Hui, das wurde knapp. Obwohl ich zwischenzeitlich gut dabei war, habe ich meinen letzten Film für die Challenge dann doch „erst“ am Abend des 30. November geschaut. Aber hey – Challenge geschafft. Und dieses Jahr war ich mit der Auswahl sehr zufrieden und habe die Filme lieber geschaut als letztes Jahr. Uns erwartet heute eine Reise nach „Neo-Berlin“, Schweden, in die Vergangenheit und nach Südkorea.
Mute
Duncan Jones jüngstes Regiewerk und langjähriges Herzensprojekt ist der zweite Teil einer mit Moon gestarteten Trilogie. Der Zuschauer wird erneut Zeuge einer düsteren Zukunftsvision in der der Mensch als Individuum inmitten des technischen Fortschritts, schnellebiger Zeit und menschlicher Willkür verloren zu gehen scheint. Im Zentrum des Geschehens stehen der stumme Barkeeper Leo (Alexander Skarsgård), der seine verschwundene Freundin Naadirah (Seyneb Saleh) sucht und der Ex-Militär Cactus Bill (Paul Rudd), der in Berlin ohne Papiere gestrandet ist und versucht sich und seine Tochter als Untergrund-Doktor durchzuschlagen. Und so einfach wie die Geschichte zusammengefasst ist, ist sie auch. Mute fühlt sich leider schon sehr nach Style over Substance an.
„Mute | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)
Es wirkt fast so als ob Leo und Cactus Bills Odyssee durch „Neo-Berlin“ einzig dem Zweck dient die Zukunftsvision von Jones zu zeigen, denn die Handlung ist denkbar einfach gestrickt. Mute zeigt eine dystopische Stadt, die von Technik besessen ist und nie schläft. Und der Scifi-erprobte Leser ahnt es schon: setzte keine neuen Impulse verglichen zu Genre-Klassikern wie Blade Runner, außer einem. Er stellt der Stadt den in einer Amish-gemeinde aufgewachsenen und technik-meidenden Leo entgegen, der zudem auch noch stumm ist. Aufgrund dessen und der mangelnden Barrierefreiheit gerät er während seiner Spurensuche in zahlreiche Sackgassen. Was Jones damit an nebenläufiger Handlung und Impulsen in den Film streut ist sehr spannend, aber für einen anderen Film als den um die Suche nach Naadirah. So drängt es sich auf, dass der Film entweder die falsche Geschichte für das Szenario erzählt oder das falsche Medium gewählt wurde. Was sehr schade ist, denn der Look hat etwas und die Darsteller legen eine erstklassige Performance hin. Immer wieder muss ich mich aber fragen, warum Zukunftsvisionen von Städten nie über den „Blade Runner“-Look hinwegkommen? Geht der Filmemacher-Riege die Fantasie aus? No offence – ich freue mich auf den nächsten von Duncan Jones, den ich für sehr talentiert halte.
Mute, Deutschland/UK, 2018, Duncan Jones, 126 min, (6/10)
Destroyer
Um zu zeigen, dass Regisseurin Karyn Kusama zu „gritty“ Kino fähig ist, brauch es nicht mal einen Filmtitel wie Destroyer. Das zeigt schon der Rest der Filmografie. In Destroyer verfolgen wir Nicole Kidman als Naturgewalt in einem Film, der ansonsten eher etwas konventionell und überraschungsarm ist. Sie spielt mit Mut zu einem ungeschminkten, dankbar realistisch-unglamourösen Äußeren die runtergekommene, alkoholabhängige Polizistin, die vor vielen Jahren große Schuld auf sich geladen und das nie vollständig verarbeitet hat. Als die Vergangenheit wieder an die Tür klopft, begibt sie sich auf einen Rachefeldzug und hinterlässt eine Schneise der Verwüstung. Man kann schon sagen, dass sie der titelgebende Destroyer ist – vor Allem ist aber auch sie zerstört. Die Handlung um Erin und ihren Undercover-Einsatz in der Bankenraub-Szene, der mordsmäßig schief gegangen ist, birgt keine größeren erzählerischen Kniffe. Außer einem, der aber in einem Moment verheizt wird, wo er nicht mehr überrascht und keine größeren Auswirkungen hat. Gegen Ende kann der Film mehr, wenn Erin weniger kühl und distanziert ist und den Zuschauer mehr an sich heranlässt. So bleibt ein gut gefilmter Film mit vielem „hat man schon gesehen“, eine sehr gute Nicole Kidman und ein gewisses Noir-Feeling bei dem die Femme Fatale ein großartiger Gegenentwurf zu verruchtem Äußeren und stark geschminkten Lippen ist.
