Wegen unseres neuen Mitbewohners ♥ war ich mir gar nicht so sicher, ob ich im Januar überhaupt noch zum Filme schauen kommen würde. Überraschenderweise stellte sich aber eben doch irgendwie ein Modus ein und der Japanuary war geschafft. Und wie war er denn nun? Nach einem so guten Start wie in den ersten beiden Wochen kann das nur krachen, oder? (TLDR; Nein.)
Vampire Hunter D: Bloodlust
Damit habe ich eine Wissenslücke geschlossen. Dass der Animefilm um den Vampirjäger „D“ zu Erscheinen in den 2000er Jahren sehr gehyped wurde, ist mir noch in Erinnerung. „D“ ist hierbei selber ein Dhampir, also halb Mensch, halb Vampir. Bloodlust spielt in einer Welt, in der Vampire sich einst fast pandemisch vermehrten, nun aber wieder rückläufig sind. Aber nicht weniger gefährlich. D nimmt den Auftrag an, die Tochter einer reichen Familie zurückzubringen. Sie wurde von einem Vampir entführt und soll bestenfalls lebendig zurückgebracht werden. Kommt D zu spät und sie ist ein Vampir, soll er sie töten.
Düsterer Stoff? In der Tat. Wir folgen D erstmal durch diese, seine Welt und lernen noch weitere Vampirjäger um die wehrhafte Leila kennen, die ebenso hinter dem Paar her sind. Denn ja: bald schon erfahren wir, dass die Gesuchte freiwillig mit dem Vampir ging. Das Worldbuilding ist abwechslungsreich, kreativ und wunderschön in Szene gesetzt. Wir folgen „D“ durch Wüsten, durch fantastische Landschaften, durch Barbaren-Hochburgen und blutrote Paläste so groß wie eine Stadt. Alles ist eine Augenweide. Das Problem ist nur: man hätte gern mehr davon gesehen. Viele der Konzepte und Ideen werden in den 105 Minuten Laufzeit nur angerissen und lassen viele Fragen offen, wirken fantastisch, aber auch fragmentarisch. Es gibt darüber hinaus einige Hinweise auf andere Vampirsagen und -stoffe (Carmilla, „Dhampir“-Begriff, etc.), die auch mal ganz spannend verknüpft sind. Die Welt in der D und Leila leben, hat einen Touch Hoffnungslosigkeit, die offenbar beide empfinden und zu einer losen Schicksalsgemeinschaft werden. Am Ende ist die wahre Geschichte der Gesuchten und ihres Vampirs ein unwahrscheinlicher Hoffnungsschimmer.
Vampire Hunter D: Bloodlust (OT: 吸血鬼バンパイアハンターD ブラッドラスト), Japan, 2000, Yoshiaki Kawajiri, 105 min, (8/10)

37 Seconds
Der (leider) einzige Film in meiner Liste, der von einer Regisseurin inszeniert wurde. 37 Seconds ist die Zeitspanne, während der Yuma (Mei Kayama) zur Geburt nicht mit Sauerstoff versorgt wurde bzw. nicht selber atmete. Sie trug einige körperliche Behinderungen davon, ist außerhalb ihrer Wohnung auf einen Rollstuhl angewiesen und lebt mit ihrer Mutter zusammen. Allerdings fühlt sie sich zunehmend durch sie erdrückt und bevormundet. Die Fürsorge ist so groß, dass ihre Mutter vergisst, dass Yuma kein Kind mehr ist und Sehnsüchte hat. So beginnt Yuma auszubrechen und erfährt infolge dessen mehr als sie erwartet hatte.
Yuma versucht vieles: sie sucht berufliche und sexuelle Erfüllung, gewinnt Freunde, schafft aber auch einiges an (notwendigem) Konflikt und erfährt Details über den abwesenden Rest ihrer Familie. In Summe ist 37 Seconds ein Film über Emanzipation angesichts erdrückender Fürsorge, der gleichzeitig mit Berührungsängsten und Unsicherheiten gegenüber behinderten Personen aufräumt. Der Film vermittelt in jeder Faser, dass wir alle nur Menschen sind und Bedürfnisse haben. Dass es sich trotz Unsicherheiten lohnt auf andere zuzugehen und sich über die eigene Wissenslücken aufklären zu lassen. Inszenatorisch ist 37 Seconds eine sichere Bank, ein schöner Film. Doch bei der Lauflänge braucht man schon etwas Ausdauer um endlich dahinzukommen, dass Yuma aus ihrem Zuhause ausbricht. Schade ist, dass dann trotzdem Fragen unbeantwortet bleiben, die aber auch nicht die große Bedeutung für Yumas Reise haben, sondern eher für die Neugier Zuschauender.
37 Seconds, Japan, 2019, Hikari, 115 min, (7/10)

