Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Nope“

Das mag für einige falsch klingen, aber ich sage das mit sehr viel Wohlwollen. Mit Jordan Peeles Filmen und Serien ist es wie mit anderen Größen des Horror- und Science-Fiction-Genre wie M. Night Shyamalan. Sie liefern neue Einflüsse, trauen sich was und man geht vorrangig auch einfach nur ins Kino um zu sehen, was sie sich dieses Mal einfallen lassen. Jordan Peele und seine Filmografie sind zudem maßgeblich daran beteiligt schwarzes Genrekino zu schaffen und beinhalten sehr deutliche gesellschaftskritische Untertöne in Hinblick auf z.B. Racial Profiling. Hält „Nope“ all diese Versprechen? Die Besprechung ist (und das ist knifflig) spoilerfrei.

Kurze Antwort: ja! Allerdings ist der Film deutlich subtiler als Peeles Vorgängerwerke Get Out und Wir. In Nope versuchen Otis Jr. „OJ“ (Daniel Kaluuya) und seine Schwester Emerald „Em“ Haywood (Keke Palmer) das Familienunternehmen zu retten und wieder Aufträge an Land zu ziehen. Sie sind Tiertrainer für das Filmbusiness und auf Pferde spezialisiert. Während OJ für eigentliche Training zuständig ist, scheint Em mehr die Show-Persönlichkeit zu haben. Trotzdem klappt es mehr schlecht als recht. Sie sehen sich gezwungen Pferde an den Western-Themepark des ehemaligen Show-Kids Ricky „Jupe“ Park (Steven Yeun) zu verkaufen. Nebenbei wird ihre Ranch von einigen seltsamen Ereignissen heimgesucht. Gegenstände fallen vom Himmel, der Strom fällt flächendeckend aus, die Pferde verhalten sich seltsam. Da entdeckt OJ eines nachts vielleicht den Grund – ein UFO.


Nope | Offizieller Trailer #2 deutsch/german HD, Universal Pictures Germany, Youtube

In einer sehr treffenden Letterbox Review las ich wie dessen Urheber:in schrieb: „Nope did to cloudporn what Jaws did to swimming“ und ich fand das sehr passend. Wenn sich das UFO, von  OJ als Jean Jacket bezeichnet, in den Wolken versteckend grausame Spiele mit den Haywoods erlaubt, dann verfehlt das nicht seine Wirkung. Vorrangig liegt das am schieren Ausmaß des UFOs und dem Horror des scheinbar alltäglichen in der eigenen Komfortzone („komisch, die Wolke da bewegt sich gar nicht“), die plötzlich gar nicht mehr komfortabel ist. Hoffentlich ist es nicht zuviel verraten, wenn ich sage, dass das noch längst nicht das Ende der Erklärung ist, was es mit „Jean Jacket“ auf sich hat. Angenehm und anders als durch den ersten Trailer erwartet, planen die Haywoods daraufhin das UFO als Anlass zu nehmen und ihre Haushaltskasse aufzubessern. Sie wollen wenigstens ein Foto oder Video davon und damit reich werden. Unterstützung bekommen sie dabei vom Techniker Angel Torres (The OAs Brandon Perea). Alle Drei müssen aber schon bald lernen, dass sie das Artefakt besser nicht herausfordern sollten.

Das ist ein erster Anhaltspunkt auf den größeren Subplot und die Botschaft Nopes. Jordan Peele zeichnete sich auch dieses Mal für Produktion, Regie, Drehbuch und Idee verantwortlich und greift konsequent die Ausbeute durch Medien anhand vieler Beispiele auf. Zu Anfang des Films ist es der Jockey in Eadweard Muybridges erster Bewegtbild-Sequenz The Horse in Motion. Die zeigt einen Jockey auf einem Pferd. Während sogar der Name des Pferdes Credit erhält, wurde der Name des schwarzen Jockeys vor dem Angesicht der Geschichte gelöscht. Die Haywoods geben im Film an Nachfahren des Jockeys zu sein. Weitere Beispiele für das Ausschlachten in den Medien werden im Film genannt. So beispielsweise die Sequenz um den amoklaufenden Affen Gordy und die Verbindung Jupes zu diesem brutalen Vorfall. Häufig ist es v.A. dann ein Spektakel in den Medien, wenn Blut, Trauma, Skandal und „schlechte Wunder“ involviert sind. Auch O.J.s Name alleine ist eine Anspielung auf die Ausschlachtung der Medien und Anlehnung an den Fall O.J. Simpson, ein weiterer Wink in Richtung in Ungnade gefallenen Fernsehstars, deren Trauma, Gewalt oder Exzesse aber stets noch eine Schlagzeile hergibt. Dass die Haywoods profitieren wollen, aber nicht um jeden Preis, macht sie zu Helden.

