Serien-Besprechung: „Supernatural“ Season 4 (Rewatch)

Staffeln 4 und 5 sind meine ungeschlagenen Lieblingsstaffeln von „Supernatural“, weswegen ich mich sehr auf den Teil des Rewatches gefreut habe. 🙂 Das Ende der dritten Staffel ist ziemlich böse und deutet nicht mal an wie es weitergehen könnte – daran ist der Autorenstreikt vielleicht nicht ganz unschuldig. Manches in der dritten Staffel war nicht so gut ausgebaut wie man es sich wünschen würde. Die gute Nachricht: in Staffel 4 geht es dafür weiter und offenkundig auf einen Klimax der Storyline zu. Die Besprechung ist spoilerfrei, aber nicht für vorhergehende Staffeln.

„I’m the one who gripped you tight and raised you from perdition“

Einige Monate nachdem Deans (Jensen Ackles) per Pakt vereinbarte Lebensspanne ablief, er getötet wurde und er in der Hölle offenbar Folter ertragen musste, wacht er plötzlich in einem Sarg auf. Er schaufelt sich wortwörtlich aus seinem eigenen Grab frei bis er Tageslicht sieht. Desorientiert und ohne einen blassen Schimmer warum er plötzlich wieder unter den Lebenden wandelt, sucht er Sam (Jared Padalecki) und Bobby (Jim Beaver) auf, die von nichts wissen. Sie hätten einiges versucht Dean zurückzubringen, aber nichts davon hat funktioniert. Doch kurz darauf gibt sich derjenige zu erkennen, der Dean aus der Hölle befreit hat: er nennt sich Castiel (Misha Collins) und behauptet ein Engel zu sein. Noch mehr: es wäre der Auftrag Gottes gewesen Dean zu retten, weil er offenbar Pläne für ihn hat.

Selbstredend, dass Dean darauf nicht gerade mit Juchhu-Rufen reagiert, da er sich fragt warum Sam, Bobby und er überhaupt soviel Mist an den Hacken kleben haben, wenn es einen Gott gibt und offensichtlich sehr mächtige Engel. Im Laufe der Staffel wird er aber lernen, dass Engel zwar mit dem Guten assoziiert werden, aber durchaus eine eigene Agenda haben, die eben nicht nur bedeutet Menschen zu retten, sondern für einen höheren Zweck auch durchaus welche zu opfern ohne mit der himmlischen Wimper zu zucken. Der moralische Schock sitzt bei Sam noch tiefer. Die Erkenntnis, dass es Engel und Gott gibt, zieht aber noch so einiges nach sich. Castiel offenbart den Winchesters, dass es auch Luzifer aka Satan gibt, einst ein gefallener Engel. Und Lilith ist auf bestem Wege die Siegel zu brechen, die Luzifer an die Hölle binden und verhindern, dass er die Erde betritt. Die Brüder wollen und müssen nun verhindern, dass weitere dieser Siegel gebrochen werden. Dabei kollidieren nicht selten ihre Ansichten und die der Engel darüber wie man das Ziel erreicht.


„Supernatural 4×01 – 06 Castiel, The Angel HD“, via hakiBR (Youtube)

Willkommen in der Serien-„Lore“

In Fankreisen spricht man ja gerne vom englischen „Lore“ um die Sagenwelt bzw Überlieferungen innerhalb der Serie zu bezeichnen. Misha Collins als Castiel hat einen der besten ersten Auftritte in der Serie. Wenn er Deans Komplex durchschaut, die Befreiung aus der Hölle nicht verdient zu haben, dann konnte man sich schon denken, dass das bei den Fans gut ankommt. Zuerst angedacht für nur drei Episoden, sollte Misha alias Castiel dann doch zehn Jahre dabei bleiben und ein Fanfavorit werden. Mal abgesehen davon funktioniert das Erweitern des Supernatural-Kosmos um Engel besser als ich es in Erinnerung habe. Beim ersten Schauen vor über zehn Jahren erschien es mir etwas aufgesetzt bis der größere Plot im Laufe der Staffel enthüllt wurde. Im Rewatch der vorhergehenden Staffel funktioniert es sogar sehr gut. Supernatural fußt auf vielen Motiven, die im Classic Rock verbreitet sind – Familie, Leidenschaft, Schicksal, Glaube. Jetzt sind wir bei letzteren angekommen.

