Serien-Besprechung: „Evil“ Season 4

„Evil“ ist für mein Empfinden eine der besten Horrorserien der letzten Jahre. Der Grundgedanke „Glaube vs. Wissenschaft“ und eine skeptische, stets zeitgeistige Haltung gegenüber Wundern, Exorzismus, Erscheinungen, Geistern, you name it, bleibt bis zum Ende, auch wenn es ab Season 2 einen starken Shift Richtung „Glaube“ gibt. Nun erschien die letzte Staffel und ich war gespannt, ob all die Themen, die „Evil“ adressiert, gelungen aufgelöst werden können. Denn darunter ist letzten Endes nichts geringeres als das Ende aller Tage. Da die Besprechung zwangsläufig Spoiler für Season 1-3 enthält: schau doch mal in die Review zu „Season 1“, wenn du die noch nicht kennst.

Kristen (Katja Herbers) wird am Ende der dritten Staffel damit konfrontiert, dass ihre verschwundene Eizelle doch ein neues Zuhause gefunden hat. Niemand geringeres als Leland Townsend (Michael Emerson) ist Vater des Kindes, das er offenbar auch als den „Antichristen“ aufziehen will. Darauf hat sie eine unerwartete Reaktion. Zu erwarten schlecht ist ihre Reaktion darauf, dass ihre Mutter Sheryl (Christine Lahti) eben doch die ganze Zeit über mit Leland zusammenarbeitete. Immerhin weiß sie nun, dass sich alles Böse unter einem Firmennamen zu bündeln scheint: „DF“.

Derweil werden die Talente von „Pastor“ David (Mike Colter) von „Freunden des Vatikans“ weiter ausgetestet. Mit Nebenwirkungen und Folgen, die Davids Beziehung zur Kirche auf die Probe stellen. Auch Bens (Aasif Mandvi) Glaubenssätze werden herausgefordert: sein eigenes rationales Denken. Als er in einen Unfall verwickelt wird, beginnt auch er Dinge zu sehen, die seiner Meinung nach nicht da sein können. Die Ereignisse spitzen sich langsam zu, während unser Team mit besessenem Schweinefleisch, rassistischen Robotern und fiesen VR-Games zutun hat und diese für die Kirche untersuchen soll. Oben drauf gibt es noch einen Gaststar (John Carroll Lynch), der immer für eindrucksvolle Fernsehmomente sorgt.

Evil Season 4 Trailer | ‚The Final Season‘, Rotten Tomatoes TV, Youtube

Um Evil zum Abschluss zu bringen, wurde der Serie eine vierte und letzte Staffel mit extra vielen Episoden gewährt. Dass man das Erwachsenwerden des vermeintlichen „Antichristen“ Timothy nicht in vierzehn Episoden abwarten kann und ein Zeitsprung in der letzten Staffel etwas ungeschickt wirkt, verdeutlicht die Notwendigkeit von Kompromissen. Also nein: wir bewegen uns nicht straff auf das Ende aller Tage zu. Aber Leland und das „Management“ arbeiten immer noch stark darauf hin. Und zwischenzeitlich fühlt es sich auch mal so an, als ob wir uns der Apokalypse doch mit großen Schritten nähern mit Episoden, die eines Staffelfinales würdig gewesen wären. Episode 4×10 „Wie man einen Sturm überlebt“ war ganz klar als solches angedacht. Und doch musste die Serie mit nur vier Extra-Episoden enden. Es ist ein Kunstwerk hier nicht in Panik zu verfallen, das Pacing eben nicht ins unangenehme zu steigern und trotzdem der Serie ein Ende zu geben, das viele Konflikte löst und gefällt. Und das ist Evil gelungen. Mit Abstrichen.

Zwar findet es eine charmante Lösung wie es für Kristen, David und Ben weitergeht, aber verliert dabei einige Charaktere auf der Strecke und lässt einige lose Enden fallen. Dem Pragmatismus fällt Andy (Patrick Brammall) zu Opfer, der zuletzt eh Spielball von Leland & Co. war und noch einen starken Einsatz hat, bevor die Handlung um ihn auf die wohl undankbarste Weise beendet wird. Einer meiner größten Kritikpunkte. Da wurde selbst die Fragestellung, warum Sheryl zur „dunklen Seite“ übergelaufen ist besser beantwortet. Zu den losen Fäden zählen für mich auch Aspekte wie Lexis (Maddy Crocco) Rolle in dem Ganzen, auf die man irgendwann in Staffel 3 verzichtete weiterzuerzählen. Es werden aber auch reichlich neue lose Fäden kreiert, die ich wohl keiner Serie so verzeihe wie Evil. Da wäre die Frage, warum sich die Satanisten dann doch nicht Leslie (die Leihmutter) vom Hals geschafft haben oder wie Ben dann seinen großen Staffel-Konflikt überwindet (oder ignoriert).

