angelesen: „20th Century Boys“ PE Vol. 5, „Gideon Falls“ Vol. 4, „Killing Stalking“ Bd. 2 & „Bakuman“ Bd. 7

Wow! Das ist schon die 10. Ausgabe von angelesen! Im Dezember 2019 veröffentlichte ich den ersten „angelesen“-Beitrag als Gegenentwurf zu „ausgelesen“, wo ich wie der Name verrät Bücher und Reihen bespreche, die ich zu Ende gelesen habe. Aber gerade bei Manga und Comics ist es doch schade, wenn man mitunter Monate oder Jahre in seinem Kämmerchen liest ohne darüber groß Worte zu verlieren. Das war so der Hintergedanke, warum es die „angelesen“-Beiträge gibt – um eben diese zu teilen. Jetzt hatte ich vor Kurzem mal wieder so richtig Bock auf Manga und Comic – wie passend, dass ich dann zur „Jubiläumsausgabe“ ein paar mehr Eindrücke zum Teilen habe. Spoilerfrei.

„20th Century Boys“ Perfect Edition Vol. 6, Naoki Urasawa (engl. Ausgabe, VIZ)

Nach dem doch deutlich schwächeren fünften Sammelband legt die Reihe ordentlich zu. Man kann spekulieren, dass Urasawa seine Geschichte mit den vergangenen Kapiteln auf den Weg gebracht hat. Wenn man aber weiß, dass Manga in Japan durch Leserbewertungen und Rankings beeinflusst werden, ist wohl anzunehmen, dass das Ziehen der Handlung durch immer mehr Subplots den Lesern damals eben doch zu bunt wurde. Die Neuauflage als Perfect Edition behandelt im sechsten Sammelband nun die Flucht Sadakiyos und Kyokos, es gibt ein Wiedersehen mit einem sehr lieb gewonnen Charakter und Kanna macht eine Reise in die Vergangenheit. Urasawa hat meistens so einen Nebencharakter als tragische, weil geläuterte Figur, die mich aufgrund ihrer Bekehrung immer sehr rühren. Ich möchte sogar sagen zu meinen heimlichen Lieblingscharakteren werden. In Monster ist das Grimmer, hier Sadakiyo. Vielleicht ist es deswegen schon einer meiner Lieblingsbände der Neuausgabe.

Außerdem ist der Band voller Offenbarungen, Enthüllungen und Höhepunkten – es geht richtig bäm, bäm, BÄM! Und wenn es keine große Enthüllung gibt, dann erfährt man zumindest von einigen Bausteinchen, die lose Fäden der vergangenen Kapitel verbinden. Alles in allem fühlt sich das wie ein gewaltiger Fortschritt an – als ob man gigantische Schritte auf ein Ende hin macht. Da das ein Reread ist, weiß ich schon, dass es nur die große Enthüllung vor der nächsten Welle an konspirativem Wahnsinn ist, der nochmal alles in der Serie ändert. Aber umso besser, dass Urasawa vorher nochmal richtig aufräumt.

„Gideon Falls“ Vol. 4 „Stations of the Cross“; Jeff Lemire, Andrea Sorrentino, Dave Stewart (engl. Ausgabe, Image Comics)

Inhaltsangabe von Vol. 4 mit Spoilern für „Gideon Falls“ Vol. 1-3 ausklappen

Nachdem Norton und Fred die Plätze getauscht haben und der Mann mit dem roten Lächeln aus der schwarzen Scheune in die physische Welt getreten ist, gibt es erst einmal viel Verwirrung für Fred und Dr. Angie und emotionale Achterbahnfahrten für Norton aka Dannys Schwester und Vater. Ich finde hier hätte man noch etwas mehr Zeit investieren können. Zumindest gab es ein paar Erklärungen für Fred und den Grund, warum er nach Gideon Falls geschickt wurde. Trotzdem wurde das in Band 3 irgendwie eleganter vorbereitet und v.A. war das Tempo angenehmer.

