Irgendwie finde ich die Filme von Nicolas Winding Refn wahnsinnig interessant. Mit Walhalla Rising hat er gezeigt, dass er brutales, visuelles Indie-Kino kann. Bronson war beeindruckend und ein wenig absurd. Drive war massentauglicher, romantischer, mitreißend und letzten Endes auch wieder brutal. Die Antihelden in seinen Filmen scheinen zum scheitern verurteilt, ziehen uns aber zu jedem Zeitpunkt auf ihre Seite, egal wie wortkarg oder wahnsinnig sie sind. Ab und zu greift er auch ziemlich daneben. Es gibt immer mindestens eine Szene in seinen Filmen, die ich vollkommen deplatziert finde. Aber er hat was. Er hat einen einzigartigen Stil. Nur bei Only God Forgives und Pusher III hat er mich verprellt. Spannend finde ich es aber immer noch zu sehen, was der Winding Refn da macht. Und deswegen war ich auch enorm gespannt auf The Neon Demon, in dem er sich nach Stuntfahrern, Sträflingen, Drogenabhängigen und Kämpfern nun Models widmet, die auch nicht unbedingt zart sind. Review ist spoilerfrei.
Jesse (Elle Fanning) ist so neu in Los Angeles, dass sie noch in einem Motel wohnt. Sie hat keine Eltern mehr und noch nicht mal Erfahrung in dem Geschäft. Aber sie ist ein Naturtalent. Alle bewundern ihre Haare, ihre Ausstrahlung, ihre Haut. Sie sagt über sich selber, dass sie nichts besonders gut kann, aber sie ist eben schön. Und so wie ihr die Fotografen und Designer zu Füßen liegen, bekommt man den Eindruck, dass sie wirklich am richtigen Ort angekommen ist. An dem Ort wo gilt
„Beauty is not everything, it is the only thing.“
Aber auch andere bemerken das und fühlen sich durch sie bedroht oder stellen ihr nach wie der Motelbesitzer Hank (Keanu Reeves). Anfangs nehmen sie die augenscheinliche Unschuld vom Lande nicht ernst. Aber als sich dann die Stylistin Ruby (Jenna Malone) und die Models Sarah (stark: Abbey Lee) und Gigi (Bella Heathcote) in die Ecke getrieben fühlen, eskaliert die Situation. Diese Frauen sind keine Models, sondern ausgehungerte Raubtiere.
Es ist wie eine sich selbsterfüllende Prophezeiung, dass der Einbrecher in Jesses Apartment ein Puma ist. Raubtiere sind eine schöne Metapher für das was wir in Winding Refns neustem Streich sehen. Eins gleich vorweg: der Film ist enorm körperlich und behandelt sowohl Nekrophilie als auch Kannibalismus. Zwar in kurzen, aber dafür intensiven Szenen. The Neon Demon ist stellenweise absurd, stellenweise schwer zu ertragen, ab und zu surreal und insbesondere am Anfang über lange Strecken direkt sehr normal. Wer einen albernen Modelfilm erwartet, ist hier wohl falsch. Es ist eigentlich ein surrealer Horrorfilm. Der beginnt relativ realistisch damit wie sich Jesse durch das Modelbiz schlägt und auch mehr als einmal befürchten muss ausgenutzt zu werden und Angst haben muss. Aber dann kommt irgendwann ihr Erwachen. Als sie merkt, dass ihr alle Türen offen stehen, infiziert sie ein Narzismus, ein Neon Demon und der verändert sie zusehends. Dabei ist es nicht so wie es uns der Trailer vermitteln will: nicht Jesse ist das Monster, sie wird aber auch von ihm besessen. Damit ist sie aber nicht der einzige, bis die widersinnige Natur der Models zuschlägt und die stärkeren überleben. Die visuellen Motive sind atemberaubend und der Soundtrack – wieder von Cliff Martinez ist ausgefeilt und hat einen hohen Wiedererkennungswert. Geschliffene, dröhnende, pumpende Tracks wie The Demon Dance, Neon Demon oder Sias Song Waving Goodbye im Abspann ziehen einen in ihren Bann und lassen noch lange nach dem Film nicht los. Aber es macht nicht unbedingt Spaß The Neon Demon zu schauen.
Die Nekrophilie-Szene ist schwer zu ertragen ebenso wie mancher kurzer, surrealer Albtraum. Die nackte Haut wird in einigen Szenen etwas überstrapaziert. Am meisten enttäuscht aber, dass wir anfangs glauben gemacht werden, dass Jesse das gefährliche Raubtier ist. Als es dann alles ganz anders kommt als der Zuschauer denkt, wird man vor den Kopf gestoßen. Zwar teilt Nicolas Winding Refn mit uns dann noch eine weiterreichende Idee und einen Twist, der sogar wirklich dämonenhaftes und unmenschliches andeutet, aber das ist ein krasser Paradigmenwechsel. Die Metaphern, Bilder und die eingebetteten Botschaften über die Welt der Schönen sind wirklich gut und von einer entlarvenden Brutalität. Der Look ist cool bis ins letzte Detail, aber die krassen und widerwärtigen Motive wirken wie zu harte Kanten an denen man sich schnell schneidet. Auch wenn entsprechende Szenen uns nur mal für fünf Minuten auf die Probe stellen. Und zu guter letzt: es wäre auch verkraftbar gewesen, wenn Nicolas Winding Refns Name oder Logo ein bis zwei Mal weniger aufgetaucht wäre. Man kann es auch weniger penetrant gestalten, wenn man sich als Marke und Markenzeichen etablieren will.
The Neon Demon, Frankreich/Dänemark/USA, 2016, Nicolas Winding Refn, 117min, (7/10)
Habt ihr den Film gesehen? Oder schreckt euch Winding Refn schon lange ab? Die Welt von Schönheit und Mode … passt augenscheinlich nicht so ganz zu seinen anderen Stoffen, oder? Teilt ihr die Meinung, dass der Film frauenfeindlich und sehr stereotyp ist?
Schreibe einen Kommentar