Wie schon so viele Male zuvor entscheidet sich Evil für den Mut zur Lücke. Das hat was charmantes und gleichzeitig unbefriedigendes. Einerseits werden damit nicht unwesentliche Fragen offen gelassen und ganze Charakterreisen nicht zum Abschluss gebracht. Andererseits bekommt es so eine gewisse Würze und Diskussionspotential. Zufrieden sein muss man damit aber nicht. Dass Evil dieser schroffe Pragmatismus (den man überraschend selten in Serien sieht) verzeihen kann, liegt vor Allem an der bewährten Formel. Es werden in bester Tradition zeitgeistige Themen aufgegriffen wie beispielsweise die Rolle der Frau in großen Unternehmen und die immer noch existierende, unterschwellige Mysogynie. Sheryls Firma voller satanischer Figuren ist eine weitere Serienmetapher auf die „Evil Corp“s dieser Welt. Tatsächlich erlebt sie einen Glass Ceiling-Moment, der bitter und satirisch ist.

Evil hat es schon immer geschafft anders zu sein als andere Serien wie man an dem unkonventionellen Umgang Kristens mit der Antichrist-Frage sieht. Sie lacht. Sie hält es für eine Farce in was für eine okkulte Seifenoper sie angeblich geraten sein soll. Wie jemand solche starken Attribute über einem Neugeborenen ausschüttet. Und gerade deswegen hat Evils letzte Staffel trotz deutlicher Abstriche einen Stein bei mir im Brett, da man zumindest eines feststellen muss: die Serie bleibt sich treu. Und ich schätze es sehr, dass sie einen so starken Abgang macht, ohne sich hetzen zu lassen und doch einen gewaltigen Sturm heraufbeschwört. Dass sie die enge Freundschaft der Protagonist:innen herausstellt und all unsere gesellschaftlichen Werte und Normen herauspickt, den Finger auf die Wunde hält. Am Ende schließt sich der Kreis, wenn Kristen feststellt, dass niemand mehr über die „großen Dinge“ im Leben redet. Zum Beispiel das Gute. Und das Böse. Und dass sie es schätzt durch ihre Arbeit mit David und Ben genau dazu gedrängt worden zu sein. Alles worüber sich die Leute heute nur noch unterhalten würden, wäre Fernsehen. 😉 (8/10)

Sternchen-8

Übersicht der Reviews: Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4

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Das war es nun! Schade, dass „Evil“ nun doch zum Abschluss kommen musste. Aber andererseits: vielleicht auch besser so. Natürlich bin ich immer etwas neugierig wie die Zukunft der Serie ausgesehen hätte, stünden ihnen mehr als vier Episoden für das Serienfinale zur Verfügung. Andererseits gibt es zu viele Serien, die zu lange durchgeschleift wurden und ihre Reize verloren haben. Wie hat euch das Staffelfinale gefallen? Dabei kam vielleicht zu kurz, dass sich „Evil“ Season 4 ja tatsächlich recht passabel als Serienfinale macht, aber auch die Tür für eine Fortsetzung gerade so offen genug hält. Meint ihr nicht auch?

2 Antworten

  1. Ich mochte Evil sehr gerne, und bin froh, dass die Serie die extra Folgen für ein vernünftiges Ende bekommen hat und nicht einfach abgesetzt wurde! Du hast recht, ein paar Handlungsstränge sind trotzdem hintenübergefallen, aber mit all den offenen Punkten, die noch da waren, haben sie einen guten Kompromiss gefunden 🙂

  2. Für mich auch insgesamt eine der besten, weil ungewöhnlichsten und originellsten Serien der letzten Jahre – und das von einem Network-Sender (bis auf Staffel Fuck äh Vier. Andy habe ich von Anfang an als Fremdkörper in der Serie empfunden, der hat nie wirklich reingepasst, weshalb ich seinen stillen Abgang dann nicht so schlimm fand. Das Finale war okay, auch wenn ich etwas anderes erwartet hatte. Aber genau darum ging es den Macher*innen wohl auch.

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