Die Darstellung von Engeln als Soldaten, die voller Inbrust und Überzeugung Befehle ihres „Vaters“ ausführen ist eine krasse Metapher auf Dean und seine Auffassung von Familie und Aufopferung. Dean erkennt darin offenbar Muster wieder. Er redet auf Castiel ein, damit dieser nicht ein solches „blunt instrument“ bleibt. Und bewirkt etwas? Sams Storyline hingegen zieht ihn mehr zu den Dämonen durch den Einfluss Rubys (Genevieve Cortese, später Genevieve Padalecki). Nachdem Sam Dean nicht retten oder wiederbringen konnte, keimt in ihm der Wunsch nach Rache an Lilith. Er begegnet Ruby wieder, die offenbar eine Möglichkeit gefunden hat wie Sam es mit ihr aufnehmen kann – er müsste seine Fähigkeiten wieder wecken. Die Zusammenarbeit mit Dämonen auf der einen Seite, die mit Engel auf der anderen, säen langsam Zweifel und Vertrauensverlust zwischen Sam und Dean. Die Serienschöpfer haben es geschafft dass Entzweien der Brüder schleichend zu verpacken. Das dürfte die Herzen einiger Zuschauer*innen brechen.

Zwischen schicksalhaft und meta

Dankbarerweise wird es auch hier wieder herrlich meta und bietet uns eine Menge Gag-Episoden als Comic Relief an. Sehr nennenswert ist da wohl Episode 4×06 „Yellow Fever“ in der Dean sich mit einer Krankheit ansteckt, die übertrieben ängstlich macht. Es ist zum Schreien komisch wie ausgerechnet er sich mal wie so ein richtiger Schisser aufführt. In 4×08 „Wishful Thinking“ werden Wünsche war. Aber wie so oft hat die Sache einen Haken. Der vom leben enttäuschte, überlebensgroße, lebendig gewordene Teddybär ist nur einer von einigen witzigen Momenten der Folge. Womit sich die Serie aber wortwörtlich selber übertrifft ist „The Monster at the End of This Book“ (Episode 4×18) in der die Winchester Brüder über eine Romanreihe namens Supernatural stolpern, in der zwei Brüder das Böse bekämpfen, Dämonen jagen, etc. Und das ist nicht nur so zufällig ein bisschen ähnlich, sondern ein 1:1 Transkript ihres Lebens. Selbstredend, dass sie den Autor Carver Edlund alias Chuck Shurley (Rob Benedict) zu Rede stellen wollen. Wow – so unglaublich meta und damit kommt soviel Bitterkeit, soviel Witz und echt großartige Ideen. Die Episode macht wahnsinnig viel Spaß, wenn Sam und Dean beispielsweise Fans der Reihe treffen. Kennt man die nachfolgenden elf Staffeln bereits, schaut man diese Episoden aber definitiv etwas anders.


„Supernatural – Doing laundry and reading“, via HollowSoulEatera (Youtube)

Andere nennenswerte Episoden mit „Most Memorable Moments“ sind wohl 4×13 „After School Special“ in der Sam und Dean die Geschehnisse an einer Schule untersuchen (Dean tarnt sich als Aushilfs-Sportlehrer, von wegen not wearing shorts, eh?) mit einem Rückblick in ihre Schulzeit. Aber auch 4×17 „It’s a Terrible Life“ in der Dean ein Consultant in Schlips und Kragen ist, Sam im Kundenservice derselben Firma arbeitet und sich beide offenbar nicht kennen. Bei all den Meta Episoden merkt man: Supernatural beginnt stark in seiner eigenen „Lore“ um Dämonen und Engel aufzugehen und klassische Monster of the Week Episoden werden weniger. Das ist hier noch sehr gut und definitiv nicht zum Schaden, sondern macht die Staffel gerade wegen der gelungenen Abwechslung zu einer der besten der ganzen Serie. Umso mehr kann man sich doch aber an den Episoden stören, die nicht in die eigene Serien-Lore passen wie die ganze Anna-Storyline, die wirklich ein einfach nur seltsames Konstrukt ist, das man schwer ohne zu spoilern sezieren kann.

Warum ist Anna ein Bruch mit der Lore? Absatz beinhaltet ausgeklappt Spoiler.

