Ich hatte Urlaub! Und ich war in Venedig! Es war blendendes Wetter und die Stadt ist großartig. Aber bitte kein Neid, denn in der Woche davor hatte ich auch eine Wurzelbehandlung und etwas Angst, dass die sich im Urlaub meldet. Na? Jetzt will keiner mit mir tauschen, oder? 😉 Aber zurück zu den schönen Dingen. Mal die Lagunenstadt zu besuchen stand auf meiner Bucket-List. Und es war wunderbar. Wir glitten auf Gondeln durch den Canal Grande, tranken Spritz und mein Kopf ist voll mit Kunst, Eindrücken und Bildern. Venedig hallt nach. Und das Echo möchte ich mir gern noch eine Weile behalten. Zur Einstimmung und zum Ausklingen lassen sah ich jeweils Filme, die in Venedig spielen. Leider reichte es nicht für ein 7ème art. 😉 Also gibt es stattdessen hier und heute ein halbes 7ème art mit drei Filmen, die in Venedig spielen. Begleitet von ein paar Urlaubsfotos. Überraschenderweise wurde das auch Teil meines Projekts #MCUAufholen.
Wenn die Gondeln Trauer tragen
Nicolas Roegs Verfilmung von Daphne du Mauriers Roman gilt als absoluter Klassiker des Schauerfilms. Wenn die Gondeln Trauer tragen bzw. im Original Don’t Look Now ist wohl der, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man Venedig im Film entdecken will. Die Handlung beginnt mit dem plötzlichen Tod der Tochter von John (Donald Sutherland) und Laura Baxter (Julie Christie). Das Mädchen ertrinkt in einem Teich hinter dem Haus der Familie. Besonders tief sitzt der Schmerz für die Eltern, weil der Tod der Kleinen so vermeidbar wirkt, wenn nur irgendwer von ihnen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen wäre. Einige Zeit später leben beide zeitweise in Venedig, da John dort eine Kirche restaurieren soll. Aber die Trauer verfolgt sie bis in die Lagunenstadt. Eine Gestalt scheint sie durch die Gassen Venedigs zu verfolgen und trägt den roten Mantel ihrer Tochter.
Wenn die Gondeln Trauer tragen ist zu gedehnt und gediegen, um wirklich Schauer und Grusel zu erzeugen. Sicherlich abhängig vom Geschmack der Zuschauenden. Viel mehr ist der Film stimmungsvoll durch Labyrinth der engen Gassen und Brücken Venedigs, nicht selten im Dunkel oder tristem Grau. Interessant ist, dass Laura anfangs als die vulnerable dargestellt wird. Als ein vermeintliches Medium ihr von dem Geist ihrer Tochter erzählt, denkt man noch, dass das der letzte Stoß für Laura wird. Dass die Trauer sie auffrisst. Letzten Endes ist es aber eher so, dass Laura dadurch den Verlust vielleicht sogar eher verkraftet als ihr Mann. John, eher rational, sorgt sich um seine Frau und ignoriert all die Warnungen und das Foreshadowing um die Gefahr für ihn selbst. Ist es die nicht geleistete Trauerarbeit Johns, die ihn alles ignorieren lässt? Schuldempfinden, das zu Todessehnsucht wird, auch wenn er versucht das zu unterdrücken? Auch das entwickelt sich sehr langsam und könnte etwas mehr Schlagkraft haben. Wofür Nicolas Roegs Verfilmung aber zu Recht in die Filmgeschichte einging ist der Symbolismus, der Hand in Hand mit Vorausdeutungen geht. Der rote Mantel und das Wasser sind Reminiszenzen an den Tod der Tochter. Roegs langjährige Tätigkeit hinter der Kamera hat sensibilisiert für ein Konzert aus meisterlichen match cuts, das geradezu mustergültig ist. Und einer der wohl denkwürdigsten Eröffnungssequenzen der Filmgeschichte. Ach ja. Und dann ist da noch der Skandal um die angeblich echte Sexszene zwischen Julie Christie und Donald Sutherland. Das hat nur mit der filmerischen Qualität nicht soviel zutun. 😉
Wenn die Gondeln Trauer tragen (OT: Don’t Look Now), Italien/UK, 1973, Nicolas Roeg, 105 min, (7/10)
Was man in dem Film von Venedig sieht, sind weniger die großen Sehenswürdigkeiten, sondern v.A. die Gassen Venedigs. Das, worin man sich, brückab, brückauf, dann auch wirklich bewegt. „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ spielt wohl eher im Spätherbst und wirkt trister und grauer als ich es erlebt habe. Aber was sich definitiv genauso oder ähnlich transportiert ist der gotische Charme der Stadt und Gassen, mit einem leichten Hauch von „romantischem Verfall“. Außerdem sieht man in dem Film John und Laura im Giardini spazieren, einer der wenigen Grünflächen der Lagunenstadt. Die Kirche die John restauriert ist übrigens San Nicolò dei Mendicoli im Stadtteil Dorsoduro.
