Filmbesprechung „Popran“ & „They Say Nothing Stays the Same“ (Nippon Connection 2022)

Das sind dann schon die letzten beiden Filme, die ich On-Demand zur Nippon Connection 2022 geschaut habe. Auf viele bin ich dieses Jahr leider nicht gekommen, weil das Leben in den Festivalwochen recht anspruchsvoll war. Aber immerhin habe ich alle gesehen, die ich am liebsten sehen wollte. 🙂 Einen gemeinsamen Nenner kann ich für die beiden heute nicht finden. Es geht um einen Fährmann im historischen Japan und einen Mann, dessen Penis wegfliegt. Tjoar, ne? Die Besprechungen sind spoilerfrei.

Popran

Tagami ist der Geschäftsführer eines erfolgreichen Manga-On-Demand-Verlags, der den richtigen Zeitpunkt fand um die Digitalisierung von Mangas zu Geld zu machen. Er ist erfolgreich und es fehlt ihm scheinbar an nichts. Eines morgens steht er aber auf und sein Penis ist verschwunden. Die Ärzte sind ratlos, Tagami panisch. Gleichzeitig gibt es in Japan Sichtungen von unbekannten Flugobjekten, die mit immenser Geschwindigkeit über den Himmel düsen. ^^ In einem Untergrund-Treffen findet Tagami andere, denen das passiert ist und erfährt: wenn er seinen „Popran“ nicht innerhalb von sechs Tagen wieder einfängt, dann bekommt er ihn nie wieder zurück.


Popran 『ポプラン』 Official Trailer | Nippon Connection Filmfestival 2022 – English Subtitle version, NipponConnectionTV, Youtube

Der Sache entkommt man nicht. Wer einmal sowas fabriziert hat wie One Cut of the Dead, der schleppt immer gewisse Erwartungen mit sich. Zwischen One Cut und Popran liegt für Regisseur und Drehbuchautor Shinichiro Ueda immerhin noch Special Actors, den ich letztes Jahr zur Nippon Connection online sah. Nach den beiden Filmen ist Popran nun geradliniger erzählt und wirbt von Anfang an mit einer neugierig machenden Prämisse. Warum zur Hölle fliegt sein Penis weg? Dinge, von denen ich nie dachte, dass ich sie mal schreibe, sage oder auch nur denke.

Der Aufhänger wird im folgenden, dass Tagamis „Popran“ ein Eigenleben entwickelt hat, weil er mit seinen Lebensentscheidungen nicht zufrieden ist. Tagami reist auf der Suche nach seinem Popran zu all den Stationen seiner Vergangenheit, in denen er schlechte Entscheidungen traf. Seine Eltern verlassen ohne ein Wort zu sagen, die Freundin mit dem Kind sitzen lassen, den ehemals besten Freund und Geschäftspartner hintergehen. Da kann man schon verstehen, warum sein Popran keinen Bock mehr auf ihn hatte. In einer Headline las ich mal über den Film „Toilettenhumor mit Moral“ und ich könnte es kaum besser beschreiben. Natürlich ist Uedas Film für leichten Penis-Humor wortwörtlich geschaffen. Und es gibt einige Szenen, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Und solche, bei denen der Humor flach ist und man sich wünscht, man würde das nicht witzig finden. ^^ Generell ist es eine wünschenswerte Veränderung, dass Ueda dieses Mal auf Twists und Turns verzichtet, sich aber in punkto wahnwitziger Storyline treu bleibt. Nur nimmt damit der Ideenreichtum und somit auch die Spannung gegen Ende des Films stark ab. Die moralische Botschaft hingegen und der Wink in Richtung toxische Männlichkeit ist aber cool und ohne erhobenen Zeigefinger erzählt.

Popran (OT: ポプラン „Popuran“), Japan, 2022, Shinichiro Ueda, 96 min, (7/10)

Sternchen-7

They Say Nothing Stays the Same

Während der Meiji-Restauration Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Japan einen Wandel von Shogunat zu Kaisertum. Damit gingen einige Veränderungen und Modernisierungen im Land einher. Für den Fährmann Toichi (Akira Emoto) werden die Veränderungen sichtbar durch die Geschäftsleute und Bauarbeiter, mit denen er ans andere Ufer des Flusses übersetzt, wo eine Brücke gebaut werden soll. Sie und die Brücke machen seinen Job in absehbarer Zeit überflüssig. Trotzdem beschimpfen sie ihn. Natürlich sind nicht alle seine Fährgäste so. Da sind auch nette Leute, die mit ihm austauschen, was es neues gibt. Ein pflichtbewusster Arzt, der weite Strecken zurücklegt, um auch seine Patient:innen auf dem Land zu besuchen, etc. Eines Tages fischt Toichi aber auch ein junges Mädchen aus dem Wasser, die nicht spricht und etwas schlimmes erlebt haben muss. Die erste Langfilm-Regiearbeit des v.A. als Schauspieler bekannten Joe Odagiris reiht Szenen von friedvoller Ruhe am Fluss mit solchen aneinander in denen die Angst vor Veränderung ins brutale und mysteriöse umschlägt. Was kommt? Was geht?

Einer der schönsten Sätze des Films ist wohl „I prefer fireflies to bridges“, O-Ton Toichi. Ein anderer ist wohl die Aussage, dass wenn etwas Neues kommt, etwas altes weichen muss. Muss der Fährmann weichen? Toichi führt bereits ein entbehrungsreiches Leben. Anfangs scheint der Bau der Brücke und das Reden von Veränderungen seiner Zen-Mood nichts anzuhaben. Dann aber nagt die Aussicht darauf „abgeschafft“ zu werden doch an ihm. Das und die Frage, was dem Mädchen passiert ist, sorgen für einige Spitzen in dem ansonsten sehr ruhigen und unterschwellig tragischen Film, die brutal oder gar mysteriös sind. Manches muss eher gefühlt und interpretiert werden, bevor man es einordnen kann. Das für mich einzige Manko an dem Film ist, dass mir ein, zwei der Mystery-Elemente zu zusammenhangslos erscheinen.


They Say Nothing Stays the Same (2019) | Trailer | Joe Odagiri | Akira Emoto | Ririka Kawashima, Film Movement, Youtube

Der Kameraarbeit von Christopher Doyle (Chungking Express, Hero, Infernal Affairs) gelingt es aber ausgezeichnet all das einzufangen, was Toichi und uns bald genommen wird. Das seichte Gleiten über das Wasser mit Toichis Boot, das keine Zeit und keinen Druck zu kennen scheint. Die Natur um uns. Wenn das Boot durch Regen, Hitze, wie auch Nebel über dem Wasser gleitet. Es beweist was Film für uns an Atmosphäre erwecken und konservieren kann. Man meint zugreifen zu können. Akira Emoto delivered ausgezeichnet – wie immer. Der Film endet mit mehreren Wachrüttlern und einer unbestimmten Botschaft wie man Veränderung begegnen soll, wenn sie zu brutal ist.

They Say Nothing Stays the Same (OT: ある船頭の話 „Aru sendo no hanashi“), Japan, 2019, Joe Odagiri, 137 min, (8/10)

Sternchen-8

Welche waren eure Lieblingsfilme der diesjährigen Nippon Connection? Meiner war wohl Ring Wandering, dicht gefolgt von „They Say Nothing Stays the Same“. Habt ihr die oben besprochenen Filme gesehen? Und wie haben sie euch gefallen?

Eine Antwort

  1. Avatar von Voidpointer
    Voidpointer

    Danke für die Empfehlungen!

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