Anna Milton (Julie McNiven) ist eine junge Frau, die offenbar Wissen über die Engel, die Siegel und Lilith hat und niemand weiß warum. Sie wird kurzerhand für „verrückt“ abgestempelt bis Dämonen hinter ihr her sind und sie Sam und Dean trifft. Im Laufe der Ereignisse wird klar, dass sie ein Engel ist bzw war. Sie ist ein gefallener Engel, der auf der Erde als Mensch wiedergeboren wurde. Später wird sie ihre „Grace“, die Energiequelle der Engel, zurückerhalten und damit auch ihre Engel-Superpowers. Ihren Körper behält sie quasi als Vessel, kaputt geht der überraschenderweise auch nicht… man hört es schon heraus: die ganze Anna Storyline ist Bullshit, weil sie der zarten Serien-Lore über Engel schon alleine bis dahin widerspricht. Auch die nachfolgenden Staffeln ignorieren fast alles, was in der Anna-Storyline an Serien-Lore zusammen gestrickt wurde. Es passt einfach hinten und vorn nicht. Ein paar andere Fragen zu all dem, was hier keinen Sinn macht: Wenn sie ein Memsch ist, warum hat sie Engelfähigkeiten? Wenn sie ein Mensch ist, warum sollten Cas und Uriel einen Grund haben sie umzubringen? Warum will sie ihre Grace zurück bei all dem, was sie erlebt hat? Warum hat sie diesen Vessel bzw behält ihn bzw wurde er nicht zerstört? Warum heißt sie Anna? Hat sie keinen „Engelnamen“? Es ist einfach nur seltsam. Und die plötzliche Chemie zwischen Anna und Dean kann man auch hinterfragen, so richtig zündet die für mich nicht. Vielleicht ist das aber auch der Grund, warum Anna bald schon aus der Serie geschrieben wurde und die Storyline des ungehorsamenen Engels, der sich mit den Winchestern verbündet dann an Castiel ging. Obwohl ich ein großer Castiel-Fan bin und froh, dass es so kam wie es kam, muss ich auch leider zugeben, dass hier die Chance auf eine bedeutungsvolle weibliche Storyline bzw weibliche Figur verschenkt wurde. Anna bzw Julie hatte bei dem Story-Quark keine Chance.

Nenneswerte Randbemerkungen sind, dass Dean Castiel das erste Mal in 4×04 „Cas“ nennt, was weitaus früher ist als ich den Beiden zugetraut hätte, zumal sie sich hier durchaus noch gegenseitig misstrauen. Episode 4×05 „Monster Movie“ ist in Schwarzweiß gefilmt, enthält rein bayerische Deutschland-Anekdoten und ist eine Hommage an Gruselfilmklassiker. Eine der besten Monster-Episoden ist 4×04 „Metamorphosis“. Andere Episoden widmen sich Sirenen, gar menschlichen Monstern und der Frage wie eigentlich Castiel zu seinem „Vessel“ also seiner menschlichen Hülle kam. Insgesamt ist Staffel 4 trotz kleinerer Mängel (Anna-Storyline, schmerzhaftes Vermissen weiblicher Figuren die nicht Dämonen sind oder tragisch sterben, mangelnde Diversität insgesamt, beginnende Kontinuitätsfehler) eine spannende Weiterentwicklung der Serie, die ein „Big Picture“ erkennen lässt – und das richtig stark. Das täuscht natürlich über einiges hinweg. Wer sich überhaupt nicht für die Darstellung von Engeln oder generell die Entwicklung der Serie hin zu „Kampf Himmel vs Hölle“ begeistern kann, wird hier aber vielleicht vieles vermissen, was die vorherigen Staffeln ausmachte. (8/10)

Sternchen-8

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Übrigens habe ich die Seite Chronology of Supernatural im englischsprachigen Supernatural-Wiki als sehr hilfreich empfunden. Und noch eine allgemeine Empfehlung: Wer auch auf der Nostalgie-Welle mitschwimmt, hat vielleicht auch soviel Freude wie ich an dem Podcast Monster of the Week, deren Hosts jede Folge der Serie Supernatural besprechen. Ihre Kommentare sind gold. Aber zurück zur Staffel: wie hat euch die vierte gefallen? Was funktionierte daran für euch gut, was nicht? Und wie war euer erster Eindruck vom Konzept „Engel“?

3 Antworten

  1. […] Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4 | Season 5 | Season 6 | Season 7 | Season 8 | Season 9 | Season 10 | Season 11 | Season 12 | Season […]

  2. […] Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4 | Season 5 | Season 6 | Season 7 | Season 8 | Season 9 | Season 10 | Season 11 | Season 12 | Season […]

  3. […] sind beides Fantasy-Serien. Gut, Supernatural mag als Mystery/Horror-Serie angefangen haben. Ab der vierten Staffel führte die Serie das Konzept von Himmel und Hölle ein, die Gegenwart (oder auch eher Abwesenheit) […]

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