Destroyer, USA, 2018, Karyn Kusama, 122 min, (7/10)
Memories of Murder
Polizeikommissar Park Doo-man (Song Kang-ho) ermittelt im Südkorea der 80er Jahre in einer ländlichen Gegend im Fall einer Reihe von Morden und Vergewaltigungen. Seine Ermittlungsmethoden sind intuitiv, schroff, er selber ist ungeduldig und emotional – und arbeitet nicht immer nach Vorschrift. So versuchen er und sein Kollege schon mal ein Geständnis mit den Fäusten aus dem Verdächtigen herauszukitzeln. Als sich die Morde häufen, wird ihm ein Kollege aus Seoul zur Seite gestellt: Seo Tae-yoon (Kim Sang-kyung) ist das komplette Gegenteil. Er arbeitet nach Vorschrift, gelassen und gewissenhaft. Die Attitüde des „Großstadt-Komissars“ eckt ab und zu bei Park an, der von sich selber behauptet den Verbrecher allein mit seinem geschulten Blick zu erkennen. Ob oder ob nicht, lässt der Film übrigens so semi offen. 😉 Man findet für beides Hinweise. Nach und nach gelingt es den ungleichen Ermittlern ein Muster in den brutalen Morden zu erkennen – aber das Glück ist nicht unbedingt auf ihrer Seite.
Memories of Murder ist Bong Joon-hos zweite Langfilm-Regiearbeit und Durchbruch. Die an die zehn Jahre währende Arbeit hat sich gelohnt. Memories of Murder ist enorm facettenreich. Zum Einen basiert sie auf dem realen Fall des Würgers von Hwaseong, der seine durchweg weiblichen Opfer auf menschenunwürdige und erniedrigende Weise zurückließ. Ein Filmkritiker bezeichnete den Fall und Film als das südkoreanisches Zodiac. Tatsächlich gibt es einige Parallelen, die darin fußen wie nah die Ermittler dem Täter kommen und wie oft sie meinen ihn erwischt zu haben, es aber an den nötigen Beweisen fehlt. Neben diesem smarten Katz-und-Maus-Spiel punktet der Film mit der Tapsigkeit und den unklugen Entscheidungen der Ermittler, die für einen gewissen Comic Relief sorgen. Was Bong Joon-ho aber immer wieder gut beherrscht ist das Spiel mit den Erwartungen und dem Dilemma seiner Charaktere. Man kann förmlich zusehen wie der zuvor relativ sorglose Park realisiert, dass seine bisherige Arbeit ihm im Weg steht und letzten Endes vielleicht sogar die Aufklärung des Falls verhindert und weitere Morde nach sich zieht. Und wie der einst regelkonforme Seo zu Grenzüberschreitungen bereit ist. Die Charaktere nehmen quasi bedingt durch Verzweiflung die Rolle des jeweils anderen ein. Es gibt eine markante Szene im strömenden Regen, die fast albtraumhaft wirkt und zwei gebrochene Ermittler zeigt. Zudem endet er mit einer starken Szene, in der Park die vierte Wand durchbricht und versucht die Mörder unter uns Zuschauern zu erspähen. Man muss lediglich über ein paar ermittlungstechnische Unsinnigkeiten hinwegsehen in dem ansonsten großartigen Film.
Memories of Murder (OT: 살인의 추억 „Salinui chueok“), Südkorea, 2003, Bong Joon-ho, 132 min, (9/10)
„Memories Of Murder Tribute“, via Christoffer Lundstrom (Youtube)
Der Hypnotiseur
Der Hypnotiseur ist Lasse Hallströms Verfilmung von Lars Keplers gleichnamigen Roman. Dass die Bewertungen auf diversen Filmplattformen bei an die fünf von zehn Punkten rumgurkt, muss daran liegen, dass scheinbar einige Leute das Buch für besser halten und dem Ausdruck verleihen wollten. Denn Hallströms Version ist doch ein mehr als nur solider Schwedenkrimi. Der Film handelt von dem brutalen Mord an einer ganzen Familie. Einzig der älteste Sohn hat überlebt, ist aber schwer verletzt und nicht ansprechbar. Kommissar Joona Linna (Tobias Zilliacus) scheinen die Hände gebunden zu sein bis er den Hinweis bekommt den inzwischen nicht mehr praktizierenden Arzt Erik Maria Bark (Mikael Persbrandt) um Mithilfe zu bitten, der für „unkonventionelle Methoden“ bekannt ist. Er könne unter Umständen auf den Jungen eingehen und etwas aus ihm herausbekommen. Linna lässt sich darauf ein und Bark probiert es mit Hypnose. Und wird selbst zur Zielscheibe. Zugegeben, aus der Hypnose macht Lasse Hallströms Film erst gegen Ende was. Und was genau in dem Jungen vorgeht, warum er anfangs nicht ansprechbar war und andere Fakten werden hinten runterfallen gelassen. Handwerklich und atmosphärisch ist der Film aber durchaus ein Guter mit der einen oder anderen Überraschung. Und einem Drama auf Beziehungsebene, dass sich mal dankenswerterweise „natürlich“ löst und zur Handlung beiträgt.
