Der letzte Stapel an Japanuary-Reviews stellt mich vor die schwierige Frage wie man eigentlich über „One Cut of the Dead“ schreibt ohne zu spoilern. Mein Problem, nicht eures. 🙂 Und: habe ich geschafft alle Filme zu schauen, die ich mir vor ca. einem Monat vorgenommen habe? Die Besprechungen sind spoilerfrei.
Die Tür in den Sommer
Hätte ich mal meinem Instinkt vertraut. Neugierig wurde ich auf den Film, da er eine Adaption einer Robert A. Heinleins gleichnamiger Science-Fiction-Erzählung ist. Das Poster sah mir doch aber frappierend nach RomCom aus. Solche Genre-Shifts funktionieren mal besser, mal schlechter. In diesem Fall schlechter, da der ganze Film schon dissonant wirkt. Selbst wenn die Filmschaffenden den Wunsch hatten einen Liebesfilm mit Science-Fiction-Elementen zu drehen, kracht das. Was haben sie sich dabei gedacht? Abgesehen vom Toyota-Product-Placement?? Aber fangen wir beim Anfang an. Der Film handelt von Erfinder Soichiro Takakura (Kento Yamazaki), der im Laufe seines Lebens viele geliebte Menschen verloren hat. Ihm ist nur seine Stiefschwester Riko (Kaya Kiyohara) und sein Kater Pete geblieben. Und die Arbeit. Allerdings betrügen ihn seine Geschäftspartner, klagen ihn aus der Firma heraus und behalten sein geistiges Eigentum. Deprimiert will er der Welt entkommen und bucht für sich einen Kälteschlaf, der ihn 30 Jahre in der Zukunft aufwachen lässt. Als er dort keine Spur mehr von Riko findet, beschließt er in der Zeit zurückzureisen und das Blatt zu wenden.
Man liest also schon heraus, dass mit Cryo-Schlaf und Zeitreisen ganz klar Technologien Einzug in den Alltag halten, die wir noch Science-Fiction nennen. Es ist dabei gar nicht so schlimm, dass sich das alles „so nebebei“ abspielt und als gegeben hingenommen werden kann. Die Tür in den Sommer verpasst an ganz anderer Stelle Chancen. So wenn Soichiro 30 Jahre in der Zukunft die Geschäfte seiner ehemaligen Firma untersucht und einige Ungereimtheiten aufdeckt, die einen enorm guten Twist hergegeben hätten. Leider wurden die Details aber so offensichtlich hergegeben, dass man nicht mehr von Twist sprechen kann und die Auflösung zehn Meilen vorher erahnt. Auch sehr cringy: die Beziehung Soichiros zu seiner Schwester Riko, die sehr romantisch dargestellt wird. Sicherlich kann man das so oder so lesen und argumentieren, dass sie ja keine biologischen Geschwister sind, aber man hätte auch grundsätzlich eine ganz andere Entscheidung treffen können wie beide Charaktere zueinander stehen. Hätte Riko nicht auch einfach eine Kindheitsfreundin sein können?
Der Film findet kaum die richtigen Mittel um zu kommunizieren, was offensichtlich Motiv sein soll. Der Fokus liegt sehr stark auf dem Romantik- und Drama-Aspekt. Schließlich will sich Soichiro bis zu einem gewissen Grad auch sein altes Leben zurückholen. Wie dabei verschiedene Personen drinhängen und bei seinem eigentlich sehr smarten Plan helfen, kann man kaum würdigen, weil alles viel zu glatt läuft. So richtige, geschniegelte Drehbuchsuppe. Schade! Am ehesten machen noch der Kater Pete und sein Androiden-Kollege desselben Namens aus der Zukunft Spaß. Natürlich hat alles ein cleanes, helles, modernes Production Design. Vielleicht noch das durchdachteste an dem ganzen Film, wenn auch nicht sehr überraschend.
Die Tür in den Sommer (OT: 夏への扉 キミのいる未来へ „Natsu e no Tobira: Kimi no Iru Mirai e“), Japan, 2021, Takahiro Miki, 118 min, (4/10)
„映画『夏への扉 ―キミのいる未来へ―』本予告2021.6.25(FRI)ROADSHOW“, via アニプレックス YouTube チャンネル (Youtube)
One Cut of the Dead
Es gibt viele Gründe, aus denen man One Cut of the Dead mögen kann. Weil es ein Indie-Hit ist, der bei schmalem Budget ein Millionenerfolg wurde. Weil die erste halbe Stunde als Plansequenz ohne Schnitt gedreht ist. Oder weil der Film die Liebe zum Medium, zu Kino und dem Filmeschauen adressiert. Und das auf herrlich selbstironische und warmherzige Weise. 🙂 Aber man kann oder sollte eins nicht – den Film spoilern. Nur soviel sei verraten: der Film beginnt mit einer Filmcrew und dem offenbar stark unter Stress stehenden Regisseur (Takayuki Hamatsu), der auch mit der Leistung aller eher unzufrieden ist. Sie drehen auf einem verlassenen Industriegelände einen Horrorstreifen als offenbar plötzlich wirklich Zombies auftauchen und sie angreifen.
