„Blue Giant“ ist eine erfolgreiche Mangareihe Shinichi Ishizukas mit bereits mehreren Ablegern, beispielsweise der Sequelreihe „Blue Giant Supreme“. Die Reihe dreht sich um Dai Miyamoto, der nach der Schule beschließt ein berühmter Jazz-Saxofonist zu werden. 2023 erschien eine Adaption des Stoffs als Anime-Film, der kann, was der Manga nicht kann: uns den Sound erleben lassen. Die Review ist spoilerfrei.
Dai Miyamoto geht nach der Schule nach Tokio, um dort als Saxofonist sein Glück zu versuchen. Er liebt Jazz, er versteht seine Kunst, er hat sein Saxofon, was will er mehr? Als er doch hungrig wird und ihm kalt ist, quartiert er sich bei einem Schulfreund ein, arbeitet auf dem Bau um zur Miete beizutragen und klappert auf der Suche nach einem Gig die Jazz-Clubs der Stadt ab. Zwar findet er nicht so schnell ein Engagement, aber er gewinnt das Interesse des begnadeten Pianisten Yukinori und sie gründen eine Band. Ihr Traum: im angesagtesten Club der Stadt zu spielen.
Es ist eine gute Entscheidung, dass das Drehbuch Dai Miyamotos Highschool-Jahre nicht mitgenommen hat und danach erst ansetzt. Diese Zeit besteht im Manga aus einem immer motivierten Dai, der viele Vorträge darüber hält, dass Saxofon spielen sein Traum ist. Wie Dai aber spielen lernt ist eine Fantasie des Mangazeichners, die zudem auch sehr wenig abgebildet wird. (Er kann das halt einfach irgendwie.) Dai ist allgemein ein schwieriger Protagonist. Er hat keine Ecken und Kanten, scheint nur aus Motivation und Willen zu bestehen. Man kann ihn leicht mögen, aber sich schwer mit ihm identifizieren, weil ihm selten etwas schwer fällt. Was man mit einem Protagonisten wie Dai zwangsläufig „erbt“ ist, dass seine motivierten Reden über die Liebe zum Jazz und zum Saxofon nicht nur im Manga, sondern auch im Film viel Raum einnehmen. Das kann man leiden – oder eben nicht.
Blue Giant ist trotzdem eine dieser wunderbaren Aufsteigergeschichten, die so großartig in Sport-, Kunst- und offenbar Musikmanga und -anime funktionieren. Sich beweisen müssen, ein Ziel setzen, darauf hinarbeiten. Über weite Strecken denkt man im Film, dass das hier zu leicht geht, aber es wird besser (auf sehr dramatische Weise). Nimmt man die Band als Summe, fällt es etwas leichter mit ihnen mitzufiebern. Was zwangsläufig in einem visuell-auditivem Medium besser funktioniert ist die Vermittlung von Jazz und seinen ganz eigenen Rhythmen, Atmosphäre und Drive. Die Musik ist mitreißend und wurde von der japanischen Jazz-Pianistin Hiromi Uehara komponiert. Ich bin dem Film dankbar, dass ich durch ihn Hiromi kennengelernt habe. Sie läuft nun rauf und runter bei mir. Ihr Soundtrack gibt Blue Giant einen Mittelpunkt, der mir immer im Manga gefehlt hat. Das Fehlen von Musik war dort immer wie eine Tanz um eine abwesende Mitte. Die Stücke sind mitreißend, häufig Up-Tempo und energisch.
Was leider nicht so gut funktioniert hat ist der Mix aus 2D- und 3D-Sequenzen im Animefilm. Während der grundlegend sehr schön, dynamisch und kontrastreich 2D animiert ist, sind die Sequenzen in denen Dais Band spielt zu 90% 3D-animiert. Die Mischung von 2D und 3D kann man immer häufiger in Anime beobachten und ich muss leider sagen: so schlecht wie hier ist das selten gelungen. Die 3D-Charaktere ähneln ihren 2D-Counterparts teilweise kaum und wirken wie in den Raum „gehangen“, d.h. sie fügen sich nicht gut in die Hintergründe ein. Der Wechsel zwischen 2D und 3D ist dadurch außerdem zu auffällig und unangenehm anzuschauen. Bevor ihr euch fragt: man sieht wenig davon im Trailer und es sind noch die besseren Szenen. Warum haben sie es gemacht? Vielleicht weil 2D für so dynamische Szenen wie eine Performance auf der Bühne zu aufwendig und kostenintensiv ist? Durch die Geschwindigkeit ist vorstellbar, dass Frame und Inbetweens kostenintensiver sind. Wer weiß. Es sieht leider nicht so gut aus wie der Rest des Films, der wunderbar ist oder sagen wir mal wird.
Blue Giant (OT: ブルージャイアント), Japan, 2023, Yuzuru Tachikawa, 120 min, (7/10)
Vielleicht habe ich in meiner Review den Eindruck erweckt, dass Musik-Manga nicht für mich funktionieren, weil man die Töne eben nicht hören kann. Das will ich damit nicht ausdrücken. Nur „Blue Giant“ hat für mich nicht funktioniert, was aber etwas sehr subjektives ist. Vielleicht habt ihr ganz andere Erfahrungen gemacht? Kennt ihr die Mangareihen oder den Film?
Als Saxofon-Anfängerin habe ich mich in der Review zurückgehalten – vieles rund um das Saxofon-Spielen hier ist Quatsch. Beispielsweise das an der frischen Luft spielen, aus dem kalten anzufangen zu spielen und das wilde Schwenken des Saxofons bei der Performance. Ich weiß … man will bei so einem Film nicht neben mir sitzen.
Schreibe einen Kommentar