Horrorctober 2022 – Woche 4 („Fright Night“, „Umma“ & „Mr. Harrigan’s Phone“)

Nachdem ich in der dritten Woche des Horrorctober nicht viel abhaken konnte, lief die vierte schon besser. Zumindest quantitativ. Qualitativ übertraf ein Film meine Erwartungen, ein anderer enttäuschte eher und einer war in etwas so wie ich erwartet hatte. Ihr dürft gern raten welche jeweils damit gemeint sind. 😉 Besprechungen sind spoilerfrei.

Die rabenschwarze Nacht – Fright Night

Gäbe es das Remake mit Colin Farrell nicht, hätte ich eventuell nichts von dem Original gehört. Ein kleiner Vorteil von Remake-Wellen? 😈 Und jetzt bin auch ich der Meinung dass es kein Remake braucht, denn Fright Night ist gut gealtert und macht ziemlich Spaß. Charly Brewster (William Ragsdale) traut seinen Augen kaum. Haben da gerade zwei Männer einen Sarg ins Nachbarhaus getragen? Dann geschehen mehrere Frauenmorde in der Stadt. Als Charly beim Spionieren seinen Nachbarn Jerry Dandrige (Chris Sarandon) in Vampir-Action sieht, scheint der Fall klar zu sein. Zu dumm nur, dass niemand Charlie glauben will. Allen voran nicht seine Freundin Amy (Amanda Bearse) oder sein Kumpel Evil Ed (Stephen Geoffreys). Er sucht sich Hilfe bei niemand geringerem als dem Schauspieler Peter Vincent (Roddy McDowall), der ja immerhin über Jahrzehnte hinweg in Film und Fernsehen einen Vampirjäger verkörperte. Der muss ihm doch glauben, oder?


Fright Night (1985) Trailer #1, Rotten Tomatoes Classic Trailers, Youtube

Regisseur Tom Holland ist nicht nur bewandert in der Adaption von Stephen-King-Stoffen, sondern hat mit Fright Night auch ein sehr launiges Drehbuch geschrieben. Das vereint Schauer, Humor und sogar Sinnlichkeit und lässt sich an einigen Stellen wie eine modernisierte Dracula-Variante lesen. Zwar gibt es einige vorhersehbare Muster, die Fright Night aber einfach zu verzeihen sind, weil mit Humor oder Dramatik gelöst. Allen voran wie sich Charlie dabei anstellt die Beziehung zu seiner Freundin und die Verschwörung im Nachbarhaus zu managen – beides kriegt er nicht unter einen Hut. Sehr erfrischend ist, dass William Ragsdales Charly Brewster all das tut, was sonst in überspitzt klischeehafte Frauenrollen geschrieben wird: er wird als relativ hilflos und irrational dargestellt und überreagiert. Das macht es aber auch sehr witzig, v.A. in den Interaktionen mit seiner Umwelt. Die hat anders als Charly Tomaten auf den Augen und ist komplett nicht zu haben für die Idee, dass ein Vampir unter ihnen weilen könnte. Chris Sarandon spielt den Vampir-Nachbarn sowieso schon enigmatisch und charismatisch. Dass er sich dann der gängigen Vampir-Vorurteile und Hausmittelchen bewusst ist, setzt dem ganzen gegenüber Charlys nervöser Hilflosigkeit die Krone auf. Generell sind die Effekte überraschend gut gealtert und zu großen Teilen handgemacht. Natürlich funktionieren aber die stimmungserzeugenden Metaphern und Bilder ganz ohne Spektakel am besten. Der Nebel, der aus dem Haus und durch die Gassen kriecht oder das Blut, das aus dem gebissen Hals über den Rücken läuft.

