Obwohl mir nicht gefällt in welche Richtung sich Tim Burtons Filmografie entwickelt, war ich doch ziemlich angetan als bekannt wurde, dass er bei der Verfilmung des Young-Adult Hits ‚Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children‘ Regie führen würde. Schließlich ist der Ton und die Atmosphäre des Buchs düster und erzählt die Geschichte eines Jungen, der sich für ziemlich gewöhnlich hält, dem etwas schlimmes passiert und der in der Geschichte seines Großvaters wühlt, ein Rätsel löst und etwas außergewöhnliches erlebt. Klingt irgendwie nach Tim Burton. Spoilerfrei.
Film-Kritik
Jacob (Asa Butterfield) traut seinen Augen nicht: neben der Leiche seines Großvaters Abraham (Terence Stamp) sieht er ein riesengroßes Monster mit Tentakeln. Und niemand sonst scheint es zu sehen. Während er sich mit Trauer und Besuchen beim Psychiater rumschlägt, kommt ihm ein Verdacht. Waren die Geschichten seines Opas doch nicht erfunden? Er hat ihm immer erzählt, dass Monster hinter ihm her waren und er auf einer Insel voll besonderer Kinder gelebt hätte. Die Fotos hat Jacob für Fälschungen und Taschenspielertricks gehalten. Was, wenn doch alles wahr ist? Er bricht zu der Insel auf unter dem Vorwand dass es gut für seine Therapie sei. Mit seinem Vater (Chris O’Dowd) im Schlepptau macht er sich auf die Suche nach Miss Peregrine (Eva Green) und ihrer Schule für besondere Kinder – und wird fündig. Aber das ist nur der Anfang der Geschichte.
Mit Jane Goldman (Der Sternwanderer, X-Men: Erste Entscheidung) hat die Produktion eine der laut Wikipedia.de „erfolgreichsten britischen Drehbuchautorinnen“ gewonnen. Und tatsächlich – sie hat aus der Trilogie mit Ablegern tatsächlich einen Film zusammengeschrumpft, der einigermaßen Sinn macht. Zumindest hat er genauso viele Logiklücken wie das Buch. Aber dieser Umstand erspart dem überstrapazierten Zuschauer und Leser einen weiteren Young-Adult-Mehrteiler in einer Welt voll zuvieler überflüssiger Filmreihen und Fortsetzungen. Ich sage es mal so: ich habe nur das erste Buch gelesen und die anderen beiden als Zusammenfassung im Web gelesen. Und ich war nicht böse, die Fortsetzungen nicht gelesen zu haben. Es hat mir einfach nicht gefehlt. Zwar ist der Film nicht frei von Problemen, aber er wirkt stringenter als das Ende des ersten Buches und befriedigt, weil er Lösungen anbietet. Der Showdown gegen Ende ist witzig und hat mit dem Vergnügungspark eine launige Kulisse, die den Kitsch des Anfangs- bis Mittelteils fast relativiert. Wie aber Fans die vielen Änderungen empfinden? Um meinem Vergleich am Ende des Artikel vorzugreifen, sage ich nur: es sind viele. Der gesamte Ton des Buchs ist bunter, kitschiger, bonbon-farben und angepasst. Ein Adjektiv, dass ich im Zusammenhang mit Tim Burton nicht gern lese. Mit Filmen wie Alice im Wunderland ist der sensationelle Regiesseur von spleeniger, liebenswerter, abwegiger Düsternis in den Mainstream abgerutscht und macht das ein weiteres Mal mehr als deutlich. Zumindest hat der Umstand aber ein Plus: der Film ist Stoff für Kinder und junge Teenager. Auch Erwachsene langweiligen sich nicht.
Selbst wenn man den Kitsch nicht mag und die Düsterheit der Literaturvorlage vermisst, so muss man sagen, dass das Spiel aller Beteiligten passt. Die morbiden sind morbide, Eva Green ist wahrscheinlich von allen der spleenigste Charakter und macht richtig Laune (so wie immer). Asa Butterfield könnte noch etwas orientierungs- und hoffnungsloser durch die Welt gehen. Chris O’Dowd, der seinen Vater spielt, hätte mehr screen time verdient, genauso wie der rührende Terence Stamp. Er spielt den angeödeten Erwachsenen so überzeugend und mit einem subtilen Humor, dass es einem richtig leid tut, dass die Rolle von Jacobs Vater so eingedampft und verkürzt wurde. Aber alles in allem sind auch hier wieder die Kinder und Miss Peregrine wie auch schon im Buch das interessante, das spannende, das was einen durch den Film trägt. Selbst wenn wenn man sich auf die Physik nicht mehr verlassen kann. Ich sage nur: Das Schiff, Physik und Filmfehler. Man sollte nicht zuviel hinterfragen. Aber hey … es ist kein Film, der sich für das anspruchvollste Drama bewirbt. Er soll unterhalten. Schade nur, dass die Außenseitergeschichte des Buchs in den Hintergrund gerät. Das Marketing des Films, beispielsweise das Feiern des Loop Days, ist hingegen ziemlich ausgeklügelt. Tim Burton und alle Beteiligten haben aus dem Konzept des Buchs viel herausgeholt und an vielen Stellen zu Recht gekürzt, an anderen fragwürdige Änderungen vorgenommen. Was bleibt ist aber ein Film, den man gerne guckt und der trotzdem Laune macht. Und das ist was wert.
