Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Avengers: Endgame“

Üblicherweise schreibe ich mir auf die Fahne spoilerfreie Reviews zu schreiben. Wie macht man das bei diesem Film? Wo zig Vermutungen kursieren wie die Avengers Thanos bekämpfen, seinen verheerenden Snap eventuell sogar rückgängig machen? Ich versuche es mal spoilerfrei. Eins geht aber so oder so leider nicht: nicht spoilerfrei für Avengers: Infinity War

Whatever it costs

Nach den Geschehnissen des Infinity War stehen die verbliebenen Avengers vor einem Scherbenhaufen. Das unvermeidliche ist passiert, sie haben es nicht noch einmal geschafft die Welt zu retten. Die Statistik war von Anfang an gegen sie und Thanos hat sie empfindlich getroffen. Mit einer aus seiner Sicht „edlen Geste“ hat er die Hälfte aller Lebewesen vernichtet. Darunter auch die Familien der Avengers und einige Avengers selber. So wird der Zuschauer noch auf grausige Weise rückblickend Zeuge wie Clint Bartons/Hawkeyes (Jeremy Renner) Familie während eines idyllischen, sonnigen Tages zu Staub zerfällt. Kurz darauf tritt Captain Marvel (Brie Larson) auf und rettet Tony/Iron Man (Robert Downey Jr.) und Nebula (Karen Gillan), die im All gestrandet sind. Den verbliebenen Avengers bleibt aber nichts übrig als ihr Scheitern zu akzeptieren. Es gibt einen Zeitsprung, der beweist, dass sie selbst nach fünf Jahren das Geschehene nicht verarbeitet haben. Tony und Pepper (Gwyneth Paltrow) haben sich zur Ruhe gesetzt und den Kontakt zu den Avengers abgebrochen. Steve Rogers/Captain America (Chris Evans) leitet eine Selbsthilfe-Gruppe, kann sich aber im Grunde kaum selbst davon überzeugen „weiterzumachen“. Natasha/Black Widow (Scarlett Johansson) koordiniert die ehemaligen Avengers und sucht verzweifelt Clint, der inzwischen als „Ronin“ brutal Kriminelle in Selbstjustiz lyncht. Und dann steht eines Tages der als Opfer des „Snap“ erklärte Scott Lang/Ant-Man (Paul Rudd) vor Natashas Tür und gibt zu verstehen, dass er eine Theorie hat wie man die Katastrophe von vor fünf Jahren beheben kann. Es gilt den Plan umzusetzen und dafür die in alle Himmelsrichtungen verstreuten Avengers wieder zusammenzuführen.

„Marvel Studios‘ Avengers: Endgame – Official Trailer“, via Marvel Entertainment (Youtube)

Elf Jahre …

Sich im MCU auszukennen ist inzwischen unvermeidlich geworden. Gelang es in Phase 1 noch ganz gut, in Phase 2 auch relativ, so ist es inzwischen fast unmöglich geworden alles zu verstehen, wenn man bestimmte Filme nicht gesehen hat. Ein nicht unwesentliches Beispiel: Fehlt einem beispielsweise Ant-Man and the Wasp (inklusive der Mid-Credits-Szene), so entgehen einem signifikante Details. Wo war Scott Lang in Infinity War? Warum taucht er jetzt auf? Das wird zwar erwähnt und man kann es hinnehmen, aber Fragezeichen bleiben. Das Stirnrunzeln zu diesem Merkmal des MCU wurde im Laufe der Zeit immer größer, die Falten immer tiefer und jetzt kann man es inzwischen kaum noch leugnen, dass die MCU-Formel ähnlich verworren wie die Comic-Timeline ist. Wo bin ich gerade und wenn ja, wieviele? Natürlich gilt immer: das ist auch vom Zuschauer abhängig. Fragen, die bei mir bleiben, sind: wurde in Infinity War nur die Erdbevölkerung dezimiert oder auch das gesamte Weltall? Wenn ja: warum hat Captain Marvel dann nicht früher mitbekommen, was Sache ist? (Würde ja die Chronologie der Film sprengen, Duh.) Wenn nein: warum waren dann in Infinity War Spidey, Strange und andere vom Snap betroffen? Laut Trailer und diversen Zusammenfassungen wurden alle Lebewesen um die Hälfte dezimiert. Die große Auflösung wie die Avengers gegen Thanos und die Folgen seines verheerenden Snap vorgehen ist besser gelungen als erwartet. Damit es möglichst wenig an der „Machbarkeit“ anzuzweifeln gibt, hat man die Erklärung allerdings im Film vorweg genommen. Hat geklappt, fühlt sich nur seltsam für den emanzipierten Cineasten an. 😉 Und ein paar Fragen bleiben – siehe unten.

