Kein schlechter Start! In der ersten Woche des Horrorctobers habe ich vier Filme gesehen. Das muss nicht für euer Sehverhalten fortschrittlich sein, aber für meines schon. 😉 Neben oben genannten Filmen habe ich auch Obayashis „Hausu“ gesehen. Aber über den muss ich mir noch eine Meinung bilden und bespreche den beim nächsten Mal. Ansonsten beschleicht mich der Verdacht, dass unter meinen ersten vier Filmen vielleicht schon die besten meines diesjährigen Horrorctobers sind. Besprechungen sind spoilerfrei.
His House
Endlich gute Nachrichten für die Familie Majur. Dem kürzlich aus dem Südsudan geflohenen Ehepaar Bol (Sope Dirisu) und Rial Majur (Wunmi Mosaku) wird Asyl gewährt und eine Unterkunft gestellt. Zwar wird ihnen gesagt, dass sie besonderes Glück haben, weil sie zu Zweit statt mit Fremden ein Haus beziehen dürfen, aber der renovierbedürftige Zustand, die Nachbarn und der Rassismus trüben das Bild des neuen Zuhauses. Außerdem verarbeiten sie noch den Verlust ihrer Tochter Nyagak (Malaika Wakoli-Abigaba), die sie während der Überfahrt mit einem überfüllten Flüchtlingsboot an das Meer verloren haben. Kurze Zeit später hören sie außerdem Stimmen in ihrer Bleibe, die immer lauter und fordernder werden. Und vielleicht sogar gefährlich.
HIS HOUSE | Official Trailer | Netflix, Netflix, Youtube
Remi Weekes Langfilmdebut für die BBC ist ein beachtlicher Spielfilm, der ihm hoffentlich viele Türen öffnen wird. His House verbindet survivors guilt mit den Bemühen in den Augen der Behörden und Betreuenden (u.a. Doctor Who’s Matt Smith in einer Nebenrolle) „einer von den Guten [Einwanderern] zu sein“. Sich zu adaptieren und ja keinem Scherereien zu machen, ist damit aus deren Sicht gemeint. His House zeigt dabei mühelos, dass dabei auch niemand damit rechnet, dass der Rassismus angesprochen wird, den die Einwanderer:innen ausgesetzt sind. Oder der Konflikt zwischen adaptieren und beibehalten der eigenen Kultur und Identität. Oder das Trauma der Flucht wie auch das der Konflikte vor denen sie geflohen sind. Vieles davon behandelt His House symbolisch. Die Geister scheinen in den Wänden des neuen Heims zu wohnen. Nehmen immer mehr Raum ein und sagen „repay me“ – „dadurch dass du hier bist, kann ich nicht hier sein“. Die jump scares und der etwas subtilere Grusel der ersten Hälfte hat für mich besser funktioniert als der schon deutlichere der letzten Hälfte. Trotzdem war vieles davon notwendig, auch um drastische Bilder für ein drastisches Thema zu finden.
His House, UK, 2020, Remi Weekes, 93 min, (9/10)
After Midnight – Die Liebe ist ein Monster
„Muss für eine Weile weg“ – so in etwa verabschiedet sich Abby (Brea Grant) von ihrem Freund Hank (Regisseur Jeremy Gardner) und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Der flippt jetzt mit gebrochenem Herzen durch die Momentaufnahmen ihrer Beziehung anhand von Fotos. Ach ja richtig – und er verteidigt das Haus nachts vor dem Monster, das versucht einzudringen und vielleicht Abbys Katze gefressen hat. Ja es drängt sich (insbesondere bei dem fragwürdigen Titel im deutschen Verleih) auf, dass eventuell Abby das Monster sein könnte. Mit der Idee spielt der Film über weite Strecken nicht mal, pflanzt sie kaum eigenständig in die Köpfe der Zuschauenden. So sucht man die Deutung all dessen während Hank in Bars sitzt und sich mit seinen Redneck Freunden besäuft.
Ganz nebenbei versucht der Film eine Buddy Comedy zu sein und entweder eine Satire auf schießwütige Männlichkeit zu sein oder diese zu glorifizieren. Dabei sind sich die Filmschaffenden der offenen Fragen durchaus bewusst und versucht die sehr zuverlässig zu beantworten. Wie zum Beispiel: was arbeitet Hank eigentlich? Wie lange waren Abby und er eigentlich zusammen? Aber er beantwortet die spät. Während die erste Hälfte Suspense liefert und uns wankeln lässt, ob das Monster wirklich existiert oder eine Manifestation von Hanks Liebeskummer ist, gibt es einen harten und sehr mono- und dialoglastigen Bruch, in dem After Midnight die Frage mit Horror- oder Liebesfilm beantwortet mit: Ja! Aber auf Kosten der Spannung. Obwohl alle Punkte valide sind, ödet die letzte Hälfte an, kurz bevor sie mit einem Paukenschlag endet. After Midnight wirkt mehr wie ein Experiment um mit Horrorfilm-Mustern zu brechen. Man hat die Freundin eine Weile nicht gesehen, sie muss das Monster sein! Oder auch, dass Liebesfilm und Horror nicht zusammen gehen. Aaron Moorhead und Justin Benson (hier auch in einer Nebenrolle) sind nicht zuletzt wegen Spring Spezialisten darin und haben After Midnight produziert. Aber es reicht nicht mit Mustern zu brechen und das in (allerdings wirklich gute und stimmungsvolle) Bilder zu pressen. Es wird einfach keine fundierte Parallele zwischen Liebe und dem Monster gezogen, sodass es zumindest mich schulterzuckend zurücklässt.
After Midnight – Die Liebe ist ein Monster (OT: After Midnight), USA, 2019, Jeremy Gardner/Christian Stella, 83 min, (5/10)
Fresh
Regisseurin Mimi Cave muss man sich merken. Fresh unter der Schirmherrschaft von Hulu bzw. Disney und produziert von Adam McKay ist zwischen einiger Musikvideos und Shorts ihr erster Spielfilm, wenn ich das richtig interpretiere. Lauryn Kahn merke ich mir gleich mit, von ihr stammt das Drehbuch. Und das hat eine Menge Features, die den Film bemerkenswert machen. Fresh beginnt mit Noa (Daisy Edgar-Jones), die daten reichlich satt hat. Fremde Menschen, die kaum echtes Interesse haben einen kennenzulernen. Inflationäres abschätzen, rechts flippen, links flippen, nein danke. Ausgerechnet im Supermarkt spricht sie dann Steve (Sebastian Stan) an. Der Humor, die weggelächelte Seltsamkeit, es knistert, irgendwie passt es. Als Steve sie zu einem gemeinsamen Wochenende einlädt ist sie immerhin noch ansatzweise vorsichtig und erzählt ihrer besten Freundin Mollie (Jonica T. Gibbs) wo die Reise hingeht. Vielleicht auch besser so, denn dann landen die K.O.-Tropfen in ihrem Drink. Und Noa wird das Haus nicht so schnell verlassen, denn Steve hat noch was mit ihr vor.
Freshs vorrangiges Thema ist wie das digitale daten jegliche Romantik aus dem Spiel nimmt. Der Film schafft mit Kannibalismus die ultimative Metapher auf das Feilbieten von „Fleisch“. Ja richtig gelesen Kannibalismus. Noa hat sich in eine sagen wir mal schwierige Situation manövriert und Steve ist nicht unbedingt das, was er vorgibt zu sein. Aber keine Angst: ich verrate nur das was ihr wissen müsst, um abschätzen zu können, wie stark euer Magen und wie trocken euer Humor sein muss. Denn das ist nur ein Teil der Fußnote dessen, was Steve mit Noa vor hat.
Fresh ist aber soviel mehr. Vordergründig ein Thriller, in dem Noa um ihr Leben kämpfen wird, vereinbart der Film auch eine gewisse Sinnlichkeit, die sich zwischen Noa und Steve transportiert, außerdem ein sehr angenehmer Humor. Die Tanzszenen sind die besten, die ich bisher dieses Jahr in einem Film gesehen habe. Ein bisschen schräg, nichts ist zu peinlich, stattdessen alles von stoischer Glaubwürdigkeit. Obwohl die Schlachtbank wartet – garniert mit etwas Stockholm-Syndrom? Oder auch nicht? Nebenbei nimmt Fresh noch alle möglichen Slasher-Muster aufs Korn. Von dem hilfreichen Helfer, der lieber abhaut als sich abmetzeln zu lassen. Dass in dem Film vorrangig Frauen vor und hinter der Kamera tätig sind, ist nur das Topping auf einer herrlichen Arrangement. Und man mag es kaum glauben: Fresh ist zumindest am Anfang ein ziemlich schönes Date-Movie. Warum dann keine 10 von 10? Weil das größte von allen Tropes trotzdem bedient wird. Niemand geht zur Polizei. Und auch gegen Ende gibt es einige Rechtfertigungen und Genre-Plattitüden, für die der Film anfangs eigentlich viel zu fresh wirkte. Sorry, der musste sein.
Fresh, USA, 2022, Mimi Cave, 114 min, (8/10)
FRESH – Offizieller Trailer (deutsch/german) | Disney+, 20th Century Studios DE, Youtube
Zu den bisherigen Artikeln
Vermutlich habe ich mit „His House“ den gruseligsten Film meiner Horrorctober-Liste jetzt schon gesehen. So oder so bin ich mit meiner bisherigen Liste sehr zufrieden. Abgesehen von Film ging noch bisher nicht so wahnsinnig viel. Übrigens habe ich den wie auch „Fresh“ einer Empfehlung von Sebastian zu verdanken. Also – danke! 😀 Stand heute kann man „His House“ auf Netflix, „Fresh“ bei Disney+ und „After Midnight“ bei Amazon Prime gucken. Welche der Filme kennt ihr? Wie lief euer „Horrorctober“ bis jetzt?
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