Filmbesprechung „Beyond The Infinite Two Minutes“ & „Special Actors“ (Nippon Connection 2021)

Rein zufällig oder auch nicht: auf der „Nippon Connection 2021“ hatten einige Filme den gemeinsamen Nenner, dass sie Kino und Filmschaffende adressieren. Das weckt angenehme Erinnerungen an Extro, den ich 2020 auf der Nippon Connection online gesehen habe. Das trifft auch auf einen der heute besprochenen Filme zu („Special Actors“) und durch die Blume auch ein wenig auf „Beyond The Infinite Two Minutes“. Der auffälligere gemeinsame Nenner ist aber, dass beide Filme sehr kurzweilig und innovativ erzählt sind. 🙂 Besprechungen sind wie immer spoilerfrei.

Beyond The Infinite Two Minutes

So hatte sich Cafébesitzer Kato (Kazunori Tosa) seinen Feierabend nicht vorgestellt: eine einzige Entdeckung sorgt dafür, dass er sich eine Abfuhr von seiner Angebeteten abholt, sich mit Yakuza einlässt und seine Freunde und er in Gefahr schweben und eventuell das Zeitgefüge empfindlich verletzen. Wie das? Kato entdeckt, dass der Bildschirm in seiner Wohnung plötzlich alles das abspielt, was sich am selben Ort zwei Minuten in der Zukunft ereignet, während der Monitor in seinem Café alles das zeigt, was zwei Minuten in der Vergangenheit passiert ist.

Zusammen mit seinen Freunden lotet Kato nun alles mögliche aus, was man mit mit den Bildschirmen anstellen kann. Können sie dadurch irgendwie reich werden? Ihre größeren Lebensentscheidungen evaluieren? Hit and miss etwas beeinflussen? Was, wenn andere davon erfahren? Sie testen die Grenzen aus und verlängern den Zeitraum der zwei Minuten, indem sie die Bildschirme gegenüberstellen. Aber ihre Experimente haben bald Konsequenzen.


„Beyond The Infinite Two Minutes // Trailer“, via NipponConnectionTV (Youtube)

Der japanische Originaltitel sowie das Konzept der „Nicht-Wirklich-Zeitreise“ geht auf den Droste-Effekt zurück, der auch Mise en abyme („bodenlos“) genannt wird. Der besagt, dass wenn ein Bild sich selbst enthält, das sich wiederum selbst enthält, eine unendliche Verkettung entsteht. Bei Ereignissen statt Bildern hat das den auch durch Katos Freunde festgestellten Effekt, dass man sich gefangen fühlt. Bald schon fühlen sich die Freunde verpflichtet immer das zu „spielen“, was sie zuvor auf den Bildschirmen gesehen haben, um keine Zeitparadox zu verursachen. Beyond The Infinite Two Minutes ist genial in der Einfachheit seines Konzeptes und der sympathischen Umsetzung. Wir würden wohl auch vor den Bildschirmen stehen und alles austesten, was uns in den Sinn kommt. Der Abspann gewährt einen kleinen Blick in das Drehen des Spaßes und die Konzeptionierung, die einiges an Köpfchen und Gehirnschmalz erfordert. Es gibt einige Momente, in denen man auch als Zuschauer die grauen Zellen aktivieren muss und sich fragt „Und das ist jetzt möglich, weil …?“ Aber es geht logisch alles auf!

Und als es das nicht mehr tut ist es auch nur wegen der Notwendigkeit eines Endes. Der dramatische Abschluss ist erzwungermaßen sehr künstlich und auch die Begegnung mit den Yakuza ist nicht mehr ganz so schlüssig und „natürlich“ wie der Beginn des Films. Dass es eine Low-Budget-Produktion ist, merkt man dem Film nicht an und ich übersehe auch sehr gern, dass die Bildschirme durchgängig funktionieren, obwohl sie hin- und hergetragen werden und scheinbar ein unendlich langes Stromkabel haben. Sehr zu loben ist auch die enorm smoothe (Hand-)Kameraarbeit, die als Quasi-One-Take funktioniert. Trotz kleinerer Mäkelei ist Beyond The Infinite Two Minutes eine kurzweilige Filmperle, sehr sympathisch und lebendig inszeniert von der Theatergruppe EUROPE KIKAKU. Auch sehr geeignet für Fans von Zeitreise-Stoffen.