Es ist zum Brüllen komisch wie der Regisseur angestachelt durch den plötzlichen Zombie Outbreak plötzlich aus dem Drehen nicht mehr rauskommt und aus allen Ecken springt und dabei laut „ACTION!“ ruft. Ich würde natürlich nicht so stark vor Spoilern warnen, wenn es nicht Überraschungen geben würde. Und vor dem, was Shin’ichirô Ueda da entfesselt muss man planerisch wirklich den Hut ziehen. Daneben macht One Cut of the Dead Spaß und ist eine herrliche Hommage an das Filmemachen, wie die Leidenschaft dazu verbindet und Familie im Allgemeinen. Es gibt keinen Trailer, der nicht spoilert. Also … einfach gucken. 😉
One Cut of the Dead (OT: カメラを止めるな! „Kamera o Tomeru na!“), Japan, 2017, Shin’ichirô Ueda, 96 min, (9/10)
The Fable
Der Auftragskiller „The Fable“ (Jun’ichi Okada) wird von seinem Auftraggeber und Ziehvater angeordnet ein Jahr lang ein normales Leben zu führen. Niemanden töten, ein normaler Job, eine Cover-Identität und eine neue Stadt. Frisch in Ōsaka angekommen, dauert es aber kaum einen Tag bis er der örtlichen Yakuza in die Quere kommt und von Schlägern auf der Straße vermöbelt wird. Wie lang kann ein Jahr sein?
„The Fable – Trailer | JAPANESE FILM FESTIVAL 2020“, via SF Cinema (Youtube)
Seinen Namen verdient sich „The Fable“ weil man denken könnte einer wie er ist nur eine Legende oder ein Ammenmärchen, das sich Yakuza (oder solche die es mal werden wollen) abends bei einem Schlückchen lauwarmen Sake erzählen. Tatsächlich scheint ihm nie etwas zu misslingen. Man bekommt den Eindruck als ob er im Hinterkopf Augen hat und nie daneben trifft. Erzählerisch ein No-Go – solche Helden kann man schwer feiern oder mögen, weil sie nicht nahbar genug sind. Tatsächlich ist „The Fable“ aber wirklich fabelhaft. Sein krasses Pokerface ist pure Satire auf das Actiongenre knallharter Protagonisten, die kein Wässerchen trüben kann. Was er absolut nicht ab kann: heißes Essen. Es ist ein Running Gag wie er kostet und hinterher „Atsuiiiii!“ (heiß) schreit. Seine Eigenheiten machen „The Fable“ schräg, sehr nahbar und sind daher eine kluge Wahl mit Alleinstellungsmerkmal.
Dass „The Fable“ sich manchmal so schrullig anstellt ist ein Hinweis darauf, dass er dieses „normale Leben“ zuvor nicht hatte. Gerade der Aspekt geht etwas schwer auf – er lebt schließlich schon eine Weile unter Menschen. Auch gerät seine Kollegin Yoko (Fumino Kimura) ins Hintertreffen. Sie ist offenbar auch in „das Business involviert“, kann saufen wie ein Loch, ist witzig und extrem cool, aber ihre Rolle wird trotz der Screentime und -präsenz kaum ausgebaut. Auch Misaki (Mizuki Yamamoto), die Arbeitskollegin von „The Fable“ in einem „normalen Job“ darf nicht über eine damsel in distress hinauswachsen. Ein wenig befremdlich finde ich die Bewerbung des Films mit dem Abspannsong … „Born this Way“ von Lady Gaga ist ein toller Song, aber der Film hat genug zu bieten, um nicht mit einem Song werben zu müssen. Auch als Actionkomödie ist der Film brilliant und hat rasante und markante Szenen. Kann es kaum erwarten den zweiten Teil zu schauen.
The Fable (ザ・ファブル „Za Faburu“), Japan, 2019, Kan Eguchi, 123 min, (8/10)
Lowlife Love
Tetsuo Aoki (Kiyohiko Shibukawa) hatte als Regisseur vor Jahren einen Indie-Hit und schlaucht sich inzwischen bei seiner Familie und Freunden durch. Er wirbt in seinen hemdsärmeligen Schauspielkursen mit der Aussicht auf eine Rolle in einem seiner nächsten Filme, wann auch immer das sein wird und dreht in der Zwischenzeit eher Pornos. Als aber die vielversprechende Laiendarstellerin Minami (Maya Okano) und der Drehbuchautor (Shugo Oshinari) auf seinen Scam reinfallen, zeigt sich, dass Tetsuos hinter seiner kühlen Fassade den Herzenswunsch verbirgt einen Film auf die große Leinwand zu bringen. Einen, der von vielen Menschen gesehen wird. Vor Allem durch die involvierten Charaktere und menschlichen Schwächen gestaltet sich das Projekt als schwierig. Tetsuo kann es beispielsweise nicht lassen Besetzungscouch mit Professionalität zu verwechseln. Oder viel mehr ist es ihm egal. Lowlife Love handelt davon wie sich einstige Träumer mit halbseidenen Mitteln von Tag zu Tag schummeln, lügen und betrügen – vielleicht auch weil sie keinen anderen Weg sehen und abstumpfen.