Eine Leistung, die man dem Film nicht abstreitig machen kann ist aber wie hier ein elf Jahre bestehendes Franchise zu einem (soviel kann ich schon sagen) runden Ende geführt wurde. Nicht nur, dass gefühlt alle Charaktere in irgendeiner Form erwähnt werden, sie bekommen sogar zum Großteil Dramaturgie und Entwicklung, selbst wenn es nur eine halbe Minute „Screen Time“ ist. Mir fehlt schmerzhaft Paul Bettanys Charakter Vision, was nicht heißt, dass seine Geschichte nicht wenigstens mit einer Line behandelt wurde. Säße man mit einer Checkliste da, man könnte sie wohl alle abhaken. Vielleicht aber nicht für alle Zuschauer in zufriedenstellendem Ausmaß. Der Cast ist enorm – es sind so um die 40 Haupt- und Nebenrollen, wobei der Fokus auf den alteingesessenen Avengers liegt. Die große Auflösung beinhaltet nebenbei eine filmische Reise durch alle Phasen des MCU und sorgt für reichlich Fan-Service. So sehen wir beispielsweise einen dicken Thor mit PTSD. Überraschung: das macht den Film lustiger als erwartet. Während ich für den comic relief dankbar war, kann ich mir aber vorstellen, dass die Auflockerung nicht für jeden etwas ist. Außerdem stellt sich durch die Länge des Films auch das Gefühl ein, dass es etwas zuviel Hommage und zu wenig Fortschritt der Handlung ist. Drei Stunden sind viel für die menschliche Wahrnehmung und die Aufnahmefähigkeit. Und dass noch ohne Pause in den deutschen Lichtspielhäusern. Und wenn man dann Teile von früheren Filmen nochmal miterlebt, wird der eine oder andere Zuschauer sicherlich müde. Schuld an dem Umstand ist aber auch die Bemühung eine sinnvolle Lösung für die Katastrophe zu finden und alle damit verbunden Wenns und Abers einzudampfen. Ist das gelungen? Im Großen und Ganzen: ja.

Avenge the fallen

Hier schreibt jemand, der Superheldenfilme eigentlich satt hat. Aber selbst ich kann mich der Epic-ness nicht verweigern mit der eine Reihe von Filmen und Charakteren zusammengeführt wird und eine elfjährige Reise endet. Meine Bewertung sollte ausdrücken wie gut mir ein Film gefallen hat – losgelöst von einem aktuellen Hype oder dem Bewertungen verzerrenden Adrenalinrausch nach Action-Blockbustern. Daher habe ich ein paar Tage gewartet, bevor ich auf das digitale Papier bringe, was ich denke. Endgame ist ein besseres und vor Allem besser konstruiertes Ende für die Phasen 1-3 des MCU als ich erwartet habe. Es macht nicht alles 100% Sinn, es gefällt mir nicht alles gut. So finde ich die Rolle Captain Marvels sehr gering für das Ausmaß ihrer Fähigkeiten. Manche Witze sind nach drei Stunden Kino auch einfach nicht mehr witzig. Aber es ist insgesamt rund. Quasi alle Charaktere bekommen immerhin ein Mindestmaß an Anerkennung. Screen Time oder Entwicklung. Viele dramaturgische Fäden greifen besser ineinander als ich erwartet hätte. Die Abmischung aus Drama und Comic Relief gelingt für meinen Geschmack gut. Die Action ist ziemlich over the top – es ist gibt Momente, die kann man so nur in einem MCU-Film sehen. Ich denke da an Ant-Man, der auf der Schlachtfeld in Big-Size auftaucht und den Pegasus. Wo sonst funktioniert das? Aber es funktioniert. Es ist ein hoher Preis an die dreißig Filme zu machen und elf Jahre einen Film vorzubereiten. Auch wenn es nicht mein Lieblingsfilm ist, muss man einfach sagen: was für ein Feuerwerk und was für ein Showdown! Man muss Endgame nicht mit anderen Filmen messen und Maßstäbe des Autoren- oder Indie-Kinos ansetzen. Es ist Eskapismus, es ist laut, lang und bunt. Und es ist besser als erwartet.

