Im Beitrag Bücher, die meine Weltsicht verändert haben hat Sunita im März Literatur aufgelistet, die bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Dabei ging Sunita nicht nur darauf ein, welche Bücher Erkenntnise gefördert haben, sie emotional trafen oder beeindruckten, sondern auch wie groß der Einfluss von Medien ist – und durchaus auch negativ sein kann. Umso besser, wenn nicht sogar unabdingbar, dass Lesende kritisch hinterfragen. Ich fand die Idee so toll, dass ich gefragt habe, ob ich mitmachen darf. Und ich darf! 😉 Danke Sunita. Also auf geht’s. Ich bemühe mich sogar das einigermaßen chronologisch zu sortieren – „a booklovers life ups and downs“ sozusagen.
„3×3 Augen“ Yūzō Takada
Als Kind war ich durchaus mit Büchern zu begeistern. Damals las ich sowas wie die Fünf Freunde und R.L. Stines Gänsehaut-Bücher. Obwohl ich die toll fand, haben sie mich nicht zu jemandem gemacht, den ich als Bücherwurm oder echte, frühe Literaturenthusiastin bezeichnen würde. Vielleicht liegt es am fehlenden Diskurs. Damals hat niemand in meinem Freundeskreis gern gelesen und auch meine Familie besteht nicht aus glühenden Lesern. Die Bücher, die wir in der Schule lasen, empfand ich irgendwie immer als piefig und habe sie mehr gelesen, um es „hinter mir zu haben“. Vielleicht erkannte ich das Potential von Büchern, es zog mich immer mal wieder zu ihnen hin, aber ich glühte nicht dafür.
Dann sah ich in einer Buchhandlung in Berlin Manga – damals 3×3 Augen und Battle Angel Alita. Ich erkannte den typischen Stil, den ich sonst nur von Anime wie Sailor Moon kannte und war total begeistert. Es gibt Comics, die so aussehen!? Mein erster Manga wurde 3×3 Augen und ich war total begeistert von den Zeichnungen. Er war eigentlich einen Tick zu brutal für mich in dem Alter (ca. 9 Jahre alt) und nach dem Hype, war ich erst einmal eher frustriert: Wo den nächsten Band herbekommen? Das war damals durchaus ein Thema … . Was aber blieb war die Erkenntnis wie unglaublich detailiert Manga sind. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon Comics gelesen – Batman-Comics oder Lustige Taschenbücher. Aber der Detailgrad der Zeichnungen, die irgendwie so „erwachsen“ wirkende Handlung und die Fantasie, die in die Story floss, die komplexen Beziehungen zwischen den Charakteren – das war etwas, dass mich damals wortwörtlich geflasht hat. Zwar habe ich den Manga dann wegen fehlendem Taschengeld und fehlender Verfügbarkeit nicht weitergelesen, aber es war der Einstiegsimpuls. Und als mir danach eine Schulfreundin CLAMPs X-1999 empfahl, griff ich zu und war am Haken. Eine Liebe, die bis heute andauert und die Erkenntnis wie komplex visuelles Storytelling in Form von Comics und Manga ist.
„Clover“ CLAMP
Clover ist demzufolge nicht mein erster Manga von CLAMP, aber die Reihe hat mich nachhaltig beeindruckt. Und tut das noch heute. Wer etwas zum Inhalt wissen möchte, kann bei Kathrin oder mir nachlesen. Besonders an Clover ist der komplette Stilbruch mit dem, was ich bisher als Manga annahm und mir erstmal die Augen geöffnet hat, dass nicht jeder Comic und Manga gleich aussieht. Clover arbeitet nicht mit klassischem Paneling, sondern eher viel mit geometrischen Form, wenigen Panels auf einer Seite, dafür aber auch manchmal großflächigen (zu vergleichen mit Splash Pages) und spielt stark mit Licht und Schatten. Darin mischen sich Motive aus Steampunk, Noir und Art déco. Es ist optisch sehr zart und gleichzeitig moralisch alles andere als leichte Kost – es ist der Inbegriff von Melancholie. Clover hat meine Sicht auf Comics und Manga verändert. Wenn jemand anzweifelt, dass es eine Kunstform sein kann, dann zeige ich immer die Clover-Bände. Was mich aber als Teenager schwer gekriegt hat, waren die Grauschattierungen zwischen Gut und Böse, das Gewicht eigener Entscheidungen und unausgesprochene Gefühle. Noch lange nach dem Lesen des letzten Bandes kam ich gedanklich nicht von Clover los.
