Daraus mache ich gar keinen Hehl: ich bin ein „Phantastische Tierwesen“-Verweigerer. Dachte ich zumindest. Nachdem der erste „Phantastische Tierwesen“-Film mit Eddie Redmayne in der Rolle des Newt Scarmander (aber nicht wegen Eddie Redmayne) den Charme der Harry-Potter-Filme vermissen ließ, wollte ich mich der Filme verweigern. Da gab es natürlich das überraschende Auftauchen Grindelwalds, aber Johnny Depp in der Rolle ließ mich etwas stirnrunzeln und die Amerikanisierung des ersten Teils … och nö. Und dann wurde Jude Law als junger Dumbledore gecastet. Vielleicht bin ich deswegen doch in den Film gegangen. Vielleicht war ich auch neugierig auf Johnny Depps „Grindelwald“. Was aber sicher ist: Die Review ist wie immer spoilerfrei.
Nach den Geschehnissen in den USA soll der gefährliche Zauberer Gellert Grindelwald (Johnny Depp) dem britischen Zaubereiministerium ausgeliefert werden, wobei ihm die Flucht gelingt. Das alarmiert die Zauberergemeinschaft genauso wie die Nachricht, dass Credence Backbone (Ezra Miller) sehr wohl noch lebt. Er soll sich in Paris aufhalten und dort auf der Suche nach seinen Wurzeln sein. Währenddessen hat Newt Scamander (Eddie Redmayne) Ausreisestopp und ist auf die Gunst des Zaubereiministeriums angewiesen, wenn er seine Forschung weiter vorantreiben möchte. Sein Bruder Theseus (Callum Turner) ist Auror und versucht einen Deal für Newt rauszuschlagen. Er soll ihm helfen Credence aufzuspüren, der als gefährlich und unberechenbar eingestuft wird und holt sich eine Absage von Newt ab, der vorgibt auf keiner Seite zu stehen: weder für noch gegen irgendwen oder irgendetwas. Als dann aber Albus Dumbledore (Jude Law) auf ihn zukommt, kann er aus Pflichtgefühl nicht absagen und findet in Paris nicht nur Tina (Katherine Waterston), Queenie (Alison Sudol) und Jacob (Dan Fogler) wieder, sondern auch eine sich langsam aufbauende, bedrohliche Verschwörung, die sich gegen Muggel richtet.
„PHANTASTISCHE TIERWESEN: GRINDELWALDS VERBRECHEN – Offizieller Teaser Trailer (2018)“, via Warner Bros. DE (Youtube)
Betrachtet man Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen ganz allgemein, ist es ein klassischer „zweiter Film“ einer Trilogie. Er knüpft an den ersten an, der meistens davon profitiert, dass „etwas großes neues“ beginnt und deswegen spannend ist. Andererseits bereitet er das große Finale vor, das meistens auch spannend ist. Aber Nach- und Vorbereitung ist eine undankbare Aufgabe und „zweite Filme“ meistens nicht so spektakulär oder gar langweilig. Manchmal entsteht der Eindruck auch nur deswegen, weil es am Ende des zweiten Teils eben nicht zu dem großen Finale kommt auf das alle warten und unzufrieden aus dem Kinosaal gehen, weil man doch mehr Fortschritt sehen wollte und jetzt noch x Jahre auf das große Finale warten muss. Zweite Filme haben es schwer und dieser besonders. Geht man mit dem Wissen in den Film, dass der Kampf zwischen Grindelwald und Dumbledore gar nicht in diesem Film stattfinden kann (denn sonst gäbe es wohl keinen dritten mehr), dann wird man weniger enttäuscht. Aber auch so ist Grindelwalds Verbrechen eher ein schlecht geschriebener Vertreter unter den unglücklichen „zweiten Filmen“, da er besonders formelhaft ist und wie auch bereits der erste Teil der Trilogie viele Eigenschaften vermissen lässt, die die Harry-Potter-Filme groß gemacht haben. Mit formelhaft ist v.A. der große Twist über Credences Herkunft gemeint und die sehr vorhersehbare Handlung. Wer weiß nicht bereits zu Beginn des Films, dass Grindelwald versuchen wird Credence auf seine Seite zu ziehen und dass sich der von der Welt geschundene und verratene Credence wahrscheinlich wirklich eher zu Grindelwalds Gedankengut hingezogen fühlt? J. K. Rowling hat das Drehbuch beigesteuert und hier leider nicht viel mehr getan als eine Eingangs- und eine Ausgangssituation auf die denkbar einfachste und naheliegendste Art miteinander zu verbinden. Und ja: das sage ich obwohl es einen Twist bezüglich Credences Familie gibt.
Ein großes Problem der Filmreihe, dass sich besonders schmerzhaft in diesem Teil äußert, ist das Auftreten von Charakteren des Harry-Potter-Universums, die zwar interessant, aber deren Auswahl beliebig ist. So tritt Nicolas Flamel (Brontis Jodorowsky) auf, der in Der Stein der Weisen eine Rolle spielte, allerdings mehr in Form von Name-Dropping. Selbstverständlich will man Nicolas Flamel mal sehen! Zu dumm nur, dass er quasi eine Deus ex Machina ist und ansonsten kaum 2 Minuten auftritt, aber den Tag retten darf. Da ist fast das Aufdröseln der Lestrange-Familiengeschichte spannender und man muss hoffen, dass Flamel noch eine wirkliche Geschichte auf den Leib geschrieben bekommt und nochmal im dritten Teil auftreten darf, ansonsten ist das eine fast unwürdige Inszenierung, die eben kaum über Name-Dropping hinausreicht. Das gilt für zahlreiche Charaktere (andere Beispiele Newts Assistentin, Nagini, unvm) und auch das World Building innerhalb des Films hinkt. Es treten ständig Effekte, Ideen, Events, Personen auf, die keine Erklärung oder Hintergrundstory bekommen oder zuviel davon. Beispiel: als Grindelwald seine Gefolgschaft zusammenruft, legen sich schwarze Schleier über Paris. Dass diese eventuell nur von Zauberern gesehen werden, kann man sich schön selber zusammendichten. Warum sollten sie aber dem Schleier folgen? Es wirkt keine Stimmung erzeugt, die verdeutlicht, dass Grindelwalds Einfluss bereits etabliert ist. Anderes Beispiel: Leta Lestrange (Zoë Kravitz) und ihre Familiengeschichte. Da kann man vor lauter auftauchenden Brüdern, gestorbenen Brüdern etc schon mal den Überblick verlieren. Die Figur der Leta hätte man früher etablieren sollen, da auch sie wie eine Deus ex Machina wirkt, deren Familiengeschichte plötzlich immens wichtig wird. Als ob es nicht noch ein paar Zaubererfamilien mehr gibt … . Davon mal abgesehen fehlt dem Film sehr stark die Schrulligkeit des Universums, in dem es eigentlich spielt. Jude Law ist ein gut-aussehender, cleverer Dumbledore. Ein man möchte sagen sehr vorteilhafter Dumbledore. Aber was ist mit dem Humor, der dem Charakter anhaftet? Es ist nicht ganz fair und korrekt die „Phantastische Tierwesen“-Filme mit den „Harry Potter“-Filmen und -Büchern zu vergleichen. Es sind andere Themen, andere Zeiten, andere Medien. Aber sie spielen im selben Universum und so ist es leider fakt, dass sich trotz Zauberstäben und Zaubereiministerium die Filme nicht mehr nach der Welt von Albus Dumbledore anfühlen. Denn der ist einer, der sich Socken zu Weihnachten wünscht.
