Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Once Upon a Time in Hollywood“

Ein neuer Tarantino!? Lasse ich mir nicht entgehen. Obwohl ich gestehen muss, dass ich es bei der Spieldauer der meisten Tarantino-Streifen durchaus entspannter finde die im gemütlichen Zuhause zu schauen. Aber dieses Mal war es wie der Befreiungsschlag und das Versprechen, dass das Sommerloch Geschichte ist. Denn ich war echt lange nicht mehr im Kino. Besprechung ist spoilerfrei.

„Bloß kein Spaghetti-Western“, denkt Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) anfangs und nimmt den Job später ja doch an. Der Schauspieler war in den 50er Jahren noch ein gefragter Film- und Fernsehstar, inzwischen befindet sich seine Karriere aber auf dem absteigenden Ast. Dasselbe gilt für seinen Kollegen und Freund Cliff Booth (Brad Pitt), der die meiste Zeit seiner Karriere Ricks Stuntman war. Während er ein Dasein im Wohnwagen fristet und sich bei Rick Geld mit Gelegenheitsarbeiten verdient, versucht der seine Karriere wieder anzukurbeln. Zuviel Alkohol, Zigaretten und Selbstzweifel sind dabei mäßig hilfreich. Es war einmal in Hollywood … . Da beginnen in derselben Zeit andere ihre Karriere und ihr Leben steht in voller Blüte wie das von Sharon Tate (Margot Robbie), die nicht unweit von Rick mit ihrem Mann Roman Polanski (Rafał Zawierucha) im Cielo Drive wohnt. Tarantinos Film spiegelt mit einem wilden Mix aus biografischen Details, Traumfabrik-Nostalgie, fiktiven Charakteren und Ereignissen (Rick, Cliff) wider wie sich das L.A. der 60er Jahre angefühlt hat. Oder zumindest was wir (oder Tarantino?) heute erwarten wie es sich angefühlt hat.

„ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD – Official Trailer (HD)“, via Sony Pictures Entertainment (Youtube)

 

Müsste ich den Film in einem Satz beschreiben, dann klingt das so: Once Upon a Time in Hollywood ist eine Hommage an die Traumfabrik der 50 und 60er Jahre. Punkt. Und nicht so überbordend viel mehr. Denn ohne das Wissen um bestimmte Serien, Filme, Zusammenhänge und die Tate-Morde vom 09. August ’69 wäre es einfach eine Aneinanderreihung von Versuchen zweier alternder Darsteller noch einen Fuß in die Tür zu kriegen. Die Bemühungen ihre Karrieren wieder zum Laufen zu kriegen stehen dabei im krassen Gegensatz zu aufstrebenden Jungstars und Glücksrittern. Margot Robbie als Sharon Tate scheint immer zu tanzen und glücklich zu sein – sie ist wie der inszenierte Männertraum. Aber sie sieht dabei eben auch wirklich gut aus und sieht v.A. auch der echten Sharon Tate sehr ähnlich. Es ist allgemein überraschend und ziemlich cool die Auftritte von Bruce Lee (Mike Moh), Steve McQueen (Damian Lewis) und anderen Hollywood-Größen zu sehen. Was ist spannender für Filmjunkies als zuzuschauen wie namhafte Schauspieler andere namhafte Schauspieler spielen? Auch wenn ich es etwas bedauere, dass Lee so verballhornt wurde. Tarantino lässt sich nicht lumpen – auch die Erwähnungen von bekannten Formaten wie The Green Hornet, wo Bruce Lee zum Gehilfen Kato verdonnert wurde oder Szenen aus Filmen wie Gesprengte Ketten sorgen dafür, dass Filmnerds am Ball bleiben in dem immerhin fast dreistündigen Streifen. Und wenn dann Leonardo DiCaprio in Filme aus „vor seiner Zeit“ wie Gesprengte Ketten reinretuschiert wird, wer muss da nicht grinsen? 🙂

Über der Handlung hängt stets das Damoklesschwert in Form der wahren Begebenheiten rund um die Morde der Manson Family. Desto öfter Margot Robbie zuckersüß, sexy und relativ ziellos als Sharon Tate rumhüpft, umso mehr scheint sich in der Erwartung des Zuschauers die Schlinge um ihren Hals zuzuziehen. Vor Allem, wenn sich Tate und Charles Manson (Damon Herriman) im Film das erste Mal begegnen. Schade aber: der Film wird all dieser aufgebauten Erwartungshaltung nicht gerecht. Tatsächlich plätschert Once Upon a Time in Hollywood über weite Strecken eher so vor sich hin. Lange erkennt man darin keine Tarantino-typischen Elemente wie die langen Dialoge, Twists, Gewaltexplosionen, antiklimaktischen Spannungsbögen, etc. Das muss nicht schlecht sein: warum soll sich nicht auch einer der Großen weiterentwickeln und/oder ausprobieren? Seinem Aufschiebeverhalten frönt Tarantino dieses Mal eher in Bildern als langen Dialogen. Und die Gewaltexplosion kommt dann doch noch früher oder später … .  Man erwartet zum Thema Manson und Gewalt ja eher einen Krimi, vor Allem ist der Film aber witzig. Wenn man das sucht, wird man belohnt.