The Deer King
Der zweite Anime in meiner Liste ist eher neu und Adaption einer Novel desselben Namens. Die handelt von zwei Völkern, deren empfindliche Beziehung v.A. durch eine Krankheit stark beeinflusst wurde. Das eine Volk bekommt sie, das andere nicht. Irgendwelche gegenseitigen Ansprüche und Verhandlungen wurden davon beeinflusst, ein Schein-Frieden gestiftet, die Krankheit verschwand. Als sie nun nach vielen Jahren in einem Bergwerk wieder ausbricht, sind alle in Alarmbereitschaft. Werden die alten Querelen wieder von vorn beginnen? Darüber hinaus scheinen zwei derer, die in dem Bergwerk lebten oder arbeiteten immun gegen die Krankheit zu sein: der ehemalige Soldat Van und das kleine Mädchen Yuna. Als das bekannt wird, sind Parteien mit ganz verschiedenen Absichten hinter ihnen her.
Eine ominöse Krankheit, befeindete (darunter naturverbundene) Völker, Machtvorstellungen – wenn man dann noch das Artwork mit dem „Sprunghirsch“ sieht, liegt der Vergleich zu Prinzessin Mononoke nah. Und tatsächlich gibt es kaum eine Review, die das nicht anmerkt. Wenn man allerdings über die erste Hälfte des Films hinweg gekommen ist, tritt das sehr in den Hintergrund. Stattdessen liegt dann wirklich die Geschichte zweier Städte Völker im Vordergrund, die gegeneinander Anschuldigungen erheben, die mit der Krankheit zutun haben. Im Angesicht großer Auseinandersetzungen reisen u.a. ein Arzt, eine Spurensucherin und ein Soldat Van und Yuna hinterher, die inzwischen eigentlich ein friedliches Leben in einer kleinen Siedlung lebten. Lediglich Van ist beunruhigt. Weil er entdeckt, dass mit der Krankheit seltsame Fähigkeiten kommen und weil er die zwei Völker kennt und weiß, was Menschen tun, sobald sie das Leben wie sie es bisher kannten, bedroht sehen. Damit ist The Deer King ruhiger und reflektierter als man von der Prämisse her denken könnte, was auch mal ganz erfrischend ist.
Es gibt einige erzählerische Elemente, die greifen nach einer Weile ineinander und überraschen. Wo man anfangs Säbelrasseln und das sich Zuspitzen zu einem Krieg erwartet hätte, spielen dann Politik, Natur und Medizin eine Rolle. Sehr schön anzuschauen ist auch das Artwork. Zwar erinnert der Sprunghirsch immer noch sehr an den Film von Studio Ghibli, aber die Landschaften, Städte und das World Building setzen sich von den Ähnlichkeiten später schon ab. Nun muss man aber einiges verschmerzen wie die überlange Einleitung und dass Charaktere wie Yuna sich am Ende doch wie ein Plot Device anfühlen, obwohl sie anfangs so viel Spaß gemacht haben.
The Deer King (OT: 鹿の王), Japan, 2022, Masashi Ando/Masayuki Miyaji, 114 min, (7/10)

Monsters Club
Endlich mal wieder Toshiaki Toyoda. Und es könnte mein liebster von ihm bisher sein. Monsters Club beginnt mit einer Szene, die im Gedächtnis bleibt. Darin baut Ryoichi (Eita Nagayama) in seiner Hütte im Wald eine Bombe und spricht dazu in einem länglichen Monolog darüber, dass die Gesellschaft Menschen versklavt und in ein Hamsterrad sperrt. Es ist schnell klar, dass sein Leben als Selbstversorger in der Abgeschiedenheit nicht nur damit zusammen hängt, dass er möglicherweise zu lange Walden gelesen hat, sondern auch damit, dass er nicht gefunden werden möchte. Später erfahren wir, dass er diese wie viele andere Bomben an die Geschäftsführer großer Firmen, Politiker:innen etc. schickt. Dann aber bekommt Ryoichi Besuch von den Geistern der Vergangenheit und seiner sehr lebendigen Schwester (Mayuu Kusakari).
Toyoda hat stets einen spannenden, kritischen Take auf Japan zu bieten. Dieses Mal gar indem er eine Person zentriert, die zu brutalen Taten fähig ist, um vermeintlich ein Zeichen zu setzen. Der Film wertet nicht, zeigt aber, dass Ryoichi die Außenwelt und sein Tun weniger gut ignorieren kann, nachdem er Besuch bekommen hat. Denn durch diese Besucher wird er mit der Frage konfrontiert, ob es ihm nichts ausmacht, dass v.A. Unschuldige Opfer seiner „Denkzettel“ sind. Monsters Club ist v.A. das Psychogramm und die „Seelenstudie“ einer Person, die sich für Isolation und Gewalt entschieden hat. Toyoda wertet nicht und überlässt uns das. Zwingend notwendig ist dabei, dass wir einen Einblick in die Familiengeschichte und Vergangenheit Ryoichis bekommen, die auch abgeliefert wird. Dadurch, dass Monsters Club relativ mono- und dialoglastig ist, wird es wahrscheinlich kein Fun-Freitagabend-Film – klar. Darüber hinaus hat er vieles, was man von Toyoda erwarten kann. Die eisige Isolation und Unwirtlichkeit der Schneelandschaft hat einen besonderen Touch genauso wie die Geister darin oder Szenen aus Ryoichis Einsiedlerleben (eisige Dusche, genauso ein spannendes Bild: zu sehen wie er einen Kohl aus dem Schnee ausgräbt). Auch typisch Toyoda: man muss sich den Film etwas erarbeiten und er hat einen Kiyohiko Shibukawa Cameo. 🙂
Monsters Club (OT: モンスターズクラブ), Japan, 2011, Toshiaki Toyoda, 71 min, (7/10)

