Vor Kurzem wurde mit Trigun Stampede ein Remake des Trigun-Anime bzw. -Manga angekündigt. Trigun wurde bereits 1998 als 26-teilige Animeserie umgesetzt, die ich nie zu Ende gesehen habe. Auch die Mangas habe ich gelesen. Und auch nicht bis zum Finale. Als ich den Trailer der 3D-Anime-Adaption sah, die offenbar 2023 rauskommen soll, war ich gelinde gesagt nicht begeistert. Der Look in dem man ein Medium das erste Mal erlebt hat, bleibt eben hängen. Die kommende 2023er-Version ist anders. Hat sicherlich auch Chancen dazu vieles besser zu machen als der Anime. V.A. hat mich das dazu gebracht den alten endlich mal von Anfang bis Ende zu schauen und heute zu besprechen – spoilerfrei.
„The Humanoid Typhoon“
Das Setting: Gunsmoke, ein Wüstenplanet. Die in verstreuten Siedlungen lebenden und von „Plants“ (Kraftwerken) abhängigen Bewohner leben das Western-Feeling. Inklusive Sand. Viel Sand. Und Kopfgelder sind ebenso nichts außergewöhnliches wie Banditen. Die Versicherungsagentinnen Millie Thompson und Meryl Stryfe werden auf den Fall Vash the Stampede angesetzt. Nicht, weil auf seinen Kopf schon längst 60 Milliarden $$ ausgesetzt sind, sondern weil er im Begriff ist als Naturkatastrophe eingestuft zu werden – die höchste Schadensstufe. Die bürokratische Unantastbarkeit. Das „Was soll man da schon tun? Das war halt Vash!“ Er soll die Stadt July allein in Schutt und Asche gelegt haben. Was ist das für ein Kerl? Mythen gibt es genug. Als sie Vash dann begegnen, stellt der sich als eher tollpatschig heraus, stolpert mehr in die Katastrophen als alles andere. Versucht er was Gutes zutun, endet es stets in Zerstörung. Das kann doch nicht der Vash the Stampede sein? Der mit dem Beinamen Humanoid Typhoon? Oder?
Trigun – Opening HD, Redthundereign, Youtube
„Er hat uns zwar gerettet, aber irgendwie ist er peinlich“
Auf ihrer Reise treffen Millie und Meryl den blonden Typen mit den abstehenden Haaren, dem roten Mantel und den „Love and Peace“-Sprüchen immer wieder und verneinen immer wieder, dass er Vash sein könnte. Bis dahin stellen sie sich den kuriosesten Banditen. Ist es immer nur ein Zufall, dass der dorky Typ jedes Mal in die Katastrophe stolpert, Millionenschäden hinterlässt, aber die Bösen zur Strecke bringt und dabei nicht mal Personen zu Schaden kommen? Irgendwann wissen sie es dann, dass Vash wirklich Vash ist. Den Beweis liefert wie unglaublich zäh und was für ein phänomenaler Schütze er ist. Hier macht der Anime zwar etwas spät, aber doch deutlich, dass er sich ins selbst erfundene Genre der deep space future gun action einreiht. Es wird staubig und fast schon etwas steampunkig wie sich hier die Technik und der Weltraum in den Wüstenplaneten einfinden. Alles mit einem leichten Hauch von Mangel und Verfall. Gibt es schon das Genre Dirt-Steampunk?
Irgendwann latscht sich aber trotz der wirklich witzigen Comedy-Einlagen das Motiv der steten Zweifel Meryls und Millies aus. Man wünscht sich, dass die Handlung voranschreiten kann und wir etwas mehr über Vash erfahren und dafür nicht ein Drittel der Serie abwarten müssen. Richtig konkret wird es dann leider sogar erst in den letzten zehn Episoden, wenn wir mehr über Vash erfahren und die Serie sowohl Yasuhiro Nightows ersten Vash-Manga Trigun (トライガン) als auch die Fortsetzung Trigun Maximum (トライガンマキシマム) beinhaltet. Das Warten lohnt sich zwar und die Serie wird um einiges spannender, aber … wer wartet so lang?