Brot und Tulpen
An der Autobahn-Raststätte vergessen: ihre Familie fährt mit der Reisegruppe ohne Rosalba (Licia Maglietta) weiter. Nur noch bitterer ist, dass sie ihre Abwesenheit nicht bemerkt haben. Trotzdem brüllt ihr Mann sie am Telefon an, als ob es ihre Schuld wäre. Als Rosalba dann per Anhalter nach Hause fahren will, sagt einer zu ihr: warst du schon mal in Venedig? Nein, war sie nicht. Und die Idee des Ausbrechens aus dem alten Trott ist geboren. Statt nach Hause zu fahren, macht Rosalba Urlaub in Venedig. Die nächste Bahn verpasst sie dann. Die Kohle wird knapp und sie sucht sich einen Job. Und bleibt vielleicht da? Vielleicht ist auch die verschrobene Freundlichkeit des Kellners Fernando (Bruno Ganz) nicht ganz unschuldig. Aber ihre Familie macht Rosalba ausfindig.
Beschämend ist, dass die Familie das vor Allem tut, weil niemand mehr zuhause aufräumt und ach ja, was sollen denn die Nachbarn denken!? Brot und Tulpen erzählt mit Rosalba und Fernando von zwei Menschen, die verlernt haben zu Leben. Rosalba hat vor lauter Todos in ihrer Hausfrauenrolle übersehen, dass es auch noch andere Arten gibt zu leben, selbstbestimmtere vor Allem. Fernando kommt die Lust am Leben abhanden. Das merkt man besonders gut in den Szenen in denen Rosalba immer dann reinplatzt, wenn er sich gerade erhängen wollte. Zuschauende ahnen hier schon sehr deutlich in welche Richtung der Film geht. Brot und Tulpen hat die Tragikomödie nicht neu erfunden und startet sehr langsam. Der Film könnte anfangs gut 30 Minuten wegkürzen.
Was Brot und Tulpen aber auch hat, sind wahnsinnig liebenswerte und verschrobene Charaktere. Man nehme alleine Fernando, der kein gebürtiger Italiener ist, aber über ein beachtliches Vokabular verfügt. Bruno Ganz spielt einen ausgesprochen höflichen, aufrechten und sich krampfhaft geschwollen ausdrückenden Mann, sodass man ganz gern mal mit ihm einen Espresso trinken und ein bisschen über sein Leben ausquetschen würde. Manche der neuen Akteure in Rosalbas Leben mögen Stereotypen sein, aber sie gehen alle ans Herz. Inszenatorisch ist der Film schön, aber auch etwas unaufgeregt. Es gibt aber Schlüsselszenen und Symboliken, die Spaß machen. Rosalbas Flucht durch enge Gassen nimmt dankbarerweise mehr Raum ein als Sightseeing. Trotzdem sieht man in einer besonderen Szenen wie sich der Campanile in Rosalbas Sonnenbrille spiegelt als sie auf den Markusplatz schreitet. Das hat was. Was ich dem Film und uns wünschen würde: ein remastertes Release auf Disc. Aber irgendwie wünsche ich das eben auch jedem Film … . Die titelgebenden Brot und Tulpen sind übrigens die kleinen Gaben, mit denen Fernando und Rosalba gegenseitig ihre Wertschätzung ausdrücken und uns erinnern, dass Beziehungen ein Geben und Nehmen sind.
Brot und Tulpen (OT: Pane e tulipani), Italien/Schweiz, 2000, Silvio Soldini, 114 min, (7/10)
Was man in dem Film von Venedig sieht, sind jede Menge kleine typische Gassen, Plätze und Brücken. 🙂 Vaporetti (die Wasserbusse) und natürlich auch die oben besprochene Sightseeing-Szene mit dem Campanile und dem Markusplatz.
