angelesen: „Der Gourmet – Von der Kunst allein zu genießen“ Bd. 1, „20th Century Boys“ Perfect Edition Vol. 3 & meine“Gratis Comic Tag“-Ausbeute

Eigentlich war ich schon drauf und dran zu Taniguchis „Der Gourmet“ eine „normale“ Buchbesprechung zu schreiben – vollkommen im Glauben, dass es sich bei dem Manga um einen Einzelband handeln würde. Da lese ich doch tatsächlich, dass es einen zweiten gibt. Also scheint die Reise des Geschäftsmannes und Gourmets noch weiterzugehen und ist eher der Fall eines „angelesenen“ Manga. Auch gut. Außerdem ging es für mich mit dem Re-Read einer meiner Lieblings-Mangaserien „20th Century Boys“ weiter. Von meiner lieben Freundin und Bloggerkollegin Kathrin habe ich vor einigen Monaten total überraschend den dritten Band als Geschenk geschickt bekommen und mich sehr gefreut! ♥ An der Stelle nochmal ein großes, großes Dankeschön! 😀 Und noch eine Spoilerwarnung: ich vermeide große Offenbarungen, aber milde Spoiler können bei Folgebänden („Nicht-Band-Eins“) vorkommen.

„Der Gourmet – Von der Kunst allein zu genießen“ Bd. 1, Jirō Taniguchi & Masayuki Kusumi

Ewig schon hatte ich vor Taniguchis Der Gourmet zu lesen und wusste auch, dass es mehrfach in eine TV-Serie adaptiert wurde. Dass es aber einen zweiten Band gibt, war mir vollkommen neu. Übrigens heißt die Reihe im Japanischen 孤独のグルメ („Kodoku no Gurume“), auf Deutsch: „der einsame Gourmet“. Das gibt den Inhalt auch ganz gut wieder. Der Manga handelt von dem Vertreter Gorō Inogashira, der für seinen Beruf eben viel unterwegs ist und die meiste Zeit auch allein zwischen all den anderen japanischen サラリーマン „Salary Man“ in ihren Weiß-Schwarzen Anzügen. Zu Beginn des Manga beschließt er bewusster zu leben in dem Sinne, dass er die kleinen Pausen genießen und gut essen will. So traut er sich immer öfter alleine essen zu gehen und beliebte Lokale aufzusuchen oder der einen oder anderen örtlichen Delikatesse nachzujagen. Man darf vermuten, dass der Manga damit etwas „Slice of Life“-ig daherkommt. 🙂 Taniguchi hat recht viele Stoffe der Art gezeichnet, oftmals lieferte die Geschichte ein Autor wie in diesem Fall Masayuki Kusumi. Und wie bei anderen Zusammenarbeiten mit Kusumi war es mir hier tatsächlich etwas zu seicht und still. Das muss man als Leser abkönnen.

Die meiste Zeit ist es recht in Ordnung und bildet ab wie man sich fühlt, wenn man alleine essen geht (anfangs etwas seltsam, man gewöhnt sich aber dran) und man bekommt viel über japanische Spezialitäten und typische Speisen mit. Der Manga kann einem ziemlich den Mund wässrig machen. Passenderweise steht am Anfang des Kapitels meistens in welchem Stadtteil und welcher Stadt das Lokal zu finden ist. 😉 Obwohl ich nicht davon ausgehen würde, dass alle Lokale noch da sind.

Witzig ist wie der „einsame Gourmet Gorō“ sich beispielsweise mal in ein Lokal verläuft und sich so platzieren muss, dass aber die Bedienung ihn nicht sehen kann, wenn er versucht zu bestellen. Oder er sich wundern muss, warum während einer bestimmten Tageszeit nur Frauen mittleren Alters zu Gast sind. Wenn aber eine Anekdote seiner Vergangenheit angerissen wird und andeutet, dass eine tiefe Liebesbeziehung zu einer Frau einst mal in die Brühe ging, dann will man eigentlich mehr wissen. Aber schwups konzentriert sich Gorō wieder ganz auf die Straßen Japans und sein Essen. Das ist an manchen Stellen etwas zu wenig Tiefgang, verglichen zu anderer Lektüre aber auch mal eine willkommen Abwechslung. Situationsabhängig. Was sich Carlsen an der Stelle (wie auch bei anderen, ähnlichen Fällen) nicht verzeihen kann ist, dass Taniguchis Manga auch hier als Graphic Novel verkauft wird, weil der Begriff eventuell schicker ist oder ein anderes Publikum als „den typischen Mangaleser“ anziehen soll. Was auch immer der typische Mangaleser ist. Menschen sollten ruhig lernen, dass Comics und Manga vielschichtig sind und nicht hinter fancy Begriffen wie Graphic Novel versteckt werden. Und dass Der Gourmet gespiegelt ist – hey, ich dachte, dass wäre eine Taktik der 80er Jahre, hm? Nicht cool.

