Noch schnell am Samstag geschaut, um bei den Oscars sinnvoll mit tippen zu können und einmal sagen zu können: ich habe einen Spielberg-Film im Kino gesehen. Hat das nun so den großen Unterschied gemacht? Hat es sich gelohnt? Soviel vorweg: Im Nachhinein gesehen hätte ich lieber irgendeinen anderen Spielberg-Film im Kino sehen sollen. Die Besprechung ist spoilerfrei.
Warum hat Steven Spielberg wohl den Film nicht nach sich selbst benannt, obwohl er lose auf seiner eigenen Biografie und Kindheit beruht? Zu sehr in your face? Vermutlich eher nicht genug. Der Titel Die Fabelmans scheint schon zu sagen, dass hier manches vielleicht märchenhaft überhöht ist, anderes vielleicht schönere Bilder hat und manches auch nicht ganz so passiert ist. Es ist eben nicht 1:1 Spielbergs Biografie, auch wenn man das beim Nachlesen von Spielbergs Leben denken könnte. So ist es hier ein Junge namens Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle), der seit seines ersten Kinobesuchs fasziniert davon ist realitätsgetreu Geschichten zu erzählen. Welche von großen Emotionen oder um der Herausforderung nachzukommen durch Technik und Tricks Illusionen zu erzeugen. Rückendeckung bekommt er dabei v.A. von seiner Mutter Mitzi (Michelle Williams), die selber künstlerisch tätig ist. Wohingegen sein Vater Burt (Paul Dano) es lieber sehen würde, wenn das Filmen ein Hobby bliebe und Sammy was „handfestes“ lernt und arbeitet. Nur einer von vielen Konflikten in Sammys Aufwachsen, in denen das Filmen Eskapismus und Verarbeitung dient. Jedenfalls bis es das nicht mehr tut.
Die Fabelmans | Offizieller Trailer deutsch/german HD, Universal Pictures Germany, Youtube
In Sammy Fabelmans Geschichte mischt sich auch der Antisemitismus, den er erlebt und das Entwurzeln durch ständiges Umziehen. Die Erwartungen an die perfekte Mutter und Ehefrau sind es u.a., die Mitzi manisch-depressiv machen. Dabei ist Sammys Entfliehen in Filmprojekte vorprogrammiert und nicht kritikfrei. Als seine Filme aber dafür sorgen, dass er sich der Probleme seiner Familie bewusst wird, schmeißt er gar für längere Zeit ganz hin. Zwar ist die „persönliche Filmreview“, je nachdem wen man fragt, verpönt, aber ich sag’s trotzdem: ich kenne das Gefühl. Auch wenn ich nie so erfolgreich wurde oder sein werde wie Steven Spielberg, habe ich das professionelle und selbst hobbymäßige Zeichnen nach einem großen Misserfolg und einer privaten Zerreißprobe in der Phase aufgegeben, wo es mir eigentlich am meisten hätte helfen können. Dass Sammy also etwas wichtiges fehlt, als er es am meisten brauchen könnte, fühle ich.
Auch der Film selber gewinnt sehr viel durch Sammy Fabelmans Filmprojekte. Fast lehrbuchartig nimmt er aus jedem seiner Filme eine Erkenntnis für sein Leben mit – oder andersrum. Die Cleverness mit der er Laiendarsteller in emotionale Situationen heranführt und plötzlich Höchstleistungen aus ihnen herauskitzelt oder auch die Rafinesse handgemachter Effekte sind witzig oder bringen zum Staunen. All das ist auch v.A. deswegen so wichtig, weil der Rest des Films sich nicht alleine tragen könnte.
Die Familiengeschichte der Fabelmans ist in den ersten 15 Minuten vorhersehbar, weswegen die nachfolgenden Krisen und anstrengende Theatralik konstant wie ein touch too much wirken. Alle Charaktere sind so drüber und dabei so einseitig gezeichnet, dass man nicht unbedingt Spaß damit haben kann. Da ist der rationale Vater, der in seinem technischen Beruf aufgeht und mit anderen am ehesten kommunizieren kann, indem er ihnen Vorträge über Technik und Physik hält. Als Gegenpol die Mutter, die unerkannt in einer handfesten Krise steckt und mit verzweifelt-manischen Aktionen gegensteuert. Dann kommt da noch der wirre Onkel, die fanatische Freundin, es ist alles sehr gestelzt. Obwohl Spielberg sagt, dass die Arbeit an dem Film ihm seine Schwestern näher gebracht hätte als je zuvor, bleiben die im Film relativ austauschbare Charaktere, die man mit jeder anderen kleinen Schwester irgendeines anderen Films ersetzen könnte. Für Comic Relief sorgen sie aber und liefern immerhin einen guten Pun: Warum sind in Sammys Filmen immer so wenige Frauenrollen!? 🙂
Bis das dramaturgische Stückwerk zusammenkommt und nach Lehrbuch in einem dramatischen Finale gipfelt, dominieren in dem Film schräge Ideen von einseitig skizzierten und daher wenig überraschenden Figuren. Viele Streiterein am Esstisch, tatsächlich witzige Dialoge und das schnelle Abspielen der Konflikte macht alles künstlich aufgeregt, manchmal durch den Regisseur-Blick Sammys märchenhaft verklärt. Hier offenbart sich das Fabel in Fabelmans. Vielleicht ist es genau so, wenn Kreative ihre eigene Kindheit erzählen? Das ist sehr in sich selbst verloren, wenn man doch denkt, dass es eben nicht strikt seine Biografie sein sollte. Was dem Film dann kurz vor Ende mehr gibt und runder macht ist der kleine Zeitsprung, der uns das Ergebnis all dessen zeigt und erahnen lässt wo „Fabelman“ aufhört und „Spielberg“ weitergeht. Auch der Auftritt David Lynchs in einer Nebenrolle und das kleine Lerhstück in den letzten 2 Minuten zaubert dann nochmal ein Lächelns aufs Gesicht.
Die Fabelmans (OT: The Fabelmans), USA, 2022, Steven Spielberg, 151 min, (6/10)
„Die Fabelmans“ hat Ende letzten Jahres unheimlich viel Vorschusslorbeeren erhalten, die ich nun gar nicht mehr so sehr sehe. Für mich war der Film weder Fisch, noch Fleisch und hat mich gerade mal durch die komischen Momente am ehesten abgeholt so wie durch die Hobbyfilmer-Szenen. Was ich schon beim Kauf der Kinokarte empfunden habe war: wie kommt man auf die Idee seine eigene Geschichte zu verfilmen und anzunehmen, dass die andere sehen wollen? Ist das nicht von vornherein sehr arrogant? Dabei halte ich Steven Spielberg für alles andere als arrogant. Vielleicht hat er es sogar am ehesten verdient sein Leben zu erzählen und andere Kinotickets dafür lösen zu lassen. Andererseits habe ja auch ich willentlich den Weg ins Kino gesucht. Bevor ich also in die Debatte abgleite, wer, wann und warum eine Biografie schreibt … wie hat euch der Film gefallen?
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