Apropos Helden: in Nope schafft Jordan Peele eine gelungene Story um schwarze Cowboys bzw. Cowgirls und gemessen an Steven Yeun auch asiatischen. Längst überfällig. Eine gewisse Parallele zwischen Ausbeutung durch Medien und Racial Profiling ist außerdem vorhanden. Ist es doch alles mit Stereotypen verbunden, an denen sich eine Instant festklammert. Auch das Katz- und Maus-Spiel zwischen den Haywoods und dem UFO zieht eine Parallele zu Jäger/Beute-Verhalten: „Nicht direkt ansehen!“ Apropos Katz und Maus. Hoyte van Hoytemas Kameraarbeit bekommt besondere Aufmerksamkeit in einer Motorradfahrt-Sequenz und den diversen Versteckspielen OJs mit Jean Jacket. Nope hat durch und durch und durch Schauwerte und unverbrauchte Ideen. Die beste davon ist wohl die mit dem Spiel um die Erwartungen an kleine grüne (oder graue) Männchen. In Verbindung dazu halte ich übrigens die Sequenz mit dem aufrecht stehenden Schuh für einen Red Herring, der wiederum beweist wie gut Jordan Peele sein Handwerk versteht. Dankbarerweise bricht er auch mit Mustern, in dem er statt wie zu oft in Horrorfilmen gesehen seine Charaktere dem offensichtlich tödlichem Drang mit einem saftigen „Nope“ der Gefahr trotzen lässt. Nope, er steigt jetzt nicht aus dem Auto aus und geht nicht in den sicheren Tod. Nope. Überlebt er den Rest aber auch?

Was ist ein „schlechtes Wunder“? Klingt nach etwas, das einem das Leben schwer macht. Das einen aber auch in Aufruhr versetzt. Man möchte stehen bleiben und kann kaum wegschauen. Das beschreibt sowohl das übergroße am Himmel schwebende Problem der Haywoods als auch das Medieninteresse, das Trauma und Gewalt magnetisch anzuziehen scheint. Die Gedanken sind faszinierend, aber um all das zu verknüpfen, hätte der Film noch bissiger sein können. Wird Nope sicherlich als Horrorfilm promoted ist es eher ein Thriller mit Westerneinfluss und einem Hauch Science-Fiction. Für zartbesaitete ist es vielleicht Horror. Für mich hätte der Film noch eine Schippe drauflegen können. Jump Scares beherrscht Nope, aber das macht noch längst keinen Horror, sondern ist ein eigentlich einfach zu erreichendes, weil sehr mechanisches, Stilmittel. Zudem investiert der Film Zeit in Passagen um die Haywood Familiengeschichte, die es wahrscheinlich für das Endresultat nicht gebraucht hätte. Natürlich will ich eigentlich nicht auf Keith David als OJs und Ems Vater verzichten! Zumal es auch einige Bilder und Schlüsselszenen gab, die wirklich Eindruck hinterlassen haben. Nur waren die letzten Endes vielleicht trotz Allem überflüssig. Und ja, es tut etwas weh das zu sagen, aber in der Tat hätte Nope etwas stringenter, pointierter, konzentrierter sein können.

Nope, USA, 2022, Jordan Peele, 130 min, (7/10)

Sternchen-7

Yep oder Nope? Wie hat euch Peeles neuster Streich gefallen? Würdet ihr den als Horrorfilm betrachtet oder so ähnlich wie ich eher weniger? Was waren eure Erwartungen an den Film? Habt ihr eventuell eine andere Erklärung für manche der Elemente des Films? Falls ihr ihn schon sehen konntet: hat er euch in einige Aspekten auch an Neon Genesis Evangelion erinnert? 😉

6 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Danke… an Neon Genesis Evangelion musste ich auch denken

    Ich mochte den. Gerade der Akte-X-Liebhaber in mir war sehr begeistert.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Jaaa, Internet High Five! Ich suche noch den Interview Schnipsel in dem Jordan Peele dann endlich über seine Inspiration aus Evangelion spricht….

      Akte X Vibes hat es für mich nicht so wahnsinnig getriggert, aber wenn man das „UFO“ am Himmel sieht und es schnell wegflitzt, dann hat das schon was, ja. 🙂

  2. Bin immer noch am überlegen, ob ich mir „Nope“ anschauen soll… Deine Rezension klingt jedenfalls schonmal gut und ist mehrsagender als der Trailer. Mal schauen. Von Jordan Peele kenne ich bisher nur „Get Out“. Den Film fand ich gut und erfrischend anders und hat einen bzw. mich mal wieder dazu animieren können, einen Horrorfilm zu schauen. 🙂 Und Jordan selbst kenne ich noch aus seinen „MAD TV“ Zeiten. ^^

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Oh, da kennst du mehr als ich. 🙂 Ich habe nur Get out und Us gesehen und kenne das frühere Schaffen Peeles gar nicht. Aber mir gefällt auch sehr gut wie er Horror mit zeitgeistigen Debatten verbindet. Und v.A. wie er immer wieder einen doppelten Boden einbaut. Irgendwas, dass man nicht hat kommen sehen.

  3. […] der Leseplatz auf dem Balkon zu verlockend. Gesehen habe ich aber dann doch einen Film im Kino: Nope. War ok, aber blieb etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Bei Serien war es ähnlich. Nach […]

  4. Avatar von BoomHoschi
    BoomHoschi

    Ich fand „Nope“ wirklich gut und ist für mich eher in der Kategorie Sci-Fi-Thriller (insbesondere der Schlussakt) mit Westernelementen (die überwiegend erste Hälfte des Filmes) zu verstehen, ansonsten kann ich mich deiner Rezension voll anschließen.
    Besonders krass gut fand ich den Sound, der passte für mich in jede Szene und hat den Film bestens untermalt bzw. noch mehr hervorgehoben.

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