Vorrangig besteht das darin Rick und Cliff dabei zuzuschauen wie der eine ein toller Typ ist und der andere mit seinen Selbstzweifeln kämpft und versucht seine Karriere zu retten. Gerade Leonardo DiCaprio, der sonst scheinbar die Selbstsicherheit in Person ist, macht es Spaß in seiner gespielten Unsicherheit zu beobachten. Cliffs schmissige Sätze und „Konfrontationen“ tun ihr übriges. Nebenbei gibt sich die Traumfabrik hin und wieder von ihrer ambivalenten Seite inklusive des Lokalkolorits der damaligen Zeit. Es wird nicht selten auf Hippies geschimpft. Die Kommune, aus der die Manson Family entwächst, wirkt bedrohlich und verstrahlt. Der kultische und sektenähnliche Charakter ist deutlich spürbar. Umso mehr weicht dann aber das Harter-Kerl-Gehabe von Cliff die angedeutete Krimi-Atmosphäre auf, wenn er gleich mal ein paar der „Hippies“ vermöbelt. Es deutet sich an, wo die Reise hingeht.

Es ist eine coole Hommage an Westernserien, Traumfabrik-Trash und Buddy-Movies, aber letzten Endes bleibt die Frage: was will mir der Film jetzt sagen? Es ist erstaunlich wenig. Tarantino zaubert aus den fiktiven alternden Stars und der auf wahren Begebenheiten beruhenden Horrorstory um Charles Manson und Sharon Tate einen Jungs-Traum. Hier dürfen die „von der alten Schule“ den Tag retten und in den Sonnenuntergang reiten. Ist das nicht etwas „einfach“? Ein Adjektiv, das ich im Zusammenhang mit Tarantino normalerweise nicht benutze. Ein schwelgerischer und satirisch angehauchter Unterhaltungsfilm in wunderbaren Bildern ist er allemal, aber er scheitert am Erzählen einer „Geschichte“ und siecht als zu offensichtlicher Wunsch nach „den guten alten Zeiten“ und Heldengeschichten so vor sich hin bis zu einem ich möchte fast sagen über-versöhnlichen Ende.

Once Upon a Time in Hollywood, USA/UK, 2019, Quentin Tarantino, 161 min, (7/10)

Sternchen-7

Noch ein Tipp zum Schluss: im Kino sitzen bleiben und noch ein Stück Abspann schauen. Da kommt noch was, das insbesondere für Tarantino-Fans ein cooles Gimmick ist. 😉 Bevor ihr in den Kommentaren mit mir schimpft, dass sich meine Besprechung wie ein Verriss liest und angeblich nicht zu der Punkte-Bewertung passen würde, bitte ich euch, euch selbst zu fragen, ob der Film für euch eine 10/10 wäre. Und was gut ist, steht ebenso in dem Text. Stimmt ihr mir in den Punkten zu oder gibt es noch andere Aspekte, die euch deutlich mehr gefallen haben? Hättet ihr euch den Auftritt einer bestimmten Hollywood-Größe gewünscht, auf die ihr aber verzichten musstet? Was denkt ihr über die Kontroverse, die die Darstellung Bruce Lees verursacht hat? Für alle die noch nicht genug von den Querverweisen haben, hier noch ein paar Links. Everybody Who Plays A Real Person In Once Upon A Time In Hollywood auf Screenrant, Once Upon A Time In Hollywood: Every Easter Egg, Tarantino Reference & Cameo ebenda und The Real Actors Leonardo DiCaprio’s Rick Dalton Is Based On.

6 Antworten

  1. Ich fühlte mich gut unterhalten, dafür braucht Tarantino anscheinend keine hoch dramatische Story. Und hätte man die realen Ereignisse nicht gekannt, hätte man überhaupt nicht mehr gewußt, auf was der Film letztlich zu läuft.

    Die langen Film-in-Film Sequenzen haben mich etwas gestört, da hätte man ruhig kürzen können – wie auch der gesamte Film etwas zu lange geraten ist.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich weiß nicht … ich glaube, dass man sich ganz ohne Wissen über die Geschehnisse gefragt hätte, warum Sharon Tate überhaupt in dem Film ist.

      Die Film-in-Film-Sequenzen fand ich ganz cool, aber insgesamt bin ich da bei dir, mir war der auch zu lang.

  2. Zitiert hat Tarantino ja in all seinen Werken. Hier konnte er sich aber mal so richtig austoben und lässt die winzige Story unter einem nicht enden wollenden Zitategewitter versinken. Sieht natürlich schön aus und bietet dann mit dem (lang auf sich wartenden) gewaltvolleren Finale auch wieder den typischen Tarantino-Style, hat aber durchaus seine nicht zu verbergenden Längen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Zustimmung in allen Punkten … v.A. bei der Erwähnung der winzigen Story. Denn da war wirklich nicht viel. 🙂

  3. Veriss? Wo ist das hier ein Veriss? 😛
    Ich war auch im Kino und recht positiv überrascht, da er eben so anders war.
    Manson kommt etwas kurz, aber damit hat er geschickt gespielt. Man erwartet die ganze Zeit das eben dieser typische Tarantino ans Tageslicht kommt, aber nope, er hält uns bösartig die Möhre vor die Nase XD
    10/10 würde ich dem Film auch nicht geben, dennoch konnte ich keine Längen spüren, für mich war es genau richtig und ich hätte noch ne Stund egucken können 😀

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Echt? Mir war der Film schon so lang genug 😉 Zumal er ja auch verhältnismäßig wenig erzählt hat, was für das Ende oder die Botschaft wichtig gewesen wäre. Hat ja eher vieles zum Zeitgeist und der Atmosphäre beigetragen.

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