Es fühlt sich so an, als ob Edgar Wright lange weg gewesen wäre. 2013 kam mit The Worlds End seine Blood and Ice Cream Trilogie zum Ende und leider hat die mich nicht so sehr abgeholt wie Hot Fuzz oder Shaun of the Dead. Und viele Kinobesuchern sahen das ähnlich. Als Baby Driver angekündigt wurde, war ich gelinde gesagt überrascht. Der Film scheint nicht seinem comedy-lastigen üblichen Beuteschema zu entsprechen. Auch nach dem Sehen habe ich den Eindruck. Aber zumindest eine Vermutung muss ich revidieren. Er war nicht weg, er hatte in erstaunlich vielen Projekten seine Hände im Spiel, man muss nur etwas genauer hinschauen. (Hat bspw. das Drehbuch zu Ant-Man geschrieben.) Wie ist er denn nun, der Film von Edgar Wright, der gar nicht so sehr nach Edgar Wright klingt oder sich anfühlt? Review ist spoilerfrei.
Seinen Namen muss er öfter buchstabieren: B-A-B-Y. Baby (Ansel Elgort). Er fällt mal mehr mal weniger positiv dadurch auf, dass er ständig Musik hört und meistens Sonnenbrille trägt. Von seiner Umwelt wirkt er etwas abgesondert, immer die Kopfhörer auf und irgendeinen Song im Ohr. Seinen Lebensunterhalt verdient er auf eine Weise, die ihm zuwider ist. Er ist Fluchtwagenfahrer. Dabei stört ihn nicht das Fahren. Das ist sein geheimes Talent, er kann das, er hat dafür Gefühl wie kein anderer. Aber wenn durch seine speziellen, zu chauffierenden ‚Gäste‘ andere Menschen zu schaden kommen, dann bringt ihn das raus. Babys Liebe zur Musik geht soweit, dass er einen bestimmten Song zu einer bestimmten Zeit zu einer bestimmten Fahrt in einem bestimmten Moment braucht. Aber seine Abneigung zu seinem Job geht soweit, dass er die Tage zählt bis er seine Schuld gegenüber Doc (Kevin Spacey) beglichen hat, der die Coups plant und Baby zu gern als Fahrer engagiert. Als er aber die Kellnerin Debora (Lily James, bekannt aus Downton Abbey) trifft, ist es um ihn geschehen. Wie schon so schmerzlich oft im Film gesehen, macht die Liebe ihn aber auch angreif- und erpressbar.
Edgar Wright hat das mit der Musik bei Baby Driver ernst gemeint. Der Film hat möglicherweise einen der besten Soundtracks des Sommers. Oder des Jahres. Am auffälligsten ist, dass Baby die Atmosphäre bestimmt. Mit den Songs gibt er den Takt des Heists und auch den seines Lebens vor. Er lebt alle Szenen mit perfekter musikalischer Untermalung und bevor er nicht den passenden Song gefunden hat, gehts nicht weiter. Spielt Easy (The Commodores, ihr wisst schon – Easy like a sunday morning), wenn er mit sich im Reinen ist oder Dave Brubecks Unsquare Dance wenn die Gangster gerade einen Coup planen. Man könnte meinen, dass hier nicht die Szene die Auswahl der Filmmusik und des Soundtracks bestimmt, sondern andersrum. Dabei gibt es sogar Momente, in denen man an Babys Realität teil hat und das hohe Fiepen seines Tinitus hört. Und wie sollte es nicht anders sein? Bei einem so durch Musik getriebenen Film ist das wahrscheinlich eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Der Titel des Films und letztendlich auch des Hauptcharakters ist ebenso der Name eines Simon & Garfunkel Songs.
Während insbesondere Hot Fuzz und Shaun of the Dead visuelles Storytelling demonstrieren, das Handlung mit schlauen Schnitttechniken synchronisiert, ist es hier ein eher auditives Storytelling, das Songs und Handlung matcht. Nicht selten sind es Szenen, Sprünge, Bewegungen, ein Spaziergang zum Kaffeeholen oder eine rasante Verfolgungsjagd, die durch Schnitte aber auch manchmal durch schiere Planung auf den Bass oder Drum eines Songs matcht. Und das wirkt schon ein bisschen wie Kunst und so als ob Edgar Wright ein weiteres Mal sein Metier gemeistert hat, wo andere nur mit Sex, Drugs und Special Effects um sich werfen. Aber. Ja, es gibt ein Aber. Die Handlung ist ein bisschen mau. So sympathisch Newcomer Ansel Elgort und Lily James auch sind, so sehr einen die Bonny-und-Clyde-angehauchte Story um Buddy (Jon Hamm) und Darling (Eiza González) uns rührt, so badass Jamie Foxx als Bats und Jon Bernthal als Griff sind und so gut auch Stunts, Drifts und die Musik ist, die Geschichte haut einen nicht aus der Kurve (ha, schlechtes Wortspiel). Es gibt zig Momente, in denen man sich fragt wie Baby zu seiner Entscheidung kommt, warum hat er nicht dieses oder jenes Mal anders geholt, seinen oder Deboras Kopf frühzeitig aus der Schlinge gezogen!? Hätte man ihm einen Zwiespalt angemerkt, hätte man es auch nachvollziehen können.
Baby Driver, USA/UK, 2017, Edgar Wright, 113 min, (7/10)
„BABY DRIVER – Official International Trailer (HD)“, via Sony Pictures Entertainment (Youtube)
Habt ihr den Film schon gesehen? Oder plant es noch? Falls schon gesehen, wie hat er euch gefallen? Ging der Soundtrack euch auch so ins Ohr? Was haltet ihr von dem Film verglichen mit früheren Edgar Wright Filmen? Was ich oben nicht erwähnt habe, aber dem Film trotzdem hoch anrechne, ist dass er ein bisschen Awareness schafft für Menschen, die taub sind oder von Tinitus betroffen. Weitere Beobachtungen: ich habe mich gefragt, wann er mal so richtig gegen einen Laternenpfahl läuft oder so. Ich bin auch einer von der Fraktion, die draußen nur mit Kopfhörern rumlaufen und meine Eltern sprechen nicht selten Warnungen aus. Außerdem sei noch eine Warnung angebracht: wer den Film im Original schauen möchte, sollte auf Untertitel bestehen. Wir haben es gewagt und sind an Jamie Foxx gescheitert. Ich wäre überrascht, wenn es 40% seiner Sätze sind, die ich verstanden habe. Street Slang. Sehr sympathisch ist auch, dass Edgar Wright in zahlreichen Tweets die vielen Stunt-Fahrer gewürdigt hat.
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