Die rabenschwarze Nacht – Fright Night (OT: Fright Night), USA, 1985, Tom Holland, 103 min, (8/10)

Sternchen-8

Umma

Wenn Sandra Oh ruft, bin ich da. Seit Grey’s Anatomy und dort auch nur solange sie dabei war. ^^ Deswegen war es eine klare Sache, dass ich Umma schaue. Noch dazu machte der Trailer das zarte Versprechen, dass koreanischer Glaube und Mythologie darin eine Rolle spielen. Leider hat der Trailer nicht nur viel versprochen, sondern auch einige der interessanteren Szenen und Inhalte vorweg genommen. Viel mehr an Substanz kommt leider nicht mehr, was zum Problem wird. Der Film zeigt uns wie das abgeschiedene und friedliche Leben Amandas (Sandra Oh) und ihrer Tochter Chrissy (Fivel Stewart) ins Wanken gerät. Zum Einen erwägt Chrissy auszuziehen und ein College zu besuchen, zum Anderen bekommt Amanda die Nachricht, dass ihre Mutter verstorben sei. Die physische und emotionale Misshandlung durch ihre Mutter ist ein anhaltendes Trauma und einer der Gründe für ihr abgeschiedenes Leben. Doch darin liegt auch die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Kaum, dass die Asche von Amandas Mutter in dem Haus ist, kumuliert der Teufelskreis aus emotionaler Abhängigkeit und Trauma zu einer anderen Beinahe-Katastrophe.

Eigentlich hätte es ein sehr smartes Motiv sein können, was sich Regisseurin Iris K. Shim mit ihrem Drehbuch überlegt hat. Mutterschaft scheint ein Paradox zu sein, oder viel mehr ein Teufelskreis. Im Bestreben eine gute, bessere Mutter als ihre eigene zu sein, findet sich Amanda in derselben Verbissenheit wieder, die sie eigentlich vermeiden wollte. Das gelingt dem Film noch hervorzuheben, auch wenn er dafür vielleicht nicht die pointiertesten Szenen findet. Ein weiterer eigentlich starker Einfluss ist die Einwanderungsgeschichte und das damit einhergehende Trauma vom Verlust der Identität. Leider hält sich Umma (kor. für „Mama“) an anderen Themen auf wie Amandas Angst vor Elektrizität (resultierend aus der Misshandlung, die sie durchlebt hat) und ihrem Nebenjob als Imkerin. Die Angst schürt die Isolation, ok. Aber das haben wir auch nach 5 Minuten verstanden. Das Motiv der Imkerei birgt Potential rund um Bienenkönigin und übermächtige Frauenrollen.

Wie auch in Bezug auf Mutterschaft und Einwanderung werden aber all die Motive nur sehr ungenügend verbunden und wirken daher insignifikant und wie Zeitverschwendung. Es gibt bei all dem nie eine Pointe, wird von Jump Scares zerrissen und es gelingt keine Nähe zu den Personen zu empfinden oder ihre Entwicklung nachvollziehen zu können. Amanda wird von einer Sekunde zur anderen ihre eigene Mutter. Chrissy will weg von Zuhause oder eigentlich auch nicht so richtig!? Alles ist inkonsequent. Die Figuren wie auch der Grusel. Auch das Einstreuen des Kumiho, der Sagengestalt des neunschwänzigen Fuchses, scheint keine Relevanz für den Rest des Films und darin gezeigten Spuk zu haben. Abgesehen davon, dass Kumiho wohl häufig als weibliche Geister interpretiert werden und ziemlich cool aussehen. So mäandert Umma zwischen vielen guten, aber kaum ausgebauten Motiven und verschießt jede Menge Potential in der eigentlich wichtigen  Geschichte über das Loslassen und kulturelle Identität.

Umma (OT: 엄마), USA, 2022, Iris K. Shim, 83 min, (4/10)

Sternchen-4


Umma – Official Trailer (HD) | Now Playing in Theaters, Sony Pictures Entertainment, Youtube

Mr. Harrigan’s Phone

Seit Jahren schon liest der Junge Craig (Jaeden Martell) drei mal die Woche dem betagten und zurück gezogen lebenden Millionär John Harrigan (Donald Sutherland) vor. Über die Jahre wird ihr 2-Personen-Buchclub nicht nur Craigs Verständnis für das Gelesene und das Leben schärfen (und sein Taschengeld aufbessern), sondern Harrigan auch eine Art Mentor und Freund für ihn. Obwohl die Meinungen über seine Person auseinander gehen. Tritt er vor Craig als Mentor auf, sagt die Presse er wäre ein ruchloser Wirtschaftsmagnat. Als Harrigan eines Tages stirbt, legt ihm Craig dessen Handy in den Sarg. Der Draht zur Unterwelt war eher zur emotionalen Verarbeitung gemeint und um zu vertuschen, dass er aus Versehen das Handy des alten Mannes an sich genommen hatte. Als Craig aber eben dieses Handy anruft, ruft Harrigan zurück. Tage nach der Beisetzung. Und dann beginnen Menschen zu sterben.