Dankbarerweise lässt der Film dazwischen die echte Leidenschaft für die Materie Film aufblitzen. In den Momenten macht der Film Spaß. Shibukawa ist sowieso großartig darin den Fiesen zu spielen, wie auch plötzlich die zarteren Momente aus dem Ärmel zu schütteln. Der Film handelt mindestens genauso viel von Lowlife wie von Love. Wer mit wem? A will B, B will C, C will eigentlich nur eine Rolle in einem Film – da tut sich schon ein ganzes Netz aus Beziehungen und Zielen auf. Was es so nicht gebraucht hätte, währe der ständige Sexismus und das Besetzungscouch-Gefummel. Wir haben es auch beim zweiten, dritten und vierten Mal verstanden, dass das Showbusiness so funktioniert und dass es nicht nur die Masche der „Lowlifes“ ist. Die Parallele „Die Großen sind nicht besser als die Kleinen“ funktioniert auch gut, wenn man sich auf zwei, drei signifikante Szenen konzentriert hätte. Auch hat der Film für seine Botschaft deutliche Überlänge, wobei man insbesondere im ersten und letzten Drittel hätte einsparen können. Wichtig: der Film heißt Lowlife Love und nicht Lowlife Director Love. Damit will ich sagen: besonders tief steigt er in die Branche und das Filmemachen nicht ein, was ok ist. Mit entsprechender Erwartungshaltung sollte man in den Film gehen. Die letzte Einstellung ist saucool und mildert ein wenig die Länge und anfängliche Behäbigkeit.
Lowlife Love (OT: 下衆の愛 „Gesu no Ai“), Japan, 2015, Eiji Uchida, 110 min, (5/10)
Mal abgesehen von Filmen …
… habe ich Haruki Murakamis Kurzgeschichtensammlung Von Männern, die keine Frauen haben gelesen. Die Besprechung im Blog steht noch aus. Das war insofern toll, weil ich so ein wenig mit der Verfilmung zweier der Kurzgeschichten in Drive my Car vergleichen konnte. Allerdings war es nicht nur toll, weil mir der mysogyne Unterton einiger der Erzählungen bzw ihrer Protagonisten nicht geschmeckt hat. Ein anhaltendes Problem. Warum habe ich die Note früher nicht bemerkt? Vielleicht weil mir Murakamis Welten ansonsten so gut gefielen. Das tun sie immer noch. Es betrifft auch nicht alle der Geschichten. Geht es anderen Leser*innen ähnlich?? Ansonsten habe ich auch noch eine Serie geschaut – den Anime Blue Period, der echt klasse ist und mir sogar besser gefiel als der Manga.
Fazit
やった!! Ich habe es geschafft! Sogar Drive my Car konnte ich schauen, was gar nicht so einfach war. Einmal wurde ich weggeschickt, weil der Saal voll war. ^^ Bei zu dem Zeitpunkt nur drei oder vier Terminen wurde es dann etwas knapp. Aber es hat noch geklappt. Am besten haben mir der Film, One Cut of the Dead, Ugetsu und The Fable gefallen. Stand heute kann The Fable und Die Tür in den Sommer auf Netflix gestreamt werden, Lowlife Love auf Vimeo On Demand. Und der #Japanuary!? War wie immer sehr cool. Der Austausch auf Twitter macht echt Spaß und inzwischen scheint die Aktion global zu laufen. Wenn sie auch mitunter anders ausgelegt wird. Im englischsprachigen Raum machen es wohl einige so, dass sie eine Anzahl spezifischer Filmen festlegen. Mir gefällt es aber so wie bisher ganz gut. 😉 Nächstes Jahr gerne wieder.
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung/Filmliste
Besprechungen zu „Japanese Girls Never Die“, „Pulse“ (2001) & „Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond“
Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Drive My Car“ #japanuary
Header Image Photo Credits: Andre Benz
Das richtig miese an „Die Tür in den Sommer“ ist aber (wie ich erst jetzt realisiere), dass ich an dem Buch vielleicht keinen Spaß mehr hätte, weil ich besagten Twist nun schon kenne. Das ist ja mal ein unbefriedigendes Erlebnis. Habt ihr schon mal ähnliches erlebt? Vielleicht gebe ich dem Buch trotzdem noch eine Chance. Wie war euer #japanuary? Habt ihr mitgemacht? Was war das beste Erlebnis? Nächstes Jahr wieder – oder vielleicht zum ersten Mal? 😉
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