„Der Vorleser“ Bernhard Schlink
Wie man oben schon rausliest, fehlten mir die literarischen Wirkungstreffer. Bevor Buchblogs boomten oder ich andere eifrige Leser*innen kennenlernte, gab es für mich entweder zu wenige Informationen (wir hatten erst spät Internet im Haushalt meiner Eltern) oder zuviele unsortierte und wenig hilfreiche. Der Diskurs blieb aus – zumindest bis ich dann in der Schule den Deutsch-Leistungskurs wählte. Ab da begannen die für mich bedeutungsvolleren Gespräche über Literatur. Wir lasen im Unterricht Bernhard Schlinks Der Vorleser und besprachen das Buch sehr ausführlich. Die Beziehung zwischen Michael Berg und Hanna Schmitz, die vielen aufkommenden ethischen und moralischen Fragen, der Bezug zu sovielen Dingen, die ich in dem Alter (ca 16 Jahre) das erste Mal so verknüpfen und ihr ganzes Ausmaß wahrnehmen konnte – das ließ mich das erste Mal erahnen, wie stark Literatur ist. Die im Unterricht gestellten Fragen über Moral, Schuld, Ethik, Beziehungen und auch über unsere Sicht auf das Gelesene haben das erste Mal etwas in mir geweckt und ich behaupte das war der Wirkungstreffer, der mich zu einer stetigen Leserin gemacht hat. Ein ähnliches Erlebnis im Stile von „Schulbücher sind nicht alle scheiße“ sollte ich kurz darauf auch mit Der gute Mensch von Sezuan von Bertold Brecht haben und lernen: es liegt nicht an den Büchern, sondern an der Vermittlung derer. Ein Lehrer, der mit Begeisterung darüber spricht und uns dazu bringt Erkenntnisse zu gewinnen und „coacht“ statt Fakten vorzukauen ist soviel Wert.
„Blind“ Joe Hill
Als Teenager war ich oftmals begeistert auf der Suche nach dem Horror-Kick. Es fällt mir schwer zu sagen, warum eigentlich. Ich las sehr viel Stephen King, aber nicht aus purer Begeisterung, sondern weil von dem Autor einfach soviel da war. Ich weiß, dass das seltsam klingt. Aber die Masse an Stephen King Büchern war immer wie ein Versprechen auf mehr. Und einige davon begeisterten mich auch wirklich schwer wie Needful Things. Aber als sich Blind von Joe Hill las, war das ein immens großer Abturner. Dabei adressiert meine Kritik nicht den Grusel an sich. Der Anfang war wirklich noch schaurig, aber danach driftete der Roman von Stephen Kings Sohn wie auch die einen oder anderen Romane vom Meister selber in rohe Gewalt um. Wie Charaktere andere erniedrigen oder miteinander umspringen, stieß mich ab. Ich saß wortwörtlich beim Lesen da und sagte mir „Ok, das wars mit dem Shit.“ Ab da schaute ich keinen Torture Porn mehr (Hostel und sowas) und las auch weniger Horrorliteratur. Ich wollte mehr als nur von einem Buch zum nächsten hoppen, sondern mich auf Bücher freuen.
Bücher, die mehr in Richtung Mystery, Surreales, etc gingen, schienen mir viel effektvoller zu sein als welche in denen es Blutfontänen und Brutalität gibt. Tortur, erniedrigung, etc – das wollte ich nicht mehr als Unterhaltung betrachten. Tatsächlich weiß ich heute nur noch eine Szene aus dem Buch, die ich ätzend fand. Aber sie hat offenbar gereicht. Zwar bin ich wie man dem Blog auch hier und da ansieht, Horror immer noch nicht abgeneigt – aber ich bin wählerischer geworden. Und Stoffe, die um des reinen Effektes willen tun was sie tun, gebe ich nix mehr. Joe Hill scheint was das betrifft nicht zwingend mein Freund zu sein. Sein The Cape ist für mich einer der inhaltlich am meisten daneben liegenden Comics, die ich gelesen habe und sogar der Grund, warum ich eine Weile keine Comics mehr las, sondern nur noch Manga und auch sein Locke & Key war mir zu roh, zu grob, obwohl die Idee sehr cool ist. Mit dem Abschied von Horror ohne Köpfchen, ging auch mein damals sehr düsteres, zynisches Weltbild. Das lag sicherlich nicht nur an Joe Hill, sondern an einem ganzen Konglomerat an Einflüssen. Aber es ist definitiv ein Faktor, dass unsere Wahl der Literatur uns in ein noch tieferes, dunklere Loch stoßen kann. Insbesondere, wenn man das Lesen zu dem Zeitpunkt noch nicht so kritisch hinterfragt.
„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ Gabriel García Márquez
Mein zweiter großer Belletristik-Wirkungstreffer war ein Zufallsgriff aus der Buchhandlung. Der Klappentext hat mich neugierig gemacht, der Autor sagt mir zu dem Zeitpunkt nichts. Ich war Studentin und durch das viele Lernen und Fachliteratur wälzen wieder mehr zu einer Gelegenheitsleserin geworden, die am ehesten noch Manga las. Heute undenkbar, wo ich einige Bücher UND Manga pro Jahr verschlinge. An was es mir erneut mangelte war Austausch und Lieblingsautor*innen. Zu oft schreckten mich Bücher inzwischen eher ab, weil ich die Handlung seltsam fand, die Charaktere naiv, die Worte irgendwie hölzern. Es wollte nicht passen. Heute denke ich, dass ich viel mehr das Gespräch mit den Buchhändler*innen suchen sollte. Ich weiß nicht, warum ich das nicht gemacht habe.
Als ich Gabriel García Márquez Roman las, war es als ob jemand das Licht angeschaltet hätte. Die Bildsprache war so reich, die Worte klangen so klug, die Geschichte war alles zusammen: tragisch, witzig, spannend. Ich wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Das war ein willkommener Wachrüttler Belletristik nicht aufzugeben, sondern mehr zu selektieren und mit mehr Kopf auszuwählen, was ich lesen will. Es ist auch eins der ersten Bücher über die ich gebloggt habe. Nicht lange, nachdem ich anfing zu bloggen. Danach sorgten Buchblogs und die Buchblogszene für den Diskurs der mir so fehlte – und gaben Anlass womit ich meine To-Read-Liste füllen konnte. Irgendwann habe ich dann auch mal nachgelesen, wer Gabriel García Márquez ist und war überrascht, dass er Literatur-Nobelpreisträger ist und ich so gar nichts von ihm gehört hatte bisher. War mir etwas peinlich in dem Moment.
„Pluto“ Naoki Urasawa x Osamu Tezuka
Naoki Urasawa war mir zu dem Zeitpunkt schon durch 20th Century Boys und Monster bekannt. Ersteren hatte ich da bereits gelesen, zweiteren musste ich leider abbrechen, weil die Veröffentlichung des Manga in Deutschland ausgesetzt wurde. Darüber war ich damals sehr traurig. Irgendwann dann sah es noch einem Revival aus, was sich aber eher als Osamu Tezuka Revival entpuppte. (Das Naoki Urasawa Revival kam dann 2018/2019/2020 mit den ganzen Perfect Editions aus dem amerikanischen Markt 😉 )
Pluto handelt von einer Zukunft, in der Menschen und Androide gleichberechtigt nebeneinander leben (arbeiten, wohnen, heiraten dürfen). Zumindest in der Theorie. Als gezielte Serienmorde an Androiden verübt werden und der Androiden-Polizist Gesicht ermittelt, entpuppt sich an seinem Beispiel die grausame Wahrheit, dass längst nicht alle Androide als gleichberechtigte Lebensformen akzeptieren. Die Kernaussage Plutos ist, dass sich die Geschichte stets wiederholt – nur in einem anderen Gewand. Oftmals mag die Erkenntnis, die man aus Literatur oder einem anderen Medium gewinnt, nicht neu sein. Aber hier erschien mir die Metapher so gut gewählt und offenbar wirkungsvoll. Dass Diskriminierung eine tief in der menschlichen DNA verwurzelte Krankheit ist, hat mich damals unendlich getroffen und trifft es noch heute. Hat der Hass nie ein Ende?
