Nachdem es in der letztjährigen Ausgabe ja schon eher kuschelig war, gehen wir doch mal wieder zu etwas rauerem über. Weihnachtlich wird es sicherlich trotzdem. 😉 Auf die eine oder andere Art. Unter „heavy christmas“ verstehe ich Actionfilme, Thriller, vielleicht sogar Horror, der an Weihnachten spielt. Das Weihnachtsfest wird kein einfaches sein in den nachfolgenden sieben Filmen.
Rare Exports – Eine Weihnachtsgeschichte
Rare Exports ist ein Tipp, den ich hier im Blog von Leser:innen erhalten habe – vielen Dank dafür! Der Film ist wirklich ein exzellentes Gegenstück zu dem was Weihnachtsfilme sonst zu bieten haben. Er spielt in Lappland und widmet sich dem kleinen Pietari (Onni Tommila), der dort allein mit seinem Vater lebt. Er bekommt zusammen mit einem Freund mit, dass auf dem nahe gelegenen Berg eine Ausgrabung stattfindet. Als kurze Zeit später alle Rentiere abgeschlachtet aufgefunden werden, weiß Pietari was los ist. Er hat nämlich seine Hausaufgaben gemacht und weiß, dass der Weihnachtsmann nicht die liebe Figur aus der „Coca Cola“-Werbung ist. Aber auf Pietari hört ja keiner … . So müssen die Erwachsenen erstmal schlucken als ihnen der Übeltäter in die Falle geht.
Rare Exports vereint Horror, Thriller, Satire und Komödie. Die Idee von „guten“ und „bösen Kindern“ werden auch noch auf die Erwachsenen angewendet und sorgen dafür, dass „Santa“ seine Maßnahmen auch bei ihnen anwendet. Besonders schön ist wie am Ende doch mal alle auf Pietari hören und er gemäß „Kinder an die Macht“ den Ton angibt, was nun zutun ist, damit Weihnachten nicht als Blutbad endet. Bis wir dahin kommen, dauert es nur leider sehr lange und man nimmt sich etwas zu viel Zeit Pietari als den Kleinen zu charakterisieren, auf den niemand hört. Etwas auffällig ist die absolute Abwesenheit von Frauen in dem Film, was bei mir große Fragezeichen auslöst. In manchen Szenen muss man sich fragen, ob hier interpretieren und Metaphern auf Pädophilie finden gewollt ist oder eher Zufall? Aber manchmal muss oder sollte man vielleicht nicht so viel interpretieren. Und auch über so manchen Quatsch gegen Ende hinwegsehen (wie lang kann sich Pietari an einem Hubschrauber festhalten?) Keine Sorge übrigens: ein bisschen Happy End gibt es auch und insgesamt macht Rare Exports Spaß. Vor Allem, wenn man die über-kuscheligen Weihnachtsfilme gerade satt hat.
Rare Exports – Eine Weihnachtsgeschichte (OT: Rare Exports), Finnland/Norwegen/Schweden/Frankreich, 2010, Jalmari Helander, 84 min, (7/10)
Better Watch Out
Die Zeile aus Santa Claus is Coming to Town passt ziemlich gut als Titel. Olivia DeJonge spielt darin Ashley, die jahrelange Babysitterin von Luke (Levi Miller) war. Bevor sie wegzieht, passt sie noch ein Mal auf ihn auf. Der hat mit seinen zwölfdreiviertel Jahren aber ganz andere Absichten und will sie in der Nacht rumkriegen. (Ernsthaft? Ernsthaft.) Zu dumm nur, dass ihm die Tour durch Einbrecher vermasselt wird, gegen die die beiden versuchen sich zur wehr zu setzen. Wer jetzt hier eine weitere schlechte romantische Komödie erwartet, könnte recht haben. Aber dann ist da dieser Twist, an dem der Film plötzlich richtig fies wird und zu einem Psychothriller. Better Watch Out vermeidet nicht alle Fehler von Slashern oder Home Invasion Filmen, aber er setzt deren Mustern zumindest einige coole Ideen entgegen. Für Auflockerung sorgt eine Prise Humor und die sehr toughe Olivia DeJonge.
Better Watch Out, Australien/USA, 2016, Chris Peckover, 89 min, (7/10)
Anna und die Apokalypse
Anna (Ella Hunt) kann es gar nicht erwarten nach der Schule zu Work & Travel aufzubrechen und erstmal was von der Welt zu sehen, bevor es mit dem Ernst des Lebens weitergeht. Die schottische Kleinstadt, in der sie und ihr Vater leben ist ihr einfach zu klein geworden. Ihr Vater (Mark Benton) macht seinen Unmut darüber lautstark deutlich. Auch ihr bester Freund John (Malcolm Cumming) ist am Boden zerstört, dass sie gehen will, behält das aber zumindest für sich. All die Gefühle scheinen sich am Abend des Weihnachtskonzerts der Schule zu überschlagen, käme da nicht die Zombie-Apokalypse dazwischen. Oh richtig: und es ist ein Musical. Also zwischendurch wird gesungen.