Der „Mann mit dem roten Lächeln“ zieht wie zu erwarten war durch Gideon Falls eine Schneise der Verwüstung – die fällt stark gore-ig aus. Überraschend ist dabei aber, dass es nicht bei dem zum Ende von Band 3 angedeuteten Feldzug einer einzigen menschlichen Hülle bleibt. Viel mehr springt der Mann mit dem roten Lächeln von einem Wirt zum anderen. Die brutalen Blutbäder sind mit einigen wenigen Sätzen und Bildern, die lange in Erinnerung bleiben auf den Punkt inszeniert. Da ist der Kalt-Warm- und Sättigungs-Kontrast der Farben wieder besonders hilfreich. Aber es ist auch irgendwie alles „schon mal gesehen“ – zumindest inhaltlich. Recht unerwartet hingegen ist, welche großen Sprünge der Comic hin zu einem Ende macht. In der zweiten Hälfte muss ich sogar sagen: ging mir zu schnell. Trotz der großartigen, alptraumhaften Bilder hatte ich den Band in gefühlt acht Minuten zu Ende gelesen und habe den Eindruck, nochmal und nochmal und nochmal blättern zu müssen, einfach aus Enttäuschung, dass es so schnell endete und „weil ich noch was davon haben will“. Auch dieser Band endet mit einem harten und genialen Cliffhanger, der das Buch wortwörtlich zuschlägt.

„Killing Stalking“ Bd. 2, Koogi (Altraverse)

Puuuh. Schon Band 1 hat mir etwas Kopfzerbrechen bereitet – das setzt sich in Band 2 fort. Killing Stalking handelt vom psychisch schwer in Mitleidenschaft gezogenen Yoon Bum, der sich in einen jungen Mann namens Oh Sangwoo verliebt und sein Stalker wird. Stand aus dem ersten Band ist aber, dass Bum in Sangwoos Haus einbricht und dort von ihm überwältigt und danach gefangen gehalten wird. Sein geliebter Oh Sangwoo offenbart sich als kranker Triebtäter und Mörder, der nun fiese Psychospiele mit Bum treibt und ihn misshandelt. Immer wieder wird dabei Thema, dass Bum Gefühle für ihn hatte oder hat und es deutet sich eine Stockholm-Syndrom-ähnliche Zwickmühle an.

Man mag sich wundern, aber solche als Boys Love/Drama/Crime getarnten Comic kreuzten schon öfter meinen Weg und ich bin sie etwas leid. Der Leser wird mit zweierlei Aussichten geködert und befüttert: entweder will man Sangwoo brennen sehen oder wie Bum und Sangwoo eine „normale“ Beziehung eingehen und sich gegenseitig retten. Das ist dann der eher verklärte Ausweg für diejenigen, die einen Retter-Komplex haben. Sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, etc ist aber kein Spaß und definitiv nicht romantisch. Ich will niemanden beleidigen, der das in seinem stillen Kämmerchen als Fetisch liest – macht euer Ding. Aber ich gehöre eher zur ersten Fraktion, die gehofft hat, dass Sangwoo überführt wird. In Band 2 gab es dahingehend keinen Fortschritt und ich sehe keinen Grund mich noch durch zwei weitere Bände zu quälen und darüber aufzuregen, dass Bum in Sangwoo Anzeichen für Liebe und Zuspruch sucht.