„1Q84“ Haruki Murakami
Als ich gerade aus der Uni raus war und in das Berufsleben einstieg, kreuzte Haruki Murakami das erste Mal meinen Weg. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einige Male über den japanischen Autor gelesen, von dem alle erwarteten, dass er demnächst einen Literatur-Nobelpreis bekommt. Seine Romanreihe 1Q84 sollte eine Art modernes, surreales „Romeo und Julia“ sein, sagte irgendeine Besprechung in einem Magazin. So wurde ich neugierig und konnte erstmal wenig mit dem gelesenen anfangen. Es war so schwer greifbar. Die Aufklärung schien sich nicht so aufzudrängen wie in vielen anderen Büchern, wo man Täter und Zusammenhänge schon am Anfang erahnen kann. Vieles blieb im Nebel, manches musste man sich regelrecht erarbeiten. Die Charaktere waren nicht nur sympathisch, aber stellenweise (besonders Tengo) überraschend lebensnah. Alles war anders als alles was ich bisher gelesen hatte. Aber alles war auch irgendwie interessant. Im ersten Band gab es einiges, was mich abstieß und trotzdem wollte ich weiterlesen, nur um dann ab Band 2 so richtig am Haken zu sein. In den Büchern Murakamis lernte ich den Surrealismus zu lieben und dass ich von Büchern offenbar mehr habe, die mir nicht alles vorgeben, sondern mich zum nachdenken bringen.
„Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ Haruki Murakami
Schon wieder Murakami!? Ja, allerdings. Und das obwohl mir „Tazaki“ bei Weitem nicht so gut gefiel wie 1Q84. Hier erklärt sich auch, dass der Beitrag heißt „Bücher, die mich verändert haben“ und nicht „Meine Lieblingsbücher“. Woran liegts!? Weil es einen Nerv traf. Tazaki erfährt nach vielen Jahren, warum seine Schul-Freunde ihn vor vielen Jahren von einem auf den anderen Tag wie eine heiße Kartoffel fallen ließen. Es lag an einem wirklich üblem Gerücht, an dem laut Tazaki nichts dran ist. Warum diese Lüge verbreitet wurde, versucht er herauszufinden – das resultiert in seinen „Pilgerjahren“. Es ist nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass Menschen ihn fallen lassen. Er erzählt auch von einem Freund, der ohne Angabe jeglicher Gründe eines Tages aus einem Leben verschwand. Mir ist schon ähnliches passiert.
Auch aus meinem Leben sind Freunde verschwunden und ich habe nie erfahren warum. Hat es nicht mehr gepasst? Warum nicht das Gespräch suchen? Was bringt Menschen, die im einen Moment noch beste Freunde sind dazu im nächsten komplett aus dem Leben des anderen zu verschwinden? Ich werde nie vergessen als wir uns durch Zufall am Bahnhof im Vorbeigehen trafen. Er war offensichtlich nicht vom Erdboden verschluckt worden. Und sah sehr unglücklich aus. Meine Nachrichten, ob alles ok sei, blieben unbeantwortet. „Tazaki“ lehrte mich, dass das Leben eine Aneinanderreihung aus unbeantworteten Fragen und komplexen Kausalitäten ist. Und dass man sich manchmal einfach damit abfinden muss. Mag banal klingen, aber für mich war es damals eine wichtige Erkenntnisse, die mir sogar zu einer Art Seelenfrieden verholfen hat. Übrigens wurde ich dann tatsächlich erst durch Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt ein richtiger Murakami-Fan.
„Ein wenig Leben“ Hanya Yanagihara
Ooooh wie hat das Buch polarisiert. Ob die so explizite Darstellung von Leid sein musste, frage ich mich heute noch. Aber ich habe tatsächlich aus Hanya Yanagiharas Buch überraschend viel mitgenommen und darüber sogar mal einen Artikel verfasst: Fünf Weisheiten aus Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“. Eigentlich handelt das Buch von einer Gruppe von Freunden unterschiedlichster Gesinnung, Hautfarben, „Klasse“ und Herkunft. In deren Zentrum steht Jude, der als Kind auf so abartige und üble Weise missbraucht wurde und daraus so schwere physische wie psychische Narben davontrug, dass es für ihn schwierig ist auch nur „ein wenig“ zu „leben“. Aus Judes Tortur ergeben sich unendlich viele Konsequenzen. Wie führt man mit so einer Lebens- und Leidensgeschichte eine emotional und körperlich erfüllende Liebesbeziehung!? Gibt es überhapt beides in dieser Gleichung?