Halten wir also fest, dass der Film formelhaft ist, die Handlung dünn und das Franchise wird für die Augen (sehr) anspruchsvoller Fans nicht wirklich gut bedient. Was ist dann an dem Film noch so gut, dass er immerhin ein paar Punkte bekommt? Zum Einen kann man nicht abstreiten, dass der Film gut unterhält. Zum Anderen rettet Komik den Film. Witzige Momente mit den goldigen Nibblern und Newts Versuchen Tinas Herz zu gewinnen, lockern die Stimmung auf und was Zuschauer rührt oder zum lachen bringt, erkämpft sich meistens einen Platz in ihrem Herzen. Sei es auch nur das goldige Kindchenschema von Newts neuestem katzenhaften Familienmitglied, das sich über klingelndes Spielzeug mindestens so sehr freut wie seine kleinen und friedvolleren Verwandten, die Hauskatzen. 😉 Der Kniff Queenie und das Thema „Zauberer und Muggel dürfen nicht heiraten“ sowie die Kriege der Weltgeschichte als Ansatz dafür zu nehmen, dass die Beziehung zwischen Muggeln und Zauberern eine Reformation benötigt, ist tatsächlich kein schlechter Gedanke. Ich wäre als Zauberer auch sehr genervt davon, dass die Menschen ständig säbelrasseln und schlimme Kriege anzetteln. Ich bin auch als Mensch aktuell sehr genervt davon und traurig darüber. Grindelwald nutzt wie so mancher Politiker die Unzufriedenheit der Leute, um populistisches Gedankengut zu verbreiten, packt noch etwas Angst und Unsicherheit dazu und hat seine Wähler gewonnen. Moment, ist Queenie jetzt AFD-Wählerin?? Sowas in der Art. So schnell kann es gehen. Damit trifft der Film tatsächlich einen gewissen zeitgeschichtlichen Nerv. Es wäre nur noch offensichtlicher, wenn Grindelwald orangefarbene Gesichtshaut hätte 😉 Worauf ich mich persönlich sehr gefreut habe, wäre ein Aufeinandertreffen Grindelwalds und Dumbledores oder zumindest ein paar Hinweise über ihre Beziehung. Zumindest letzteres wird adressiert. Es wäre ein schöner Kniff und eine Verneigung vor der LGBT-Community gewesen, wenn man sich mal getraut hätte direkt zu sagen: ja, er hat ihn geliebt! Oder er liebt ihn immer noch! Aber da ist man wieder einmal etwas zaghaft um niemanden zu verärgern. Trotzdem kann Jude Law wirklich wunderbar bitter schmachtend in den Spiegel Nerhegeb schauen. Also: dazu erhoffe ich mir mehr im dritten Teil. Was ebenso Rätsel aufgibt, ist wie sich der dritte Teil gestaltet. Immerhin spielt Teil 2 im Jahr 1927 und irgendwann wird im Potter-Universum erwähnt, dass Dumbledore Grindelwald 1945 besiegt hätte. Somit ist der Showdown des dritten Teils vielleicht im zweiten Weltkrieg angesetzt, was für die Charaktere aber bedeutet, dass fast zwanzig Jahre vergehen. Ob sich das für den Zuschauer auch so anfühlt?
Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen (OT: Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald), UK/USA, 2018, David Yates, 134 min, (6/10)
Ich habe es tatsächlich vermieden mir bisher die Reviews und Besprechungen aus der Blogosphäre anzuschauen oder anzuhören, hole das jetzt nach und bin besonders gespannt wie eure Meinung ist. Seid ihr zufrieden mit dem zweiten Teil der Trilogie? Wie steht ihr eigentlich zu dem Verhältnis Phantastische Tierwesen und Grindelwald? Gelingt die Verknüpfung dieser beiden Themen für euren Geschmack gut? Und wie steht ihr zu Johnny Depp als Grindwald? Und überhaupt – erzählt mir alles. 🙂 (Spoiler bitte vermeiden oder kennzeichnen aus Respekt vor anderen Lesern, die den Film vielleicht noch nicht gesehen haben.)
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