Beyond The Infinite Two Minutes (OT: ドロステのはてで僕ら „Droste no hate de bokura“), Japan, 2020, Junta Yamaguchi, 70 min, (8/10)

Sternchen-8

Special Actors

Regisseur Shinichiro Uedas One Cut of the Dead spielte rund das Tausendfache seines ursprünglichen Produktionsbudgets ein und hat in der Filmszene für Aufsehen gesorgt. Auf seinen nächsten Streich Special Actors darf man also gespannt sein. Die Prämisse verheißt wieder eine witzige Idee, die ähnlich unterhaltsames Chaos zu Tage fördert. Kazuto (Kazuto Osawa) möchte gern Schauspieler werden, aber sobald er sich stark unter Druck gesetzt fühlt, fällt er in Ohnmacht. Als er wieder einmal ein Vorsprechen mit ungeplanter Ohnmacht und einer Absage endet, will er den Traum schon aufgeben. Da trifft er zufällig seinen Bruder Hiroki (Hiroki Kono), der ihm von der Agentur Special Actors erzählt. Die vermitteln Laiendarsteller*innen für Situationen im echten Leben. So spielen sie beispielsweise den neuen Freund, um den Ex abzuwimmeln oder schwierige Kundschaft, um das Personal eines Ladens zu testen. Kurz nachdem sich Kazuto entscheidet es mal als „Special Actor“ zu probieren, wird die Agentur mit einem bisher noch nie dagewesen Fall konfrontiert.


„Special Actors // Trailer“, via NipponConnectionTV (Youtube)

Um ihre Schwester aus den Fängen einer Sekte zu befreien und das Familienunternehmen zu retten, heuert eine junge Frau die Agentur an, um die Sekte zu unterwandern. Das mündet in einem irrwitzigen Plan, indem sich Kazuto und Hiroki plötzlich inmitten von Sektenjüngern wiederfinden und natürlich rund um die Uhr ihre Rolle aufrecht erhalten müssen. Nebenbei dürfen wir als Zuschauer*innen die Masche einer Sekte live erleben. Nur mit einem leichten Droste-Effekt (siehe oben). Die Schauspieler spielen nicht umsonst unter ihren eigenen Namen und wir erleben ein Schauspiel im Schauspiel. Zusammen mit der steten Gefahr durch Kazutos Ohnmachtsanfälle aufzufliegen hat das schon eine ganz eigene Komik.

Zugegebenermaßen bleibt die über weite Strecken eher etwas unterschwellig. Es ist zwar amüsant dem Treiben zuzuschauen und v.A. die Sektenmasche zu sehen, aber der Film hat auch gehörige Längen bis dahin. Nicht alle Gags zünden und manche davon wirken sehr aus der Zeit gefallen wie dass Kazuto unter Stress einen Ball knetet, weil es Menschen wie ihn „beruhigen würde Brüste zu massieren, aber echte sind außerhalb seiner Liga“. Das ist schon so flach, da möchte man ausschalten. Gegen Ende schraubt sich der Film nochmal spannungstechnisch und erkenntnisreich mit einigen Überraschungen hoch, die die Konzeptionierung in verschiedenen Erzählebenen und Köpfchen erkennen lassen. Das hat das Potential einige Zuschauer*innen wieder etwas mehr mit dem zuvor erlebten Humor zu versöhnen. 😉

Special Actors (OT: スペシャルアクターズ), Japan, 2019, Shinichiro Ueda, 109 min, (6/10)

Sternchen-6

Dass „Special Actors“ bei einigen anderen Zuschauer*innen besser abgeschnitten hat als bei mir, habe ich schon mitbekommen. Aber bezüglich der Kurzweiligkeit, dem „Droste Effekt“ und dem Low Budget-Ansatz zeigt meiner Meinung nach „Beyond The Infinite Two Minutes“ auf sehr sympathische Weise was man da alles rausholen kann, wo „Special Actors“ auch den Rotstift hätte ansätzen können. Habt ihr die beiden Filme zufälligerweise auch gesehen? Und wie haben sie euch gefallen?

2 Antworten

  1. […] ich auf der Nippon Connection 2021 Shin’ichirō Uedas Special Actors gesehen habe, wird es wohl mal Zeit seinen Durchbruch-Film One Cut of the Dead nachzuholen. Apropos […]

  2. […] Zwischen One Cut und Popran liegt für Regisseur und Drehbuchautor Shinichiro Ueda immerhin noch Special Actors, den ich letztes Jahr zur Nippon Connection online sah. Nach den beiden Filmen ist Popran nun […]

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