Spider-Man: Far From Home
– die Besprechung enthält Spoiler für Avengers: Endgame
Nachdem die Avengers die fehlende Bevölkerung des Universums zurückgebracht haben, gibt es Wachstumsschmerzen, Anpassungsschwierigkeiten und Schulklassen zu wiederholen. Auch Peter Parker (Tom Holland) ist wieder da und sieht in den Sommerferien seine große Chance gekommen auf einem Schulausflug MJ (Zendaya) seine Liebe zu gestehen. Ist doch romantisch so am Eiffelturm oder in Venedig!? Und klar – wer würde nicht gern in den Sommerferien mit seinen Lehrern und Mitschülern durch Europa reisen? Könnte mir kaum was besseres vorstellen. (Ironie Ende.) Dummerweise sind da auch die Elementals, die überall auf der Welt Katastrophen ausrichten und Nick Fury (Samuel L. Jackson), der der Meinung ist, dass Peter was dagegen ausrichten soll. Unterstützung gibt es aber u.a. durch den geheimnisvollen Quentin Beck alias Mysterio (Jake Gyllenhaal).
Spider-Man: Far From Home strotzt nur gerade so vor Ideen, die eine Serie hätten füllen können, es aber nicht tun und stattdessen in einen überlangen Spielfilm gequetscht wurden. Für die Geschichte um die Elementals und Mysterio hätte es bei Weitem keine Klassenfahrt gebraucht. Aber natürlich sind die Bestrebungen groß die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft als Identifikationsfigur für die jüngeren Fans des MCU weiter zu etablieren und die lange Liste an MCU-Filmen mal mit ein paar neuen Eindrücken auszustatten. Beispielweise europäischen? Lange Rede, kurz zusammengefasst: der Film ist zwar lustig, aber in der ersten Hälfte schmerzhaft irrelevant.
Die Highschool-Comedy-Einlagen lenken recht gut davon ab, ebenso das Klassenfahrtfeeling. Die Kulissen der Europareise (neben Venedig u.a. auch gedreht an Originalschauplätzen in Tschechien) verschwinden leider zu oft in einem CGI-Feuerwerk. Das alte Leid der MCU-Filme. Zuviel Boom, zu wenig gute getimte Emotionen. Zum eigentlichen Kern der Handlung kommt es durch die Länge eher schmerzlich spät. Der liegt darin, dass Peter trotz der traumatischen Kämpfe gegen Thanos seine Verantwortung stellen soll. Wir erinnern uns, da war ja was – Aus großer Kraft folgt…, usw. Erinnert wird er daran durch ein Memento Tony Starks, das natürlich auch mit High-Tech daherkommt. Das viel stärkere und interessantere Motiv sind wohl aber Fake News und Desinformation, deren Gefahr erst ganz am Ende zum Wirken kommt. Einerseits so viele wünschenswerte Motive, aber so wenig Platz dafür. War es das richtige Format? Ich denke nicht. Obwohl ich viel Spaß an Jake Gyllenhaal in dieser untypisch wirkenden Rolle hatte.
Spider-Man: Far From Home, USA, 2019, Jon Watts, 130 min, (6/10)
Was man in dem Film von Venedig sieht, sind v.A. der Canal Grande und die Wasserkulissen vor den Häuserfronten Venedigs. Die Clique hat besonders viel Spaß an den Boots- und Gondelfahrten, Souvenirständen nahe der Rialtobrücke natürlich. Auch einige der spektakulären Kämpfe finden auf dem Wasser statt. Auch am Arsenale spielt ein Teil der Handlung, an den ich mich allerdings wenig erinnern kann. An der Santa Maria Formosa ebenso, deren Glockenturm empfindlich in Mitleidenschaft gezogen wird. Leider habe ich dort verpasst ein Foto zu machen; genauso wie beim da Vinci Museum. Das wurde im Film übrigens in ein anderes Gebäude verlegt.
Von allen drei Filmen stellt Spider-Man Venedig am wenigstens originalgetreu dar, weil enorm touristisch, enorm am CGI-Hebel gedreht und auch ein bisschen zu „kreativ“ geworden dabei. Die anderen Filmen zeigen wiederum ein deutlich leereres Venedig als ich es erlebt habe. Wahrscheinlich im Spätherbst, wenn nicht sogar Winter, gefilmt. Und: an den Orten, durch die man besonders viel läuft. Kleine, lauschige Gassen statt Touristenhochburgen. Die filmische Reise hat viel Spaß gemacht und ich sollte das jetzt bei jeder Reise tun. 🙂 Einmal habe ich das übrigens schon: Tokyo im Film. Was ich dank der kleinen Werkschau auch gemerkt habe: Nicolas Roeg hat einige Filme gemacht, die ich sehr liebe (bspw. Hexen hexen) oder auf andere Weise sehr schätze (Der Mann, der vom Himmel fiel). Und an dieser Stelle noch ein Geständnis: Spider-Man habe ich gesehen ohne zu wissen, dass die Reise die Kids u.a. nach Venedig verschlägt. ^^ Das war also einfach ein sehr passender Zufall. Welche Venedig-Filme kennt ihr? Und habt ihr die da oben gesehen?
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