Natürlich wird da allen Gefühlen freien Lauf gelassen – zumindest während der Songs. Die passen grundsätzlich gut zur Situation der einzelnen Personen und nehmen die ernst, während der Gore und das sich durch Zombie-Horden hindurchschnetzeln sowie manche Gags ganz klar in die Richtung Satire oder Horrorkomödie gehen. Der wilde Mix kann einen nur irgendwann verlieren, denn am Ende nimmt sich der Film dann eben leider doch etwas zu ernst. Bis dahin ist es aber ein Spaß mit richtig guten Songs und Tanzeinlagen.
Anna und die Apokalypse (OT: Anna and the Apocalypse), UK, 2017, John McPhail, 91 min, (7/10)
The Advent Calendar
Eva (Eugénie Derouand) ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihre beste Freundin Sophie (Honorine Magnier) bringt ihr eines Tages ein Fundstück mit – einen antiken Adventskalender aus Deutschland (woher sonst…). Das Ding scheint gefüllt und funktionsfähig zu sein. Hat einige Mechaniken und Regeln. „Schmeißt du mich weg, töte ich dich“ klingt erstmal nicht so freundlich. Aber Eva lässt sich auf das morbide Fundstück ein. Mit jedem Türchen, das sie öffnet, bekommt sie etwas, muss aber auch bald etwas opfern.
Für Eva ist da die Hoffnung, dass sie durch den Wünsche erfüllenden Kalender am Ende wieder laufen kann. Tatsächlich scheint der Kalender mit den Türchen nach und nach Wünsche zu erfüllen, aber eben auf die brutale Art. So wird beispielsweise ihr ableistischer und fieser Chef von ihrem Hund angefallen. Das ist nur ein Teil des Horros – der andere ist der Umgang mit Eva als behinderter Person. Beste Beispiele der Chef, leider auch ihre Freundin oder ein Typ, der total verblendet ist und sie dann auch noch missbraucht. Der Film spart also nicht an Trauma und ja, ist ein Weihnachts-Horrorfilm. Bis dahin ist The Advent Calendar sogar richtig gut. Nur irgendwann ab der Mitte werden einige Effekte dann doch sehr B-Movie-artig und übertrieben künstlich. Die ganze Sache mit dem „Ich“ (dem Kalender?) und der Horrorfigur dahinter werden nie so richtig aufgelöst und auch manche Schlussfolgerungen scheint Eva ohne Anhaltspunkte wie aus dem Nichts zu ziehen. Das und das relativ offene Ende trüben dann doch die Stimmung.
The Advent Calendar (OT: Le calendrier), Frankreich/Belgien, 2021, Patrick Ridremont, 104 min, (5/10)
Violent Night
In Violent Night mimt David Harbour einen desillusionierten (echten) Weihnachtsmann, der frustriert und genervt vom Weihnachtsfest und seiner Aufgabe darin ist. Die „lieben Kleinen“ sind nicht dankbar, alles ist sehr materiell geworden – wo ist da noch der Sinn? Als aber die kleine Trudy (Leah Brady) und ihre Familie an Heiligabend als Geiseln genommen werden, gibt es kein Halten mehr. Er erinnert sich an seine Ursprünge und schwingt den Hammer, um das Fest zu retten.
Der Anfang des Films macht es einem durchaus schwer. Darin kotzt der Weihnachtsmann einfach mal aus seinem fahrenden Schlitten auf eine Frau, deren Enkel er eben noch beschenkt hat. Auch Trudys Familie macht den Film (und das Fest) erstmal weniger besinnlich. Alles reiche, sehr zynische A****löcher. Also. Fast alle. Aber wenn dann Santa erstmal richtig loslegt, macht das eben schon irgendwie Spaß, wenn es auch sehr blutig und teilweise gore-ig wird. Die Kampfszenen und der Einsatz typischer Motive eines westlichen Weihnachtsfests sind schon echt kreativ. Auch Trudy versucht es auf die „Home alone“-Art. Und wenn dann noch Sprüche kommen wie „Ho-ho-holy shit“, dann ja, dann ist das schon ein Film, der reizt, der aber auch Spaß macht.
Violent Night, USA, 2022, Tommy Wirkola, 112 min, (7/10)
Silent Night – Stumme Rache
Man kann die Handlung von Silent Night – Stumme Rache auf denkbar einfache Weise zusammenfassen: stummer Mann sucht an Weihnachten blutige Rache an Gangstern für den Tod seines Sohnes. Dann aber wiederum, weiß man noch längst nicht, was man am Ende bekommt. Erwähnt man, dass der Film von John Woo ist, dann schon eher. Denn wenn etwas an dem Film funktioniert und gut aussieht und spannend ist, dann sind es die Actionszenen. Erwähnenswert ist auch, dass der Film zu Großteilen ohne Worte auskommt und dass Joel Kinnaman den Protagonisten Brian Godlock spielt. Wenn wir bis jetzt nicht wussten, dass Kinnaman ein klasse Actiondarsteller ist, dann wissen wir das spätestens jetzt. Die Eröffnungssequenz ist außerdem abstrus und großartig. Kinnaman rennt darin in Zeitlupe und mit jeder Sekunde wird das Bild gegensätzlicher und dissonanter: einen Rudolf-the-red-nosed-reindeer Pulli hat er an. Und Blut an den Händen. Wir wissen: der hat was vor. Kurze Zeit später wird er mit einer Eisenstange ein Auto zum Halten bringen.
Das war es dann aber auch schon mit den guten oder interessanten Aspekten des Films. Man kann über vieles hinwegsehen, wenn man einfach mal einen gewaltigen Rachethriller sehen will. Aber wer nicht darüber hinwegsehen kann, erlebt jede Menge Versatzstücke aus anderen Filmen und v.A. Stereotype und Plattitüden. Der trinkende, trauernde Vater; die hilflose (und relativ schnell rausgeschriebene) Mutter (Catalina Sandino Moreno), der Polizist (Kid Cudi), der in den Augen des Vaters seinen Job nicht macht. Die Gangster haben alle bestimmte Hautfarben und Gehabe. Ach, es macht schon etwas müde das alles so stereotyp vorgeführt zu bekommen. Man riecht schon am Anfang, dass der Vater hier nochmal am Ende des Films schablonenhafte Erinnerungen an seinen Sohn haben wird. Worauf ich aber nicht gefasst war ist wie wenig der Film adressiert, dass sein Racheakt eine Menge unschuldiger Leben fordert. Wer macht noch solche Filme?
Silent Night – Stumme Rache (OT: Silent Night), USA, 2023, John Woo, 104 min, (4/10)
It’s a Wonderful Knife
Bei It’s a Wonderful Knife handelt es sich wie der Titel vermuten lässt um eine Slasher-Variante des Weihnachtsklassikers Ist das Leben nicht schön? (aka It’s a Wonderful Life). Darin wütet ausgerechnet an Weihnachten ein Serienkiller in einem kleinen amerikanischen Städtchen. Zwar gelingt es Winnie (Jane Widdop) den Mörder zur Strecke zu bringen und zu enttarnen, aber Weihnachten ist seitdem in ihrer Heimat nicht mehr dasselbe. Sie empfindet Schuld und wünscht sich nicht geboren zu sein. Der Rest ist Geschichte. Oder auch nicht, falls ihr die Vorlage nicht kennt. 😉 Denn daraufhin wird Winnie mit einer Version der Ereignisse konfrontiert, in der sie demonstriert bekommt wie es in ihrer Heimat verlaufen wäre, wenn sie nie geboren und den Killer nie gestellt hätte. Der inzwischen als „Angel“ bezeichnete Mörder hat nämlich fröhlich weitergemacht.
It’s a Wonderful Knife macht eine Menge gut und eine Menge fragwürdig. Sehr cool ist, dass der Film auf typische Slasher-Plattitüden verzichtet. Hier stolpert niemand aus Versehen, sondern alle sind sehr wehrhaft. Auch verirrt sich der Film nicht zu Torture Porn, sondern bleibt bei eher „normal-blutigen“ slashertypischen Gewaltdarstellungen. Im Cast befinden sich einige Überraschungen, die man aus anderen Serien kennt wie Katharine Isabelle als Winnies Tante, Communitys Joel McHale oder William Bruce Davis als nicht kettenrauchenden Bekannten der Familie. Der Film legt wert auf Diversität (was sehr cool ist), lässt das aber etwas sehr offensichtlich fallen (was so-so ist). Spaß macht auch wie satirisch der Film ist oder viel mehr sein könnte. Denn er fährt die Schiene so sparsam, dass man kaum weiß, ob man das jetzt erst nehmen oder als Gag verstehen soll. Schade ist vor Allem aber, dass große Plotpoints (Winnies Wunsch sie wäre nie geboren, die Wahl der Mordopfer des Angel-Killers) nicht so richtig einleuchten. Alle sind ätzend zu Winnie, obwohl sie ihre Leben gerettet hat, also wünscht sie sich, dass sie nie geboren wäre? Auch wird eine (weitere) Nebenhandlung um Suizid so dezent angedeutet, dass man es sehr leicht verpassen kann. Unbedingt zu erwähnen: Justin Long (erst auf den zweiten Blick erkannt) in einer Nebenrolle und Jess McLeod als irdische Clarence-Variante.
It’s a Wonderful Knife, USA, 2023, Tyler MacIntyre, 87 min, (5/10)
Es ist eigentlich gar nicht so, dass ich keine Lust auf kitschige Weihnachtsfilme habe – aber mal einen der Sorte dazwischen zu haben, macht schon Laune. Wo seht ihr euch gerade auf dem Weihnachtsspektrum? 😉 Und welcher Film würde eurer Meinung nach noch gut unter das Label „Heavy Christmas“ fallen? Dieser Post ist Teil des Booleantskalenders 2024. Unter dem Link findet ihr alle Türchen, d.h. alle Beiträge aus der Vorweihnachtszeit. 🎄
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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