„20th Century Boys“ Perfect Edition Vol. 3, Naoki Urasawa (engl. Ausgabe, VIZ)

Nachdem Kenji als Terrorist verunglimpft wurde, ein gesuchter Mann ist und längst im Untergrund lebt, wird der Einfluss von Freund umso deutlicher. Es werden noch mehr Fake-News über ihn und seine „Terrororganisation“ verbreitet, bei der es heißt, dass sie eine immense Menge an Schusswaffen und Explosivstoffen hätten. Tatsächlich bereitet sich die Gruppe von echten Freunden, die Kenji um sich geschart hat, auf das äußerste vor: einen Angriff auf Freund über seinen treuen Gefolgsmann Manjoume. Währenddessen bricht aber die Hölle los und Freund setzt den lange geschmiedeten Plan um, der wie der Leser hier erfährt später als Bloody New Years Eve bekannt werden wird. Urasawa as it’s best – er ist ein schlauer Erzähler und versteht sein Handwerk. Wo der Leser gespannt darauf wartet zu erfahren, was mit unseren Helden rund um Kenji und Yukiji geschieht, macht er einen Cut und schwups: Zeitsprung! Über den Ausgang des abends lässt er uns erstmal im Unklaren. Nach und nach wird das eine oder andere Schicksal angedeutet und lässt vermuten, wer damals am Bloody New Years Eve „gewonnen“ hat.

Als ich das erste Mal mit Urasawas Hang zu Zeitsprüngen konfrontiert wurde, war ich gleichzeitig sauer und musste anerkennen und bewundern wie er erzählt, konstruiert und mit den Gefühlen des Lesers spielt. Dieses Mal ist der Effekt nicht so stark, weil ich darauf schon vorbereitet war. Allerdings wurde ich doch überrascht, da ich mich gerade an die Passage, die nach dem Zeitsprung auf uns zukommt, nicht mehr erinnern konnte. Sehr schön, dass Charaktere, denen man viele viele Kapitel zuvor durch Hörensagen begegnete, jetzt einen Auftritt und sogar eine bedeutende Rolle haben. Man merkt, dass dahinter viel Intention und Planung steckt. Besonders freut mich, dass Urasawa den Fokus von einem Helden auf eine Heldin verschiebt. Für 20th-Century-Boys- oder Urasawa-Neulinge kann der dritte Band hart sein, weil man sich wegen des Zeitsprungs vielleicht etwas verschaukelt vorkommt, andererseits ist es ein genialer Schachzug 😉 Und soviel darf ich verraten: es wird noch mehr davon geben.

Ausbeute vom Gratis-Comic-Tag 2019

Am 11. Mai war der bundesweite Gratis Comic Tag bei dem man sich in teilnehmenden Geschäften bundesweit gratis Comic- und Mangahefte holen kann. Dieses Jahr habe ich es endlich auch mal geschafft daran zu denken. In meiner Stadt hat eine ähem, „bekannte Buchhandlungskette“ daran teilgenommen. Sie leben das sicherlich nicht so wie es andere tun, aber hey, immerhin. Die Comics, die man sich abholen kann enthalten so variierend ein bis zwei Kapitel eines Comics oder Manga, also im Schnitt etwas mehr als die klassischen Leseproben. In der teilnehmenden Filiale in der ich war, war es erlaubt drei mitzunehmen. Interessiert hätten mich viel mehr – aber wer wird meckern? 😉

So warf ich einen Blick in den Science-Fiction-Comic Lazarus, der im Splitter-Verlag erscheint. Ziemliches hartes Szenario einer Dystopie, in der „Familien“ ein quasi-feudales System mit strikten Regeln eingeführt haben in dessen Zentrum unsere weibliche, unkaputtbare Hauptcharakterin steht, die an die Grenzen ihrer Moral kommt. Ziemlich badass! Sehr angenehm, dass auch mal eine Frau draufhauen darf. Allerdings bin ich mir noch nicht sicher, ob mich das Grundsetting so anspricht, dass ich weiterlese. Außerdem durfte der Comic Endzeit der deutschen Zeichnerin Olivia Vieweg mit, die auch in der Mangaszene sehr bekannt ist. Der handelt von einer Zombie-Apokalypse in Weimar und Umgebung. Sehr coole Idee mal ein „Heimat“-Setting zu wählen und zu zeigen, dass Schauplätze in Deutschland durchaus was können. Auch das wird für mich aber kein Kandidat zum Weiterlesen, da Olivia Viewegs Zeichenstil für mich persönlich nichts ist und zu unfertig und unausgearbeitet für mich wirkt. Ich mochte aber sehr die gleichzeitig brutale und andererseits melancholische Note der Charaktere. Man merkt in jedem Fall, dass sie großes erzählerisches Talent hat. Und dass der Comic verfilmt wird, ist große Klasse!

Ein Manga durfte auch noch mit, weil mir das Character Design so gut gefiel: Black Torch. Auch der Zeichenstil gefällt mir insgesamt. Tsuyoshi Takaki setzt auf Schwarz und Weiß und wenig dazwischen. Er setzt quasi keine Rasterfolie ein. Hat aber trotzdem eine coole Dynamik, da die Strichführung ein bisschen rau und kritzelig ist – aber auf eine angenehme Art. Der Manga handelt von einem jungen Mann, der mit Tieren sprechen kann und in „Samurai-Ausbildung“ ist.  Als er einen schwarzen Kater rettet, bekommt er von ihm Fähigkeiten übertragen. Ein bisschen wie „Männer-Sailor-Moon ohne Rock“. Viel mehr gibt die Leseprobe nicht her, weswegen ich auch hier unsicher bin, ob ich weiterlese. Nur die coolen Zeichnungen und der Humor sind bei mir besonders hängen geblieben. Wenn ich irgendwas davon weiterlese, dann vielleicht am ehesten den. Aber um ehrlich zu sein habe ich genau deswegen auch die drei Gratis-Comic-Tag-Hefte ausgesucht – ich war mir schon vorher bei ihnen unsicher, ob sie was für mich sind, war aber neugierig.

Ich kann also nur jeden ermutigen bei der Aktion mal reinzuschnuppern und so auf sehr einfachem Wege herauszufinden, ob Manga und Comics was für euch sind. 🙂 Vielleicht habt ihr euch ja sogar auch was geholt? Und wenn ja, was und wie hat es auf euch gewirkt? Und welchen Comic oder Manga habt ihr zuletzt gelesen? Wie steht ihr eigentlich zum Begriff „Graphic Novel“? Und was haltet ihr von gespiegelten Manga?

In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga, Comics und Graphic Novels, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂

Eine Antwort

  1. „Der Gourmet“ ist bei mir seit Jahren abgespeichert als „lese ich irgendwann, aber andere Taniguchi-Titel haben Vorrang“. Der Manga war einer der ersten, die mir damals von Taniguchi im Handel begegneten. Aber so ganz großen Reiz hat er bisher auf mich noch nicht ausgeübt – auch wenn es vermutlich guter Food-Porn ist. 😉
    Zu dem Punkt, dass Carlsen Taniguchi als GN verkauft, ärgere ich mich auch immer wieder. Aber damit fange ich jetzt nicht an, sonst lässt mich das wieder stundenlang nicht los.

    Im dritten Band der „20th Century Boys“ haben mich die Zeitsprünge, wie schon mal erwähnt, gar nicht so arg gestört – auch wenn ich es natürlich schon clever-fies finde, dass die Ereignisse am und unmittelbar nach dem Bloody New Year’s Eve so geheim bleiben. Im zweiten Band hat mich der Zeitsprung dagegen anfangs doch sehr beschäftigt.

    Kanna finde ich übrigens richtig klasse. Was für eine Frau! 😀

    Von Olivia Vieweg hatte ich vor Jahren „Huck Finn“ gelesen, wo sie die bekannte Huckleberry Finn Story neu interpretiert und nach Halle verlegt. Die Idee fand ich cool und wie du mochte ich, dass es mal einen Schauplatz aus der Heimat gab. Auch die Farbgebung von Olivia Vieweg mag ich sehr. Aber abgesehen davon bin ich damals nicht ganz an ihren Stil rangekommem. Bei mir lag das aber weniger an ihrem Zeichenstil, sondern eher daran, wie die Geschichte umgesetzt wurde und dass mir keine der Figuren ansatzweise sympathisch war – im Gegenteil: oft fand ich sie nervig/anstrengend und was mit ihnen passierte, war mir ziemlich egal. Irgendwie hat das auch dazu geführt, dass ich das Interesse an anderen Vieweg-Titeln verloren habe. In „Endzeit“ hatte ich aufgrund der vielen Lobeshymnen mal reingeschaut, konnte mich dieses Mal aber nicht so ganz für die Optik erwärmen und Zombiestories reizen mich sowieso quasi nie.

    Meine Ausbeute des GCT hinterließ bei mir gemischte Eindrücke. Die gehypten Titel haben mich arg enttäuscht (außer HILDA), dafür habe ich unter den weniger bekannten Titeln ein paar echte Kleinode gefunden.

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