angelesen: „The Promised Neverland“ Bd. 2, Bd. 3 & „Killing Stalking“ Bd. 1

Offenbar hat mich der eine oder andere Manga doch mehr angefixt als erwartet. ^^‘ Namentlich „The Promised Neverland“. Obwohl ich bei weitem nicht mit allem einverstanden bin, ist es ein recht erfrischender Manga, der in der Bakuman-Sprache wohl als „Königsweg“-Manga zu bezeichnen ist. Mehr dazu im Artikel. Außerdem wurde ich auf eine Neuerscheinung aufmerksam, die Diskussionspotential bezüglich Gewalt im Manga hat. Wenn es hier nicht um einen Band 1 geht, dann sind leichte Spoiler zu erwarten – ich versuche mich aber einzuschränken und vermeide „große Offenbarungen“. Genauso verzichte ich auf das Nacherzählen der Handlung der vorhergehenden Bände.

„The Promised Neverland“ Bd. 2, Shiari Kairu & Demizu Posuka (Carlsen Manga)

Nach Band 1 war ich nun doch so angefixt, dass es nur mit kurzer Unterbrechung mit Band 2 weiterging. Spannend ist es, keine Frage. Aber die Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen leidet für mich etwas. Woher wissen die Kinder, dass es unter ihnen einen Spion gibt? Es spricht natürlich nichts dagegen nachzuprüfen um auf Nummer sicher zu gehen. Die Art und Weise war auch sehr smart. Aber sehr stichhaltig finde ich den Verdacht nicht. Dafür hinterfragen sie vieles nicht, beispielsweise. das Thema „Ich weiß wie man die Sender zerstört!“ Mich hätte ja brennend interessiert wie, aber sie fragen nicht nach und vertrauen blind. Die Kinder, das Setting – immer noch großartig. V.A. den immer grinsenden Phil finde ich unglaublich knuffig. Obwohl Posukas (der Name klingt ungewöhnlich, ob es ein Anagram/Künstlername ist?) Zeichenstil sehr cool und lebendig ist und ich ihre vollfarbigen Artworks und Fischaugen-Perspektiven sehr mag, gelingen die Character Designs verteilt über die Panels nicht ganz so gut. Emma und die anderen sehen manchmal so, manchmal so aus. Oftmals verrutschen auch schon mal die Augen oder die Dreiviertel-Ansicht eines Gesichts sieht ganz anders aus als die Nahaufnahme/Frontansicht oder Halbprofil. Ab Band 2 stellt sich eben gern Meckerei ein, wenn das Setting bekannt ist und man Ansprüche entwickelt.

„The Promised Neverland“ Bd. 3, Shiari Kairu & Demizu Posuka (Carlsen Manga)

Alles, was ich noch bei Band 2 bemängelt habe, gelingt hier viel besser. V.A. Norman, einer der am inkonsistentesten gezeichneten Charaktere, wird deutlich besser getroffen, egal ob er im Profil oder frontal oder wie auch immer er gezeigt wird. Seltsam das zu sagen, aber Norman wurde mein „Maßstab“ für die zeichnerische Qualität der Kapitel. Alles wirkt in diesem Band etwas hochwertiger. Auch die Handlung. Es gibt massive Fortschritte. Es wäre auch im Schnitt zu unglaubwürdig gewesen, wenn sich das Katz-und-Maus-Spiel der Kinder und ihrer „Mama“ und der „Schwester“ ewig hinzieht. Tatsächlich passiert am Ende von Band 3 etwas, das ich schon länger erwartet hätte und dass den Plänen und dem Plotting der Kinder einen deutlichen Riegel vorschiebt. Versteht mich nicht falsch – ich bin natürlich auf der Seite der Kinder. Aber die Übermacht der „Mama“ hat sie ja noch nicht wirklich ausgespielt. Warum hat sie so lange mitgespielt und die Kinder machen lassen? Ich meine … sehr unterhaltsam für uns, aber sehr unwahrscheinlich. Wie gesagt gibt es in Band 3 aber ein, zwei deutliche Wendungen. Und die Nebenhandlung um „Minerva“ wurde perfekt vorbereitet. Ich bin wieder am Haken.