Avengers: Endgame, USA, 2019, Anthony Russo/Joe Russo, 182 min, (9/10)

Sternchen-9

Wie habt ihr den Film empfunden? Hat er euch gefallen? Wurde eure Theorie gar behandelt? (Bitte Spoiler vermeiden oder in den Kommentaren deutlich markieren). Meine zu 50%. Natürlich stellt sich nach so einem Ereignis die Frage, wie es für das MCU weitergeht. Zwar sind weitere Filme angekündigt, aber bringen die es noch? Ist das MCU mit Endgame nicht auch irgendwie vorbei und nicht mehr zu toppen? Und apropos menschliche Wahrnehmung und Filme in Überlänge ohne Pause: 3 Stunden 3D und fliegende Schilder von Captain America haben bei mir dafür gesorgt, dass ich Migräne bekommen habe. „Kino, das weh tut.“ Zuletzt noch etwas erfreulicheres: es gibt ein Easter Egg in Google! Tippt mal „Thanos“ ein und klickt dann auf den Handschuh. Ein Lösungsansatz, der im Film leider nicht verfolgt wurde und der mir gerade in den Sinn kam: wenn die Avengers in die Vergangenheit zurückreisen könnten und verhindern würden, dass Visions Infinity-Stein gestohlen wird, dann wäre die Sache auch geritzt, oder? Hätte vielleicht auch weniger Opfer gekostet. Naja. Es gibt wohl viele Theorien … . Apropos Theorien. Wer den Film schon gesehen, findet hier eine Auflistung von einigen Bauchschmerzen-verursachenden offenen Fragen, die nach dem Film bleiben oder auch Futter für kommende Filme geben (absolut nicht spoilerfrei).

6 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich fand ihn auch toll. Am Ende war es das passende Finale zur Marvel-Serie, das einen schönen Bogen geschlagen hat und noch einmal alles mit einander verknüpft.

    Es ist schon eine kleine Meisterleistung, diese ganzen Verweise so gekonnt unter einen Hut zu bekommen.

    Von mir aus könnte es das dann jetzt auch gewesen sein mit dem MCU.

  2. Ich habe ihn noch nicht gesehen, habe es aber vor.
    Mich beschäftigt aber noch was anderes. Bin ich eigentlich die Einzige, die so gar kein Problem mit spoilern hat? Also ich respektiere das natürlich bei anderen. Aber ich selbst finde Spoiler gar nicht schlimm. Hab gemerkt, wenn es was positives ist was gespoilert wird, freue ich mich mehr. Ist es was doofes, hab ich mehr Zeit mich drauf vorzubereiten 😉

    Gibt es noch andere die mit Spoilern gut leben können, oder ist das vielleicht meine Superpower? 😉

    Liebe Grüße…

  3. Ich kan deinem letzten Absatz vollkommen zuständig. Ich hatte das über weite Strecken zu einfallslose MCU auch ziemlich satt und bin jetzt mit dem gelungenen Abschluss sehr zufrieden.
    Meine Filmkritik: https://www.kino.vieraugen.com/kino/avengers-endgame/

  4. Also ich hab den Beitrag nicht gelesen – wäre wohl auch nicht hier gelandet, wenn ich nicht bei twitter auf den Kommi gestoßen wäre 😛

    Man müsste die Frage stellen: wo fangen Spoiler an und wo hören sie auf?
    Ich schaue aktuell GoT, weil ich nicht gespoilert werden möchte. Warum? Ich möchte nicht wissen wer stirbt, ich möchte nicht wissen, wer auf dem Thron landet, ich möchte überrascht werden und die Spannung sowie Überraschung/Enttäuschung voll spüren.
    Es sind halt diese Wendepunkte, die ich nicht vorab wissen will.

    In Kritiken zu Filmen geh ich davon aus, dass kein Spoiler enthalten ist, es sei denn man schreibt vorab, dass man mehr in die Tiefe geht. Dann les ich den Beitrag eben danach 😀

  5. […] 4 einläuteten. Die Besprechungen sind spoilerfrei, nicht aber falls ihr Avengers: Infinity War und Avengers: Endgame noch nicht gesehen […]

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