Love and Peace.
Auf dem Weg dahin trifft Vash viele Verbündete, u.a. auch den schusssicheren Wanderprediger Nicolas D. Wolfwood, der zum Comic Relief auch nochmal beiträgt. Aber häufig auch hinter Vashs Fassade blickt. Die Andeutungen über Vashs schwere Vergangenheit und schiere Unsterblichkeit werden mehr, die moralischen Fragen größer. Wer bis hierhin durchhält, wird belohnt. Das nicht immer alles nachvollziehbar ist, wird wieder gut gemacht, wenn ganz am Ende alles erklärt wird. Vashs Kampf gegen Ende ist hart, persönlich und schmerzhaft in einem Ausmaß, dass man anfangs nicht hat kommen sehen. Man wünscht dem Kerl ein klassisches Happy End. Millie, Meryl und allen ihren Weggefährt:innen auch. Am Ende hat mich Trigun tatsächlich sehr gerührt. Es beginnt recht langsam mit Vashs Wunsch nie jemanden töten zu müssen und der Suche nach Vergebung. Einem Neuanfang mit reinem Tisch. „The ticket to the future is always blank“ heißt es da. Später verdichten sich die Motive und Vashs Wunsch nach „Love and Peace“ zu Fragen was die richtige Lebensweise ist. Weltschmerz und Bevölkerungstrauma geben sich die Hand. Der Planet auf dem sie alle leben stellt sich als ein lange gehegter Traum heraus, aber auch ein Ort der Verdammnis, da er die Erwartungen nicht erfüllt, die man bei seiner Besiedlung hatte. Der Wunsch nach einem Neuanfang beißt sich mit der Gier und Fähigkeit der Menschen zu hassen.
Es ist Vashs persönliches Trauma immer wieder seine Mitmenschen zu verteidigen, aber auch Zeuge ihrer Verbrechen zu sein. Umso schöner ist es, dass er die Menschen nie aufgibt. Vash ist ein absoluter Widerspruch. Er hasst es allein zu sein. Aber ist er es nicht, werden alle um ihn herum verletzt. Nicht zuletzt wegen des großen Widersachers, dem er sich am Ende doch noch stellen muss. Ganz schön viel Holz, Metall und Staub? Oh ja. Zuschauende werden mit einer faszinierenden und spannenden Serie voller moralischer Fragen und liebenswürdig verschrobener Charaktere belohnt, wenn sie denn bis zum Ende durchhalten. Denn nicht nur hat Trigun am Anfang Längen, die an Langeweile grenzen und kommt nicht auf den Punkt. Auch die 90er-Jahre-Anime-Optik mit ihrem „quadratisch, praktisch, gut“-Look ist nicht besonders hinreißend und schon gar nicht mehr gut aufgelöst. Es ist ein Jammer. Am Ende ist das Remake wirklich von Nöten? Wären natürlich alle 26 Episoden so animiert wie die letzten, dann sähe das anders aus und wäre alles irgendwie einfacher. (7/10)
„The ticket to the future is always blank.“
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Stand heute kann man den 90er-Jahre-Anime „Trigun“ auf Netflix schauen. Ab irgendwann in 2023 wurde das 3D-Remake „Trigun Stampede“ für Crunchyroll angekündigt. Wie man vielleicht herausliest, bin ich nun also doch sehr froh den Anime zu Ende geschaut zu haben. Spät aber doch steigt Vash in den Olymp meiner Anime-Lieblingscharaktere auf. Mit dem 3D-Spektakel, dass da auf uns zukommt, bin ich nun etwas versöhnter, weil der offenbar Vashs Geschichte etwas mehr aus seiner „Origin-Story“ heraus aufzäunt, die ich auch hier in der alten Serie spannender fand. Andererseits: es hatte schon einen gewissen Reiz wie wir mit Millie und Meryl rumrätseln, ob der witzige Typ da wirklich der „humanoid typhoon“ sein kann. Kennt ihr Anime oder Manga?
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