommt. Und von Begegnungen, die Hirayamas Leben bereichern, manchmal aber eben auch zeigen, was er vermisst. Damit ist es einer dieser Filme, die man auch ein wenig ketzerisch bezeichnen könnte als einen, „in dem nichts passiert“. D.h. dass ein größerer, überspannender Konflikt ausbleibt. Das ist keine Wertung, sondern eine Feststellung. Nach dem Kinobesuch kam ich mit einer anderen Zuschauerin ins Gespräch, die sagte, sie dachte „da würde noch eine Auflösung kommen“.

Natürlich treten doch mal Personen aus Hirayamas Vergangenheit auf wie es der Teaser und Text zum Film verspricht, aber das alles spielt keine so große Rolle wie man annehmen könnte. Perfect Days handelt großflächig davon wie bereichernd die Kleinigkeiten im Leben sein können, wenn wir denn bereit sind sie wahrzunehmen. Die Anekdoten aus Hirayamas Alltag reichen von kleinen Hürden des Alltags genauso wie schönen Momenten. Menschen die sehr plötzlich und sehr gedankenlos aus seinem Leben verschwinden und auch auftauchen oder dort eine große Wirkung haben. Oder auch Kuriositäten. Somit nimmt uns der Film an die Hand und lässt uns eine ganze Palette an Emotionen durchlaufen: Verärgerung, Rührung, Erschöpfung und es gibt einiges zu lachen.

In dieser unaufdringlichen Mischung, stets mit den kleinen Freuden des Lebens vor Augen, ist Perfect Days unheimlich bereichernd (ja und das obwohl „nichts passiert“). Man spürte das an der Atmosphäre im Kino als die Endroll begann und noch niemand bereit war sich auch nur zu rühren oder rumzurascheln. (Gute Crowd.)

Wim Wenders Film gibt uns Anlass nach dem Kinobesuch öfter mal eine ungewohnte Perspektive einzunehmen – zum Beispiel mal nach oben zu gucken. 😉 Oder die Menschen zu schätzen, die unseren Alltag bereichern, vielleicht ohne dass wir sie wahrnehmen wie die Menschen, die unsere öffentlichen Toiletten putzen. BTW sind die öffentlichen Toiletten die man in dem Film sieht durchweg beispielhafte Dienste an der Öffentlichkeit, geräumige Designtoiletten und es gibt nichts grobes, rohes, zu sehen. Was (vielleicht kommt das überraschend) meine einzige Kritik an dem Film ist.

Meisterlich ist dabei die Kameraarbeit von Franz Lustig und natürlich auch Kōji Yakusho als schauspielerische Naturgewalt, der hier mal wieder ganz ruhig sein darf. Die letzten Szenen des Films lassen nur vermuten, welche Gedanken und Szenen er hier durchläuft und die Zuschauenden tief rührt. Ein Hinweis: bis ganz zum Ende (d.h. einschließlich Endroll) sitzen bleiben!

Perfect Days, Japan, 2023, Wim Wenders, 123 min, (9/10)

Sternchen-9

„Perfect Days“ war dann ein Film, den ich liebend gern in meine Top Filme 2023 aufgenommen hätte, wenn ich ihn denn bis dahin schon gesehen hätte. Was war /wird euer erster Kinobesuch in diesem Jahr? Oder euer Auftakt zum Japanuary? Fun-Fact oder viel mehr Vermutung: Während des Films sieht man Leute sehr viel trinken und sehr viele Toiletten. Ist es also kein Zufall, dass überraschend viele während des Films auf Toilette gingen??

5 Antworten

  1. Großartiger Film. So ein Werk steht und fällt natürlich immer mit dem Hauptdarsteller. Yakusho hätte ich in seinem Alltag noch stundenlang zuschauen können, es wäre nicht langweilig geworden. 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Finde ich auch 🙂 Die Wirkung von „Perfect Days“ hallt bei mir auch noch ein bisschen nach … könnte gern so bleiben

  2. […] Perfect Days und Der Junge und der Reiher ging es im Heimkino weiter mit einem Film über Filme (oder so) und […]

  3. […] zu „Perfect Days“Besprechung zu „Der Junge und der Reiher“Besprechungen zu „Pompo: The […]

  4. […] dachte ich mit Perfect Days schon meinen Lieblingsfilm des diesjährigen Japanuarys gefunden zu haben. Nun muss der sich den […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert