Filmbesprechungen „My Broken Mariko“, „I Am What I Am“, … (JFF 2024)

Seit 2016 bewirbt das Japanese Film Festival (JFF) die ganze Bandbreite des japanischen Films. Dieses Jahr stehen bis zum 19. Juni einige großartige Film für den Abruf in Deutschland zum kostenfreien und legalen Stream bereit. Zwar kam ich gerade erst von der Nippon Connection, aber wie kann ich da nein sagen!? Nachfolgende habe ich in der Zwischenzeit gesehen – ihr habt noch drei Tage die Gelegenheit sie hier online zu schauen.

My Broken Mariko

Der schöne und traurige Film basiert auf dem gleichnamigen Manga Waka Hirakos. Er handelt von der Angestellten Shiino (Mei Nagano), die eines Tages aus den Nachrichten erfährt, dass ihre beste Freundin Selbstmord begangen hat. Sie beschließt ihrer Freundin einen letzten Dienst zu erweisen und ihre Asche im Meer zu verstreuen. Auf dem Weg dahin reflektiert Shiino ihre Freundschaft zur verstorbenen Mariko (Nao) und wie diese immer wieder in ihrem Leben Missbrauch ausgesetzt war, der in ihr tiefe, seelische Wunden zurückgelassen hat. Dabei ist der Film eine sehr genaue Adaption des Mangas und behandelt das Thema ähnlich sensibel. Problem der eigenen Erwartungshaltung ist, dass man automatisch annimmt, es müsse sich viel an Shiinos Leben ändern und man hinterfragt gegen Ende des Films die eine oder andere ihrer Entscheidung. Was aber bleibt ist der Funke, das wir eben doch im Leben anderer einen Unterschied machen. Dass es die Bemühungen um andere wert sind. Und davon abgesehen ist es schöner Film über Freundinnenschaft.

My Broken Mariko (OT: マイ・ブロークン・マリコ), Japan, 2022, Yuki Tanada, 85 min, (7/10)

Sternchen-7
My Broken Mariko (2022) Japanese Movie Trailer English Subtitles (マイ・ブロークン・マリコ 本予告 英語字幕), Panap Films, Youtube

I Am What I Am

Kasumi (Tōko Miura, u.a. bekannt aus Drive my Car) ist mit ihrem Leben fein, nur alle anderen nicht. Freunde drängen ihr Dates auf. Ihre Familie stellt die wildesten Vermutungen an, warum sie nicht daten will. Und ihre Mutter engagiert heimlich eine Agentur zur Vermittlung arrangierter Ehen. Es ist wild. Durch diese verschlungen Pfade navigiert sich Kasumi, die aromantisch und asexuell ist. Sie weiß bereits sehr gut, dass die Pläne der anderen nicht ihr Glück sind. Aber was ist ihr Glück? Shinya Tamadas Film entblößt wie fest die japanische Gesellschaft am Konzept von Partnerschaft und Ehe festhält und diese Norman anderen überstülpt, anstatt das Glück der Einzelnen zu betrachten. Frappierend ist, wenn im Kindergarten in dem Kasumi arbeitet, eine umgedichtete, empowerte Cinderella-Version bei Eltern unangenehm aufstößt. Welche Werte wollen wir wirklich vermitteln? Dass es nur einen Weg gibt glücklich zu sein? Darüber hinaus zeigt der Film einfühlsam Kasumis persönliches Dilemma, dass sie Nähe und Glück aus anderen Beziehungen wie Freundschaften zieht, diese sich aber zwangsläufig auch entwickeln. Manchmal in eine Richtung, die mit ihrem Glück nicht vereinbar ist.

I Am What I Am (OT: そばかす), Japan, 2022, Shinya Tamada, 104 min, (9/10)

Sternchen-9
I Am What I Am 『そばかす』 Official Trailer | Nippon Connection Filmfestival 2023, Youtube

The Lines That Define Me

Der Student Sousuke Aoyama (Yokohama Ryusei) ist gezeichnet von einem großen Verlust und weiß nicht mehr wie er in seinem Leben weiter machen soll. Sein Studium vernachlässigt er. Eines Tages sieht er auf einer Sumi-e-Ausstellung das Bild einer Kamelie und ist tief gerührt davon. Das entgeht auch nicht dem Meister Kozan (Miura Tomokazu), der Sousuke kurzerhand anbietet sein Lehrling zu werden. Sousuke ringt mit sich und fängt erst einmal als Schüler an Kozans Schule an, wo er auch dessen Tochter Chiaki (Kiyohara Kaya) kennenlernt. Er fühlt sich einerseits als Fremdkörper wie er in diese Subkosmos von Sumi-e (japanischer Tuschezeichnung) stößt. Andererseits wie er als Bystander der ebenso fragilen Beziehungen zwischen Chiaki und ihrem Vater und den anderen Mitgliedern der Schule beiwohnt. Nach und nach tut sich aber Sumi-e und die Schule als ein Weg vor Sousuke auf wie er mit dem Trauma seiner Vergangenheit umgehen kann.

The Lines That Define Me hat Potential zu einem Feelgood-Film und ist in jedem Fall super motivierend, macht Lust zu zeichnen, kreativ zu werden. Am mitreißendsten sind wohl die Szenen in denen Sumi-e gemacht wird, d.h. man die energiegeladenen Malszenen vor insbesondere großer Leinwand sieht. Doch letzten Endes bleibt ein schaler Beigeschmack zurück, dass Sousuke durch Zufall in so eine privilegierte Rolle und elitäre Welt stolpert ohne dass dies auch nur einmal angesprochen wird. Über weite Strecken wirkt Sousukes Vergangenheit und Trauma wie ein lieblos arrangiertes Plothole und Mittel zum Zweck bis der Film endlich auspackt, was passiert ist. Das findet deutliche und erschreckende Bilder. Der Geschmack eines Mittels zum Zweck verschwindet aber nicht ganz, was dem Film seine Authentizität nimmt.

The Lines That Define Me, Japan, 2022, Koizumi Norihiro, 106 min, (7/10)

Sternchen-7
THE LINES THAT DEFINE ME Trailer English Subtitled, Japanese Canadian Cultural Centre, Youtube

BL Metamorphosis

Die 75-jährige Yuki (Nobuko Miyamoto, sie ist auch Tampop aus Tampopo ♥) verirrt sich in der lokalen Buchhandlung in die Manga-Abteilung und stößt dort auf ein Cover, das ihr gefällt. Was sie kauft ist ein Boys Love (BL) Manga. Sie liest ihn zuhause und kann kaum erwarten zu erfahren wie es nach dem Cliffhanger weitergeht. Die Schülerin Urara (Mana Ashida) ist auch Aushilfe in der Buchhandlung und bemerkt die wachsende Begeisterung der älteren Dame und weiß gar nicht, was sie darüber fühlen soll. Ist das ungewöhnlich? Soll sie ihr mehr Titel empfehlen? Beide kommen ins Gespräch und beginnen eine Freundschaft, die manche aufgrund ihres Altersunterschieds für „unwahrscheinlich“ halten („Ist das deine Oma?“).

BL Metamorphosis basiert auf dem gleichnamigen Manga von Kaori Tsurutani und ist einfach nur wohltuend. Wie Urara und Yuki jedes neue Kapitel des Manga feiern, sich treffen um es zu diskutieren und gegenseitig Manga leihen, weckt das warme Gefühl eines geteilten Interesses, von Freundschaft und Verbundenheit egal welchen Alters oder sonstigen Merkmals. Es erinnert mich an meine Teenagerzeit, in der ich Manga entdeckte und Stunden mit meinen Freunden in der Buchhandlung zubrachte oder wir ebenso jede Seite diskutierten und uns versuchten die Zeit bis zum nächsten Band zu verkürzen. Dabei verschweigt der Film nicht, dass jede Freundschaft etwas schenkt, aber auch fordert. Etwas schade ist, dass der Film manche Themen unadressiert lässt. Warum beispielsweise versteckt Urara, dass sie gern BL liest? Schämt sie sich? Warum? Davon abgesehen: In einer Nebenrolle sieht man Kotone Furukawa als Mangazeichnerin.

BL Metamorphosis (OT: メタモルフォーゼの縁側), Japan, 2022, Shunsuke Kariyama, 118 min, (7/10)

Sternchen-7
BL Metamorphosis – JAPANESE FILM FESTIVAL ONLINE 2024, Youtube

Jungle Emperor Leo

Jungle Emperor Leo, auch bekannt unter dem Titel Kimba the White Lion, basiert auf dem Manga Osamu Tezukas über eine Löwenbaby-Weise, die versucht seine Heimat zu finden und seinen Platz in der Welt. Dabei muss sich Leo/Kimba einige Male der Frage stellen, ob es dem Ruf seines Vaters gerecht wird und was das überhaupt bedeutet. Zu Beginn des Films gibt es einen Disclaimer, dass einige Bestandteile des Films heute rassistisch sind, damals aber eben anders betrachtet wurden. Ich finde es gut, dass es diesen Disclaimer gibt und würde mir eine solche Behandlung öfter wünschen. Es fasst das Dilemma des Films gut zusammen. Einerseits ist alles was von Osamu Tezuka kommt bahnbrechendes Storytelling und wegweisend für die Art wie noch heute Manga gezeichnet und Anime gemacht werden. Andererseits kann ein über sechzig Jahre alter Stoff eben nicht mehr die gleichen gesellschaftlichen Normen und Werte abbilden. Dank des Disclaimers habe ich mich weniger an den tatsächlich rassistischen Verklärungen bspw. über den afrikanischen Kontinent gestoßen oder sagen wir mal: ich war darauf vorbereitet und dadurch traf es weniger hart.

Nichtsdesto trotz ist Leos/Kimbas Geschichte eine vereinnahmende, die für das frühe Erscheinungsdatum tatsächlich schön animiert ist. Aus heutiger Sicht betrachtet sind manche Wendungen, Kämpfe und Entwicklungen dann doch ziemlich naiv (Ein veganes Restaurant für Wildtiere im Dschungel? Wieso überhaupt Dschungel? Er schwimmt zum afrikanischen Kontinent, kaum dass er geboren wurde? White Lion Suprem… ??? Ok, ich hör auf.) und der Film einfach nicht gut gealtert. Liegt in der Natur der Sache. Ändert nichts an der Bedeutung die es für die japanische Animationsfilmgeschichte hat. Dass er laut Disney König der Löwen nicht inspiriert haben soll ist für mich nun schwer vorstellbar.

Jungle Emperor Leo (auch: Kimba the White Lion, ジャングル大帝 劇場版), Japan, 1966, Eichi Yamamoto, 75 min (4/10)

Sternchen-4
JUNGLE EMPEROR LEO, aka KIMBA THE WHITE LION – JAPANESE FILM FESTIVAL ONLINE 2024, JFF+ | Bringing Japanese Film to You, Youtube

Header image uses a photo by Carolina Garcia Tavizon on Unsplash

Was mir am diesjährigen JFF besonders gut gefällt ist, dass es Wert auf Diversität legt. Sowohl in den Inhalten und Genres, als auch was die Wahl der Regisseure und Regisseurinnen betrifft. Außerdem gibt es mir die Gelegenheit einige Filme nachzuholen, die ich auf vergangenen Nippon Connections verpasst habe. Habt ihr das JFF wahrgenommen? Oder plant ihr nun noch Filme zu schauen? Ich habe übrigens noch ein paar mehr als die oben besprochenen geschaut (die Horror-Kurzfilme z.B.), die ich jetzt aber nicht als heißesten Tipp zum Anschauen empfehlen würde.

2 Antworten

  1. Hach, da wollte ich ja auch ein paar Filme sehen, bin aber zeitlich wieder so überhaupt nicht dazu gekommen. Naja, vielleicht schaffe ich ja noch einen oder zwei. Insbesondere „My broken Mariko“ interessiert mich, weil da eine Regisseurin den Film verantwortet.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Den schaffst du bestimmt noch 😉

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