Interessant ist, was die Autorin Koogi in dem Manhwa (=südkoreanischer Comic) für eine Charakterzeichnung anwendet. Sie hat sich definitiv Gedanken gemacht, denn es lässt sich erkennen, dass Bum eventuell unter dem Borderline-Syndrom leidet und in eine Abwärtsspirale aus Hypersexualität und Desillusion abgleitet. Durchaus möglich, dass Koogi bewusst damit spielt wie schmal der Grat zwischen Wunsch und Wirklichkeit für einen Betroffenen sein mag und ein Mahnmal setzen will. Vielleicht gar der Leserschaft am Ende eindeutig zeigt „missbräuchliche Beziehungen sind kein Spaß“? Aber ich komme für mich zu dem Schluss, dass ich die Reihe nicht in der Hoffnung weiterlese, dass wir das noch sehen dürfen. Davon mal abgesehen ist Koogis Stil natürlich weiterhin sehr gut und die Ausgabe von Altraverse von angenehm hoher Qualität.

„Bakuman“ Bd. 7; Takeshi Obata, Tsugumi Ohba (Tokyopop)

Irgendwann habe ich ja mal gesagt, dass ich weiter angefangene Reihen auslesen möchte und dass meine Wahl wohl entweder auf Tsubasa (von CLAMP) oder Bakuman fällt. Neulich stand ich da so vor meinem Regal und habe mich daran erinnert und hatte auch richtig derb Lust Bakuman weiterzulesen. Der Manga handelt von den Bestrebungen zweier Schüler Mangazeichner und -autoren zu werden und in Rekordzeit einen so großen Hit zu landen, dass der sogar als Anime umgesetzt wird. Die Reihe hat sich unter Mangafans und v.A. -zeichnern großer Beliebtheit erfreut, weil er einen tiefen Einblick darin gibt wie die Manga-Industrie in Japan funktioniert.

Überraschenderweise konnte ich mich noch recht gut an die vergangenen sechs Bände erinnern, die ich vor vielen Jahren gelesen habe. In Band 7 droht die Reihe der beiden Protagonisten abgesetzt zu werden und sie haben ein erstes Zerwürfnis mit ihrem Redakteur. Zudem werden sie in eine Richtung gedrängt, die ihnen nicht passt. Statt der Genres, mit denen sie vertraut sind, sollen sie vermehrt in die Gag- und Comedy-Schiene wechseln. Die Entwicklung gefällt mir gut, weil sie ein bisschen mehr die Ernsthaftigkeit des Arbeitslebens tangiert. Nicht, dass die vorher das nicht getan hätten – Moritaka wurde meine ich wegen Überarbeitung sogar schon mal krank. Aber hier finden wir einen harten Interessenkonflikt, wie sie sicherlich schon mancher Angestellte erlebt hat. Was ich total vergessen habe ist wie unglaublich lange man an dem Manga liest! Ich habe bestimmt über zwei Stunden gesessen, wo man die meisten Manga im handelsüblichen Umfang doch in einer halben bis dreiviertel Stunde wegatmen kann. Wer sich für die Mangawirtschaft und das „Making-of“ Manga (und Comics) interessiert unheimlich interessant und ich brenne darauf weiterzulesen. 😀

Die meisten Reihen heute sind ja schon ziemliche Evergreens. Ohne nachzuschauen, behaupte ich mal, dass es kaum eine Ausgabe von „angelesen“ gibt, in der ich nicht „Gideon Falls“ oder „20th Century Boys“ erwähnt oder besprochen habe. ^^ Sind halt einfach gut … . Wobei „20th Century Boys“ sogar ein Reread ist und als ich „Bakuman“ anfing … wow, das war noch auf der Uni und damit mehr als fünf Jahre her. In den letzten eineinhalb Jahren habe ich auch kaum neue Reihen angefangen. Was sind eure „Evergreens“? An welchen Reihen lest ihr seit Längerem? Habt ihr welche von denen hier gelesen?

In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂

2 Antworten

  1. […] die Mechanismen zu erkennen, die zu Veränderungen innerhalb der Story führen. Während sich Band 7 auf das weitere Fortbestehen des Teams Muto Ashirogi konzentrierte (also auf das […]

  2. […] Würde man „20th Century Boys“ als Serie umsetzen, wäre es das mit Sicherheit […]

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