Ein bisschen Offtopic … wo doch alle Namen haben, die als Vornamen bekannt und gebräuchlich sind (Eugen, Emma, Norman, Ray, Isabella, Conny, …), frage ich mich wie Schwester Krones Name da rein passt. ^^‘ Was ich übrigens oben mit „Königsweg“-Manga meinte ist ein Begriff, der u.a. im Manga Bakuman benutzt wird, um Mangareihen zu bezeichnen, die einem gewissen Muster folgen und als erfolgreiche Langläufer bekannt sind. Das sind in der Regel Action- oder Spannungsmanga mit aufrechten Helden, die ein Hindernis überwinden müssen. In der Regal folgen die Manga einer typischen Systematik wie regelmäßigen Cliffhangern und Game-Changern, die das Weiterlesen attraktiv machen. The Promised Neverland ist da sehr stetig dabei … es gibt quasi am Ende eines jeden Kapitels einen solchen Cliffhanger oder eine „bedeutungsvolle Offenbarung“. Das ist sehr formelhaft, aber klar: wird bei der Mehrheit der Leser funktionieren, auch wenn man sich des Musters bewusst ist. Mal schauen wie lange es bei mir funktioniert. Aktuell läuft der Manga wohl noch und liegt bei 13 Bänden.

„Killing Stalking“ Bd. 1, Koogi (Altraverse)

Da haben sich ja zwei gefunden … . in dem Manhwa (koreanischer Comic) stalkt der verschüchterte Bum Yoon seinen Uni-Schwarm Sangwoo. Er macht auch nicht davor Halt in Sangwoos Haus einzubrechen und an seinen Kissen zu schnüffeln. Die Sache geht alles andere als gut für ihn aus, denn in Sangwoos Keller liegt schon eine misshandelte, nackte Frau. Kaum dass er sie entdeckt, kommt Sangwoo nach Haus und hat von da an eine Leiche im Keller und Bum Yoon ist sein neues Spielzeug. Ich weiß nicht genau, warum der Manhwa von Altraverse als „Boys Love 18+“ gelabelt ist. Weil sich irgendwann in dem Buch zwei Männer küssen? Und? Ist es nicht vorrangig ein Thriller? Mir sind seit geraumer Zeit die Labels etwas zuwider, allerdings auch die Verharmlosung von körperlicher Gewalt und Missbrauch. Viele Medien, egal ob sie hetero- oder homosexuelle Paare zeigen, scheinen einen gewissen Markt für brutale und gewalttätige, dysfunktionale Beziehungen zu haben. Immer, wenn ich über solche Vertreter stolpere, frage ich mich wer guten Gewissens Vergewaltigung und Missbrauch „schön“ darstellt. Schön heißt mit schönen Menschen, schönen Körpern. Das hat mir schon die Mangareihe In these words verleidet. Zeichnen solche Medien nicht ein romantisiertes und grundfalsches Bild von Missbrauch? Was ist, wenn gerade junge Menschen die Neigung entwickeln davon einen Kick zu kriegen? Und auch wenn da 18+ drauf steht, weiß ich nicht, ob jeder und jede Gemütsverfassung das moralisch deuten und interpretieren kann. Habe da inzwischen ein relativ beschissenes Gefühl dabei.