Tezuka’s Barbara
Der Schriftsteller Yosuke Mikura (Goro Inagaki) gabelt eine obdachlose Frau auf, die sich ihm später als Barbara (Fumi Nikaido) vorstellt. Sie säuft wie ein Loch und bringt sein Leben einigermaßen durcheinander, aber er kann sich nicht überwinden sie in die Wüste zu schicken. Als sich seltsame Vorkommnisse häufen, die scheinbar nur Barbara durchschauen kann, fühlt er sich immer mehr in ihrem Sog und zu ihr hingezogen. Eine Entwicklung, die seine Umwelt mit Besorgnis betrachtet und die auf die Katastrophe zusteuert.
Der Film basiert auf einem Manga Osamu Tezukas, des „Manga-Gottes“ himself. Er wiederum basierte seine Adaption auf Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach. Vor einer Weile schon hörte ich auf Tezukas Mangas zu lesen, weil mir dort häufig die Geschlechterbilder nicht passten. Die Hoffnung war, dass der Film das anders macht, was ich andererseits aber auch nicht vergleichen kann ohne Kenntnis des Mangas. Fest steht, dass der Film einen heftigen male gaze an den Tag legt, Frauen als Hure oder Heilige verklärt und sich wie eine sexuelle Fantasie eines Einzelnen schaut. Das mag naheliegend sein, wenn man den eigentlichen Aufhänger des Films betrachtet, denn später wird angedeutet, dass Barbara die Muse Mikuras ist. Oder ist sie nicht viel mehr die Anhängerin eines durchgeknallten Kults? Das als Frage zu formulieren wäre spannend gewesen, wird aber verschenkt. Regie führt Makoto Tezuka, seines Zeichens Sohn von Osamu Tezuka, entscheidet sich ziemlich genau für eine der beiden Deutungen. Es wird zudem heftig damit geworben, dass Christopher Doyle (Hero, Chungking Express) für die Cinematografie zuständig ist, was mir lediglich als Aufhänger erscheint. Es gibt Szenen, die stechen heraus, wirken komponiert und bleiben im Gedächtnis, aber es erscheint mir genauso viel Beliebigkeit zu geben. Vielleicht haben mich aber auch nur die grottenschlechten Effekte und Perücken davon abgelenkt?
Tezuka’s Barbara (OT: ばるぼら), Deutschland/Japan/UK, 2019, Makoto Tezuka, 100 min, (5/10)

Und sonst so?
Nach Dandadan und Asura habe ich noch angefangen Tokyo Vice Season 2 in der ARD Mediathek zu schauen. Die erste Staffel hat mir sehr gefallen und die zweite ist noch spannender. Kein Wunder: sie ist die letzte und läuft auf das Ende zu. Bin noch an den letzten Episoden dran und auch auf den letzten Seiten des Buches Butter von Asako Yuzuki. Ich muss mir noch eine Meinung bilden. 🤔
Fazit
Nach dem starken Auftakt in den ersten Wochen war der Rest erwartungsgemäß durchwachsener. Sehr beeindruckt haben mich Monster aka Die Unschuld und Vampire Hunter D: Bloodlust. Golden Kamuy ist mal ein schönes Beispiel für gelungene Live Action Adaptionen von Mangas bzw. Animes. Lady Snowblood war so ziemlich genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. The Deer King hingehen fand ich besser als seinen Ruf. Zu 37 Seconds und Monsters Club steht alles oben, denke ich. Meine Hoffnung in Tezuka’s Barbara mehr zu finden als einen weiteren Osamu Tezuka Manga, der etwas diskutabel ist, ging dann wohl doch irgendwie krachen. Es war tatsächlich mein am schlechtesten bewerteter Film in dieser Runde, was euch nicht davon abhalten muss ihn zu schauen. Eine moderne Musen-Geschichte kann schon attraktiv sein. Alles in allem ein echt guter Japanuary mit spannenden Filmen. Wie mir gerade auffällt fast alles Adaptionen aus Novels, Manga oder Anime bis auf Monsters Club und 37 Seconds!
Zu den bisherigen Artikeln
Woche 1-2 mit „Die Unschuld“, „Golden Kamuy“ & „Lady Snowblood“
Header Image Photo Credits: Andre Benz
Das war er! Schade, dass der Japanuary 2025 schon vorbei ist. Aus bekannten Gründen kam ab einem gewissen Zeitpunkt der Austausch eher etwas kurz. Lustig war es trotzdem und ich freue mich schon auf’s nächste Mal. 🤩
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