Erinnerungen an Marnie handelt von der zwölfjährigen Anna, die bei ihrer Pflegemutter in Sapporo (Japan) lebt. Sie hat Asthma und ihr Zustand verschlimmert sich immer mehr. Aber auch ihr emotionaler – sie zieht sich sehr zurück und ihre Mutter weiß sich nicht zu helfen, Anna redet nicht mir ihr darüber. Sie schickt das Mädchen in den Norden Hokkaidōs, um sich dort in dem Küstenstädtchen an der frischen Luft bei Verwandten zu erholen. Da Anna eine Mauer um sich errichtet, die mit Nähe nicht einzureißen ist, hilft vielleicht Abstand. Aber was auch immer sie bedrückt, geht mit ihr in den Norden. Sie findet erst Ablenkung, als sie eine alte Villa entdeckt, die verlassen zu sein scheint. Tagsüber kann man im seichten Wasser zu der Villa laufen, nachts bleibt der Weg durch die Flut versperrt. Eines abends rudert sie zu der Villa und trifft dort ein Mädchen, das sich als Marnie vorstellt und mit der sich Anna auf Anhieb versteht. Aber wo ist Marnie tagsüber, wenn das Haus doch leer zu stehen scheint?
Wie bereits zuvor bei Stoffen wie Arrietty – Die wundersame Welt der Borger basiert der Film auf einer europäischen Kinder- bzw. Jugendbuchvorlage. Diesmal stand When Marnie Was There von Joan G. Robinson Pate für die Geschichte. Regiesseur Hiromasa Yonebayashi führte auch tatsächlich 2010 selber bei Arrietty Regie, zuvor arbeitete er als Animator und war u.a. an zahlreichen Ghibli-Produktionen beteiligt, aber auch an Klassikern wie Jin-Roh. Erinnerungen an Marnie war einer der vorerst letzte Kinofilme des weltbekannten Animationsstudios Ghibli vor seiner (inzwischen aufgehobenen) Umstrukturierungsphase.
„Erinnerungen an Marnie – Trailer (deutsch/german)“, via Universum Film (Youtube)
Der Film widmet sich einem bekannt wirkenden Muster. Unverstandenes Kind, das seinen Lebensmut durch eine außergewöhnliche Begegnung wiederfindet. Die Begegnung mit der mysteriösen Marnie würzt die Geschichte aber zusätzlich. Man glaubt als Zuschauer zu ahnen woraus es hinausläuft. Und das tut es auch! ^^ Aber das ist tatsächlich noch nicht die ganze Wahrheit. Die zwei Mädchen sind auf ihre Art von der Welt verletzt worden und das Band, was sie verbindet ist ein besonderes. Das überträgt sich auch auf den Zuschauer. An Annas Beispiel spürt man wie tief ihr durch Ablehnung geprägter Schmerz sitzt – ein zutiefst menschliches Gefühl, das jeder kennt. Der Kummer, der an Anna nagt, wäre eigentlich leicht aus der Welt zu schaffen, aber das sieht man meistens nur als Außenstehender so – wer den Kummer hat, hat die Qual. Und die treibt Anna zu Handlungen, die sie hinterher oft bereut und sich sich selbst dafür hasst. Bittere Situationen, die jeder kennt. Die Animationen transportieren das bestens. In typischer Ghibli-Manier wirken die Charaktere sehr lebendig. Haben Mimik, Gestik und Marotten, die sie wie lebendige Menschen wirken lassen. Das mysteriöse Haus, das zu Entdeckungen einlädt, möchte man am liebsten selber einmal besuchen und mit dem stillen Opa über den See zu Marnie rudern. Die Landschaft Hokkaidō mutet wie ein filmischer Kurzurlaub an. Obwohl der Film vielleicht sogar etwas trauriger und negativer beginnt als man es von den meisten Ghibli-Filmen gewöhnt ist, bleibt die letztendliche Aussage positiv, rührend und stimmt melancholisch. Für einige Zuschauer wird der Film vielleicht kitschig sein, für andere trifft es mitten in einen wundern Punkt und schafft vielleicht etwas Linderung. Ein wundervoller Film.
Erinnerungen an Marnie (OT: 思い出のマーニー „Omoiyde no Ma(r)nie“), Japan, 2014, Hiromasa Yonebayashi, 103 min, (10/10)
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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