Die Prämisse ist leider auch das interessanteste an dem Film. Bis zur Umsetzung des „Drahts aus dem Jenseits“ dauert es aber. Dass sich der Film bis dahin sehr langsam entwickelt, ist hierbei nicht unbedingt schlecht. Schwierig ist nur, dass er die Beziehung zwischen Harrigan und Craig nicht besonders empathisch entwickelt. Der Punkt funktioniert besser oder schlechter je nachdem wieviel Rührseligkeit Zuschauende brauchen, um Freundschaft zu definieren. Auch unklar ist, ob sich Craig Harrigan wirklich zum Vorbild nehmen sollte. Summa summarum funktioniert trotz Donald Sutherland die Figur Harrigan für mich nur mäßig gut. Was der Film an Horror verspricht und der Trailer zeigt ist dann eigentlich auch schon alles, was man letzten Endes bekommt. Was wiederum gut gelingt: ein sensibler Coming-of-Age-Film über u.a. den Umgang mit Verlust. Und der Film ist v.A. das und weniger besonders schaurig.

Mr. Harrigan’s Phone, USA, 2022, John Lee Hancock, 106 min, (5/10)

Sternchen-5


Mr. Harrigan’s Phone | Official Trailer | Netflix, Netflix, Youtube

Und sonst so?

Dass ich die Bücher lese, die ich mir vorgenommen hatte, glaube ich inzwischen nicht mehr. 🙂 Leider. Dafür ist der Roman, den ich Ende September/Anfang Oktober angefangen habe zu aufwändig zu lesen. Stattdessen schaue ich nun aber endlich Mike Flanagans Midnight Club zu schauen. Bisher hält sich da für mein Empfinden der Grusel noch sehr in Grenzen. Ich mag aber die Atmosphäre auch so. Vom Flair her ist es die Gothic- und Schauer-Variante von Club der roten Bänder. Tolle Jugendserie bisher. Nur der deutsche Titel Gänsehaut um Mitternacht ist direkt drei Grad weniger cool.

Zu den bisherigen Artikeln des Horrorctobers 2022
Ankündigung
Woche 1-2 „His House“, „After Midnight“, „Fresh“
Woche 3 „Hausu“, „Something Wicked This Way Comes“, „The Innkeepers“

Wo es gerade um „Mr. Harrigan’s Phone“ ging … wo ist der Millionär, der mich bezahlt, um aus Büchern vorzulesen? Ach nee, ist schon gut. Bevor ich mich jetzt in unerwünschte faustische Pakte stürze, muss gestehen, dass ich das weder als Traumjob für mich, noch für Kinder halte. Vielleicht hätte Craig Harrigan auch eine Hörbuch-App installieren sollen? 😉 Aber lassen wir das. Und der Zwischenstand im Horrorctober? 9 habe ich gesehen, 4 Filme sind noch offen. Nicht so hilfreich für den Austausch ist, dass ich versuche meine Zeit am Smartphone zu reduzieren. D.h. auf Twitter und gängigen Plattformen habe ich wenig an den Diskussionen unter dem Hashtag teilgenommen. Da ich mir eh wünsche, dass der Austausch im Blog stattfindet, bin ich darüber noch nicht böse. Wie läuft euer Horrorctober? Was ist das gruseligste, dass ihr bisher gesehen habt?

3 Antworten

  1. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Fright Night sieht nach witzigem Trash aus, danke für die Empfehlung. Nimmt der Film ein gutes Ende?

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Trash würde ich nicht sagen. Trash versucht ja gar nicht ernst genommen zu werden. 🙂
      Das Ende verrate ich natürlich nicht,

  2. […] „Something Wicked This Way Comes“, „The Innkeepers“Woche 4 „Fright Night“, „Umma“ & „Mr. Harrigan’s Phone“Woche 5 „Hatching“, „Katzenmenschen“, „The Call“ & […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert