Als Kind habe ich tatsächlich davon geträumt, dass es mal einen Pokémon-Realfilm geben wird. Viele Jahre später (wo ich nun nicht mehr von einem Traum reden würde 😉 ) hat sich jemand dieser schwierigen Aufgabe gestellt und genau das gemacht, was ich mir erhofft habe: keinen Zeichentrickfilm, sondern einen einen Mix aus Life-Action und 3D-Animation. Wahrscheinlich der einzige 3D-Animationsfilm auf den ich gehofft habe. Ja. Ich bin dafür ins Kino gegangen und ich stehe dazu. Ein bisschen Spaß muss ein. 🙂 Und wie war er nun? DER Pokémon-Film? Review ist spoilerfrei.
Ryme City ist ein Ort, an dem Pokémon und Menschen in Einklang leben können. D.h. Trainer „halten“ ihre Pokémon nicht in Pokébällen gefangen und die Pokémon bewegen sich so frei durch die Stadt, was ein kunterbuntes Durcheinander ergibt. Relaxos, die mitten auf der Kreuzung pennen und Tauboga, die durch die Wolkenkratzerlandschaften schwirren. Tim (Justice Smith) könnte sich bestimmt einen schöneren Anlass vorstellen können, um die Stadt zu besuchen – sein Vater sei überraschend im Polizei-Einsatz gestorben. Eine Leiche gibt es aber nicht. Als er dessen Wohnung betritt, trifft er dort ein ziemlich munteres Pikachu (gesprochen von Ryan Reynolds), dass sich als der Pokémon-Partner seines Vaters zu erkennen gibt und nicht daran glaubt, dass der tot ist. Das wohl verrückteste ist aber, dass Tim Pikachu verstehen kann. Nicht nur „pika pika“ und so. Und obwohl Tim skeptisch ist und nicht weiß, warum er mit dem gelben Plüschmonster so selbstverständlich reden kann, willigt er ein den angeblichen Tod seines Vaters zu untersuchen.
„POKEMON: Meisterdetektiv Pikachu Trailer German Deutsch (2019)“, via KinoCheck (Youtube)
Eins der Dinge, auf die ich niemals eine Wette abgeschlossen hätte, ist dass Pikachu mal von Ryan Reynolds gesprochen wird. Und zumindest für mich passt das Casting nicht so ganz. Davon mal abgesehen ist Meisterdetektiv Pikachu ein schöner Familienfilm, der sowohl für die kleinen als auch die großen (als auch die „alten“) einen angenehmen Humor trifft. Er streut genug Anspielungen und manchmal auch derben Humor, sodass ich mich als über 30-Jährige nicht gelangweilt habe. Fest steht aber wohl, dass man Pokémon-Referenzen der zumindest ersten Generation verstehen muss. Falls nicht, fragt man sich zwangsläufig, warum alle so davor Angst haben, dass das dusselig wirkende Enton nervös werden könnte oder warum der rosa Fellball so wütend wird als jemand in der Bar bei seinem Gesang eingeschlafen ist. Es schwirren auch Pokémon der späteren Generationen dort rum, aber die nicht zu kennen, ruft auch nicht viele Fragen auf. So oder so hat man aber deutlich mehr Spaß (oder überhaupt Spaß), wenn man Pokémon kennt. Der Nostalgie-Faktor tut sein übriges.
Und das wurde richtig gut umgesetzt! Im Soundtrack hört man einige Anlehnungen an klassische 8-Bit-Gameboy-Sounds aus dem Score der alten Spiele, Pikachu/Reynolds stimmt selber mal den Song der ersten Staffel aus dem Anime an, die Easter Eggs sind gewaltig in der Anzahl und das Auftreten von Mewtu sorgt für eine schöne Hommage an den ca. zwanzig Jahre(!) zurückliegenden ersten Animationsfilm. Und wem das noch nicht ausreicht, der kann Pokémon-Spotting spielen und mal Checkliste führen, welche Pokémon einen Auftritt im Film hatten. Aber Achtung: im Hintergrund wuseln so viele rum, dass das eine spannende Aufgabe wird. Und damit ist es immer noch nicht getan, denn der Film hat die eine oder andere Referenz auf andere „Meisterwerke“ des Unterhaltungskinos. Wer gut aufpasst, findet so eine deutliche Hommage an Kevin allein Zuhause (Home Alone) und Tim Burtons Batman. Ob man letzteres aber noch als Hommage sehen kann oder sang- und klanglosen Ideenklau im große Finale, bleibt den Zuschauern überlassen.
Als Hommage an Pokémon ist der Film also wirklich gut. Pikachu und die anderen sind entweder ordentlich flauschig oder bekommen einen Hauch Realismus, der sie etwas bedrohlicher wirken lässt (beispielsweise Glurak). Und damit allein macht der Film sicherlich schon sein Einspielergebnis. Wie übrigens vor Kurzem bekannt wurde als bisher erfolgreichster Live-Action-Film basierend auf einem Videospiel. Die Handlung wird es jedenfalls nicht sein, die die Zuschauer ins Kino treibt. Leider bleibt die nämlich sehr oberflächlich. Der Twist ist sehr vorhersehbar (und leider sehr albern) genauso wie die Handlung allgemein. Dafür aber kinderfreundlich verfolgbar und von denen sicherlich auch leichter zu akzeptieren. Ein stattdessen größeres Manko ist für mich, dass die Geschichte von Tim und seinem Vater sehr schwach ausgebaut ist. Tim hat seit dem Tod seiner Mutter und der scheinbar vorhergehenden Trennung der Eltern den Vater gemieden, aber konkrete Gründe werden dafür nicht genannt. Das ist deswegen eine schwere Grundlage, weil die Vater-Sohn-Beziehung quasi der Aufhänger für den ganzen Film ist. Aber das fällt wahrscheinlich auch nur den Zuschauern auf, die sich nicht einzig und allein davon ablenken lassen wie flauschig Pikachu ist. 🙂 Alles in allem ein netter Unterhaltungsfilm und trotz der einfach gestrickten Handlung recht unterhaltsam.
Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu (OT: Pokémon: Detective Pikachu), USA/Japan, 2019, Rob Letterman, 104 min, (7/10)
Habe ich es bereut den Film angeschaut zu haben? Nein. 🙂 Wenn schon mal etwas ins Kino kommt, das so stark in meiner Kindheit verankert war, dann darf man sich auch nochmal einen Kinobesuch lang wie ein Kind fühlen. Obwohl Reynolds ja selber den Link zum geleakten Video auf Youtube geteilt hat 😉 Habt ihr den Film schon gesehen? Wie hat er euch gefallen? Und wie irre wirkt es wohl, wenn man Pokémon gar nicht kennt?? Was übrigens sogar sehr schlau ist und ein wenig zum Kontext der jüngeren Filme passt ist die Note, dass Pokémon hier lediglich freiwillig kämpfen oder zur Selbstverteidigung oder in illegalen(!) Untergrundkämpfen. Es gibt keine regulären Trainerkämpfe in denen Pokémon (legal) eingesetzt werden um sich zu messen. Eine Kritik, die das Franchise schon länger versucht abzuschütteln: einerseits Pokémon als beste Freunde zu deklarieren und sie andererseits in Kämpfe schicken. Und noch ein Easter Egg: wer aufpasst, sieht den Spiele-, Anime- und Manga-Charakter „Rot“ bzw. „Ash“.
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