Die Insel der besonderen Kinder (OT: Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children), US/UK/Belgien, 2016, Tim Burton, 127 min, (6/10)
Vergleich zwischen Buch und Film
(Leichte) Spoiler sind zu erwarten.
Alles ist so hübsch. So. Hübsch.
Man könnte meinen, dass Ransom Riggs, der Autor der Literaturvorlage, ein Fan von alten Tim Burton Filmen ist. Das Buch ist voller spleeniger, leicht unheimlicher Fotos der begabten Kinder. Die Aufmachung ist edel und düster. Jacob und alle Akteure haben einen Hang zum morbiden oder fühlen sich wie Außenseiter. Miss Peregrine ist auf den Fotos zu sehen und sieht streng und bieder aus. Aber dann ist da der Film. Die Farben wirken wie durch den Sättigungsfilter gejagt, die Gärten blühen extrem und das Grün ist so grün, dass mir die Augen weh tun. Miss Peregrine ist zwar mit der großartigen Eva Green besetzt, die auch durchaus Mut zur Hässlichkeit bewiesen hat (Penny Dreadful), aber sie ist extrem aufgestylt, hat eine blaue Mähne, zu einer kunstvollen Tolle drapiert und ist stylish geschminkt. Miss Peregrine im Buch hatte einen strengen Dutt, wenn ich mich recht erinnere und sah eher unauffällig aus. Und das gibt ganz gut wider wie sehr sich der Stil des Films von dem des Buchs unterscheidet. Der Film ist aufdringlich bunt. Das Buch war geheimnisvoll und düsterer. Die Optik ist offensichtlich, die Atmosphäre leidet aber auf ähnliche Art und Weise. Der Film ist mehr wie eine Komödie, ein Jugend-Abenteuerfilm. Das Buch war hier und da Mystery.
Emma? Olive? Olive? Emma?
Ihr Charakter und ihre Fähigkeiten wurden ausgetauscht. Eigentlich ist Olive diejenige, die Schweben kann und ein ruhiges Wesen hat. Emma ist insbesondere zu Beginn des Buchs ein Hitzkopf und kann Feuer manipulieren. Im Buch ist sie es, die mit Jacob anbändelt und auch eine starke Beziehung zu Abraham hatte. Die Beziehung von Abraham und Emma nur kurz ein Thema, während sich die Atmosphäre zwischen Jacob und Emma im Film dementsprechend ganz anders gestaltet. Während sie im Buch anfangs misstrauisch gegenüber Jacob ist, baut sich im Film alles viel seichter und niedlicher auf. Warum aber ihr Charakter und ihre Fähigkeiten ausgetauscht werden mussten, leuchtet mir nicht ein und daher empfinde ich persönlich es als eine unangenehme Änderung im Vergleich zum Buch.
Aus drei mach eins
Wie oben schon angesprochen wurde aus dem Dreiteiler (zu dem inzwischen ja noch mehr Ableger erschienen sind) ein in sich abgeschlossener Film gemacht, der sich auf die Handlung des ersten Buches konzentriert, aber ein anderes Ende erzählt. Für mich, die sich nicht für das zweite und dritte Buch erwärmen konnte, eine gelungene Verkürzung. Für Fans wahrscheinlich sehr frustrierend, da damit jede Chance geraubt wurde evtl lieb gewonnene Charaktere der Folgebücher zu sehen.
Vater-Sohn-Konflikte sind auch nicht mehr das, was sie ein Mal waren.
Eine weitere unangenehme Änderung zwischen Buch und Film ist, dass die Vater-Sohn-Beziehung im Film nicht vertieft wird. In der Literaturvorlage sieht das anders aus. Jacobs Vater macht ihm sehr deutlich klar wie deprimierend es für ihn war jahrelang zu denken, dass sein Vater (Abraham) seine Mutter betrogen hat und dass er nie für die Familie da war. Das rüttelt auch an Jacobs Bild seines Großvaters. Natürlich weiß Jacobs Vater zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Abraham quasi für das Allgemeinwohl unterwegs war anstatt bei seiner Familie zu sein. Während der Reise nähern sich Jacob und seiner Vater an und Jacob kann sich nur schwer entscheiden, ob er seine Familie zurücklassen soll. Im Film gibt es kaum tiefergehende Momente zwischen ihm und seinem Vater. Schade!
Was sagt ihr dazu? Ein gelungener Film trotz vieler Änderungen? Was ist ‚besser‘ – wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt noch sagen kann? Buch oder Film? Und wie empfindet ihr Tim Burtons Wechsel zu knallbunt? Ich habe mich viele Jahre als Tim-Burton-Fangirl bezeichnet, aber dabei denke ich an Filme wie ‚Edward mit den Scherenhänden‘ und ‚Sweeney Todd‘. Weniger an die bunten Kitschfeuerwerke der letzten Jahre. Wo ist das Groteske? Wo das Düstere? Wo sind die spleenigen Antihelden? Ransom Riggs scheint damit klarzukommen … . Allerdings bin ich dankbar, dass den Mehrteilern mal ein Riegel vorgeschoben wurde. Und dann gab es auch zwei Szenen zwischen Abraham und Jacob für die ich im Film ganz denkbar war und die ich sehr rührend fand.
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