Dabei stößt das Buch aber eine Tür auf, über die man zu selten redet: was sind denn die Spielarten von Liebe? Warum erkennen wir platonische Liebe und Freundschaft nicht gleichwertig zu einer Liebesbeziehung an? Was suchen wir in Beziehungen? Am interessantesten fand ich die Theorie, dass es fünf Dinge gibt, die wir in Beziehungen suchen (Nähe, Sicherheit, sexuelle Erfüllung, intellektuellen Austausch, …) und stets vielleicht nur drei finden. Letzten Endes müssen wir uns in einer Monogamie entscheiden, welche für uns die wichtigsten sind. Davon abgesehen war Yanagiharas Buch trotz des umstrittenen Inhalts eins für mich, das mir das erste Mal klar gemacht hat, das man nicht alle retten kann. Ich dachte immer, dass Suizidgedanken heilbar sind. Dass es immer einen Ausweg gibt. Warum helfen die anderen nicht besser? Warum machen sie den Wert des Lebens nicht begreifbar? Warum sind sie nicht für ihre suizidalen Mitmenschen da? Warum tut denn keiner was!? Warum begreifen sie denn nicht, dass sie ihr Leben aufgeben und damit alles auch die Chance auf ein besseres Morgen!? Aber das Buch hat mir erklärt: nur weil ich mir das nicht vorstellen kann, heißt es nicht, dass es nicht so großen Schmerz gibt. Auch das ist eine Form von Respekt und eine Wahrheit, die man (ich) akzeptieren muss.
„Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“ Reni Eddo-Lodge
White Privilege und Mikro-Aggressionen halten inzwischen auch in Schulungen über Arbeitsplatz-Integrität, Inklusion und Firmenphilosophien ihren Einzug – dankbarerweise. Dennoch erlebe ich sehr sehr oft, dass sich Menschen in ihren weißen, privilegierten Bubble zu wohl fühlen und relativ schnell wegwischen, was endlich im öffentlichen Diskurs angekommen zu sein scheint (oder auch nicht?) Ich halte mich für aufgeklärt und runzle inzwischen die Stirn über die Male, wo ich Leute mit einer anderen Hautfarbe als meiner gefragt habe, wo sie herkommen. Vielleicht war meine Intention nicht fies, vielleicht habe ich es nett gemeint, trotzdem habe ich es dumm angestellt – das weiß ich heute. Reni Eddo-Lodges Buch hat mir aber nochmal einige Denkanstöße mehr mitgegeben. Leider habe ich es noch nicht im Blog besprochen, aber das kommt noch.
Die Autorin verfolgt eher den Ansatz, dass Weiße sich am Diskurs über Hautfarbe und Diskriminierung gar nicht beteiligen sollen, weil sie es nie nachempfunden haben und einfach nicht wissen, wovon sie sprechen. Das erschien mir zu Beginn des Hörbuchs fast schon radikal. Am Ende eigentlich auch noch. Aber ich verstehe ihren Standpunkt. Nicht selten denke ich mir: wenn man was nicht weiß, einfach mal die Klappe halten. Und von dem Standpunkt aus gesehen … hat sie recht. Punkt. Was mich aber am meisten beeinflusst hat, sind ihre Aussagen zum Black Feminism. Eddo-Lodge sagt nämlich, dass Black Feminism etwas vollkommen anderes als weißer Feminismus an sich ist und man bloß nicht versuchen solle alle in einen Topf zu werfen. Fair enough. An den vielen Fragezeichen während des Hörens habe ich sehr deutlich gemerkt, dass ich mich für aufgeklärt halte, aber immer noch jede Menge Luft nach oben ist. Sich auf dem was man weiß auszuruhen und als „informiert genug“ zu erklären ist der Anfang des stehen bleibens.Was das betrifft, habe ich also nicht nur in Punkto White Priviledge und Gleichberechtigung viel durch das Hörbuch gelernt.
Header image/photo credit: Janko Ferlič
Da übrigens nicht alle Bücher meine Weltsicht fundamental geändert haben, sondern vielleicht auch mal nur Erkenntnisse lieferten (trotzdem ungemein wichtig) oder meinen Geschmack beeinflussten (vermutlich auch sehr wichtig), habe ich mir erlaubt den Titel etwas zu verändern im Vergleich zu Sunitas Beitrag. Welche Bücher haben euch oder eure Weltsicht verändert? Wenn ihr das möchtet, nehmt das gern als Anlass für ein Stöckchen, eine Blogparade oder einen TAG – oder wie auch immer man das inzwischen nennt. 😉 Der Beitrag hier erscheint in der Reihe „Literarische Fundstücke“ – hier geht es zu allen anderen Beiträgen.
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