Aber von der Grundsatzdebatte zurück zum Manhwa. Fällt der auch in diese Schublade, die eine dysfunktionale und gar tödliche Beziehung verherrlicht? Noch nicht. Bum Yoon ist zwar obsessiv und von Sangwoo besessen, realisiert aber schnell, dass er sich in einer fiesen Falle befindet. Ich habe den Comic als Thriller gekauft, nicht weil ich eine Boys Love Geschichte lesen will (obwohl ich das durchaus öfter tue). Aber ich denke, dass die Erwartungen vieler Leser in die Richtung gehen, dass sie nicht eine Survival-Geschichte erwarten, sondern einen Erlöser- oder Retter-Komplexer mit „super sweeter love story“. Ich hoffe es bleibt bei Thriller. Viel Hoffnung habe ich nicht, wenn ich den Manga online suche. Obwohl ich ein Zitat von Koogi, der Autorin, gefunden habe, in dem sie klar sagt, dass sie es zu jedem Zeitpunkt so aussehen lassen will, als ob die beiden eben keine gesunde Beziehung haben. Vermutlich damit eben jene Verwechslung nicht entsteht. Das wäre auch bedenklich, bei der psychischen und körperlichen Gewalt, die Sangwoo Bum Yoon antut. Mal abgesehen von Sangwoos Klatsche und Psychose ist da natürlich aber auch die ebenso nicht gesunde Fixierung Bum Yoons. Lese ich es weiter? Weiß ich noch nicht. Mal abgesehen von der Debatte rund um die Inhalte, muss man sagen, dass Altraverse ein gutes Gespür für kontroverse Stoffe und Hype hat, denn Koogi wurde für ihren Manga mit einem hochdotierten Preis belohnt.

Umso mehr interessiert mich jetzt eure Meinung – wie steht ihr zu den Labels wie „Boys Love“ oder der Darstellung von sexueller Gewalt in den Medien? Kennt ihr auch Fälle wo das zu romantisiert geschieht? Braucht man ein Label wie „Boys Love“ oder „Girls Love“? Und was haltet ihr von den klassischen „Königsweg“-Manga? Packen die euch noch oder zu formelhaft?

In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga, Comics und Graphic Novels, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂

2 Antworten

  1. Hm, dein Urteil zu „The Promised Neverland“ fällt ja nicht zu gut aus. Ein wenig finde ich das schade, andererseits aber auch gut (erspart mir Geld 😉 ). Und es bestätigt ein wenig meine Vermutungen, die ich nach den ersten 6 oder 7 Episoden der Verfilmung hatte. Da hatte ich nämlich auch oftmals das Gefühl, dass man die Handlungen und Entwicklungen einfach mal spontan so gestaltet hat, wie sie gerade zum Fortgang der Story passend erschienen, auch wenn sie wenig schlüssig erschienen.

    Was das Thema sexualisierte/romantisierte Gewalt betrifft, habe ich in letzter Zeit auch hin und wieder diesen Eindruck – gerade bei Romance Mangas. Es wird so häufig darin dargestellt, dass nur jemand gegen seinen Willen geküsst oder berührt werden muss, um sich seiner sexuellen Identität oder seiner vermeintlich „wahren Gefühle“ für das Gegenüber bewusst zu werden. Mangas wie „Color of Happiness“ finde ich daher echt problematisch. Die Romantisierung von Gewalt und Belästigung hat nichts mehr mit Vorlieben oder Guilty Pleasures zu tun.

  2. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Es ist bemerkenswert wie sehr doch viele Medien/Produktionen mit Gewalt vollgepfropft sind. Natürlich binden solche Motive leicht Aufmerksamkeit, aber sie bieten dem Leser wohl aber kaum Bereicherung. Sie eigenen sich denke ich als stilistisches Mittel um in den Leser/Konsumenten ein Stück weit durch Grenzüberschreitung psychologisch einzubrechen. Auch das ist denke ich für qualitativ hochwertige Unterhaltung zumindest ein fragwürdig Mittel, da bewusste Reflexion in der Regel vor dieser Grenze stattfindet.

    Ich finde es immer wieder beunruhigend wie leicht Darstellungen von Gewalt in Filmen von Zuschauern i.d.R. aufgenommen werden. Je mehr man allerdings derartige Filme schaut, desto weniger scheint man sich daran zu stören.. Welche „Nebenwirkungen“ eine derartige „Bewusstseinsänderung“ bewirkt, ist eine spannende Frage.

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