Der Hypnotiseur (OT: Hypnotisören), Schweden, 2012, Lasse Hallström, 122 min, (8/10)
Fazit
Das war es nun! 🙂 Wie Anfang November vorgenommen, habe ich mir vier Filme genehmigt, die quasi „Neo Noir“ sind. Also nicht aus der Zeit des klassischen Film noir stammen (40er bis 50er Jahre), aber aufgrund der Motive, Themen und Stimmung moderne Film noir sind. Dazu zählte für mich Under the Silver Lake, Memories of Murder, Mute und Destroyer. Zusätzlich dazu schaute ich vier Filme, die zum Subgenre des „Nordic Noir“ gehören (und eigentlich auch „Neo Noir“ sind). Das sind Der Hypnotiseur, Einer nach dem Anderen, Der Tote aus Nordermoor und Headhunters. Mit Dänemark, Island, Schweden und Norwegen habe ich filmisch einmal die Runde durch Skandinavien gemacht. Vielleicht hätte ich an der Filmreise-Challenge teilnehmen sollen, dann hätte ich jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen 😉 Mit acht Filmen war das eigentlich ganz gut machbar und mir haben alle acht gut gefallen, einige davon sogar extrem gut. Von Mute hatte ich mir etwas mehr erhofft. Aber Under the Silver Lake, Headhunters und Memories of Murder waren wirklich großartig. Und tatsächlich zählen für mich alle der Filme auch jetzt nach der Betrachtung zu „Film Noir“. Manche alleinig durch die Stimmung wie Under the Silver Lake, die meisten anderen auch wegen ihrer Themen. Wobei mir der Schwarzweißfilm und die Privatermittler schon ein wenig fehlten.
Nach der kurzen Übersättigung mit alten Film Noir letztes Jahr habe ich bewusst dieses Jahr verzichtet und fühle mich jetzt wieder bereit für alte film noir mit Schwarzweiß und Ermittlern mit Hut. Nächstes Jahr dann. Jetzt ist erstmal genug mit Krimi 😉 Was mir leider gefehlt hat ist die Interaktion. Was bis vor ein, zwei Jahre noch sehr gut auf Twitter funktionierte und zum Kennenlenern neuer Kanäle und zu spannenden Diskussionen führte, scheint nicht mehr zu klappen. Schon beim Horrorctober war wenig unter dem besagten Hashtag los bzw spielte sich zwischen den immerselben Leuten ab. Was da los? Hab ich den falschen Hashtag erwischt oder sind die Challenges nicht mehr so interessant? Mir macht’s noch Spaß … vor Allem da die Interaktion hier ganz gut klappte, wenn auch der Horrorctober für die Leser und Bloggerkollegen gewohnheitsgemäß interessanter ist.
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung und Filmliste
Recap und Besprechungen („Der Tote aus Nordermoor“, „Einer nach dem anderen“, „Under the Silver Lake“ & „Headhunters“)
Image Photo Credits: Djim Loic
Mit dem „Noirvember“ verabschiede ich mich für dieses Jahr von den Filmchallenges. Die dunklen und düsteren Themen des „Horrorctober“ und „Noirvember“ verlangen nun nach Weihnachtskitsch deluxe! ♥ Am besten ich fange direkt mit diesem Knight of Christmas oder wie es heißt an, der wird bestimmt so richtig schön schlecht und klebrig-süß. 😉 Naja, schauen wir mal. Habt ihr am Noirvember teilgenommen und wie gut seid ihr durch eure Auswahl durchgekommen? Habt ihr auch den Eindruck, dass die Interaktion auf bspw. Twitter im Vergleich zu den Vorjahren etwas hinkt? Oder liegt es daran, dass ich das ganze nicht auf Letterboxd verfolge? Mal allgemein gefragt: sollte ich meinen letterboxd-Account reaktivieren? Was ist da so toll?
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