Man merkt, dass das Sommerloch vorbei ist. Es laufen quasi wöchentlich 1-2 Filme an, die ich zu gern sehen würde. Soviel Freizeit ist fast gar nicht da … deswegen will gut überlegt sein, was man sich anschaut. Neulich stand die Verfilmung des Bestsellers „Girl on the train“ an sowie Denis Villeneuves neuster Streich. Reviews sind spoilerfrei.
Girl on the Train
Wenn Rachel (Emily Blunt) mit dem Zug in die Stadt fährt, ist es als würde sie in die Vergangenheit schauen. Dort sieht sie in einem netten Vorort das Haus in dem sie früher mit ihrem Ex-Mann gelebt hat. Doch der Ort ist wie befleckt: er lebt mit seiner neuen Frau dort. Es ist mehr das Nachbarhaus, das während der Zugfahrten ihre Aufmerksamkeit bekommt. Dort wohnt ein Vorzeigepaar. Sie wirken so glücklich, sie beneidete die fremde Frau, von der sie noch nicht weiß, dass sie Megan (Haley Bennett) heißt. Während Rachel ihren Kummer aber im Alkohol ertränkt, überschlagen sich die Ereignisse. Eines Tages sieht sie Megan mit einem anderen Mann auf dem Balkon des Hauses und die Erkenntnis, dass die Beziehung doch nicht so perfekt ist, trifft sie hart und regelrecht persönlich. Als dann in den Nachrichten bekannt wird, dass Megan spurlos verschwunden ist, beginnt Rachel sich in das Leben von Megan und ihrem Mann Scott (Luke Evans) einzumischen.
Und das ist noch nicht genug. Der Film spielt alle Möglichkeiten aus, was Megan zugestoßen sein könnte. Und Rachel ist dabei durchaus selbst eine mögliche Täterin. Nicht zuletzt, weil sie durch ihre Alkoholkrankheit eine unzuverlässige Erzählerin ist. Der Zuschauer kann sich quasi seine liebsten Theorien aussuchen, der Film bietet einige an. Dabei wird die Geschichte aus Sicht dreier Frauen erzählt, deren Schicksal maßgeblich voneinander abhängt. Zum einen Rachel, dann Megan und zuletzt Anna (Rebecca Ferguson), die Frau mit der Rachels Mann Tom (Justin Theroux) sie betrogen hat und nun mit ihr verheiratet ist und das perfekte Familienleben vorgaukelt. Hier wird die ganze Palette an Drama ausgeschöpft. Die Frauenbilder sind ein bisschen traurig, sind sie doch alle abhängig von ihren Männern, gehen scheinbar teilweise keines Jobs nach und die emotionalen Paletten reichen von Kaltblütigkeit, Überheblichkeit bis Verzweiflung und viel mehr nicht. Immerhin ist unter ihnen eine starke Frau – Megan. Die ist allerdings neurotisch und promiskuitiv. Bei ihr erfährt man zumindest warum, was sie zwar anfangs zum unsympathischsten, später zum tragischsten Charakter macht. Es ist schwierig einen Film mit so wenigen sympathischen Menschen zu schauen. Was man dem aber wiederum Film zugute halten muss: bei all dem Drama ist er recht unverblümt und neutral. Er driftet nicht in eine Telenovela ab, sondern fühlt sich wie ein Krimi an.
Und die Thriller-Elemente werden passend dadurch untermalt, dass man erst nach und nach bemerkt wie instabil Rachel ist, was ihr widerfahren ist. Vor dem Zuschauer entfaltet sich das volle Drama und im Flashback das schleichende Ende einer Beziehung. Man versteht nach und nach wie dramatisch und zugrunde-richtend deprimierend es sich für sie anfühlen muss, dass ihre Mann mit seiner Affäre die Familie gegründet hat, die sie nicht haben konnten. Und ihr Dilemma mit den Zugfahrten und sehnsüchtigen Blicken in die Vergangenheit wird klar. Umso mehr wünscht man sich, dass es nicht Rachel war, die Megan umgebracht hat. Der Film ist kein Meisterwerk, weil er auf zuviel Sex und Betrug im Vorstädtchen fußt und das doch ein etwas einfaches Muster ist. Stellt sich einem doch die Frage wie das zugrunde liegende Buch von Paula Hawkins ist. Aber die verzweigte Whodunit-Machart macht es zu einem soliden, unterhaltsamen, spannenden Film.
Girl on the Train (OT: The Girl on the Train), USA, 2016, Tate Taylor, 112min, (8/10)
„Girl on the Train“ Trailer, via KinoCheck
Arrival
Auf zwölf verhältnismäßig zufällig ausgewählten Punkten auf der Erde landen hochhaus-hohe UFOs. „Muscheln“ nennt sie das Militär. Still schweben sie dort, lösen aber wahnsinnige Tumulte aus. Die Menschen plündern Supermärkte, andere malen „Welcome“ auf ihre Hausdächer. Die Welt ist in Alarmbereitschaft. Das Militär schart sich um die Orte und versucht mit den Besuchern zu kommunizieren. In welcher Absicht kommen sie her? Wer oder was sind sie? Von wo kommen sie? Kommunikation ist der Schlüssel zu allem. Dr. Louise Banks (Amy Adams) ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften und wird als Spezialistin zu Rate gezogen. Sie unterstützt Colonel Weber (Forest Whitaker), den Physiker Dr. Ian Donnelly (Jeremy Renner) und das Team und soll entschlüsseln wie man mit den Besuchern kommuniziert und die wichtigste aller Fragen klären.
Der Film hat mehrere Punkte, die ihn unendlich interessant machen. Zum Einen sind da die Aliens an sich, die die Neugier des Zuschauers entfachen. Nicht nur, dass man glühend darauf wartet sie zu sehen, man hat tausende Fragen. (Der Cloverfield-Effekt kann man sagen.) Zum Anderen ist da der globale und humanitäre Aspekt. Es ist traurig, aber wahr: man kann sich extrem gut vorstellen, dass genau das mit den Menschen passieren würde, was der Film zeigt. Panik, Plünderungen, Angst Halbwahrheiten … Agitation und Gewalt. Und dann das Zusammenspiel zwischen den Nationen. Während die einen noch versuchen es herauszukriegen, was hier vor sich geht, schreien die anderen schon Zeter und Mordio. Und dann ist da noch der dritte Punkt: die persönliche Verknüpfung zwischen den Aliens und Dr. Banks. Natürlich, sagt sich jetzt der cinephile Zuschauer „In jedem Film muss es ja jetzt eine Verbindung geben. Das einfach nur Aliens ankommen und man das untersucht ist wohl zu retro?“ Das nicht, aber hier wird deutlich, dass es bei Arrival nicht um die Aliens an sich geht, sondern es eine Metapher für den Umgang mit dem Fremden ist. Das Entschlüsseln der Sprache ist zudem spannend, aber nicht 100%ig nachverfolgbar, wohl aber nachvollziehbar und strengt das Köpfchen an. Allein die Suche nach Lösungsvorschlägen und wie man an die Aufgabe herangeht – spannend. Dann noch das humanitäre Schachspiel, das Zug um Zug schwieriger wird.
Für mich als Zuschauer war aber das Gesamtpaket und die nicht-erahnbare Auflösung faszinierend. Die Verknüpfung zwischen all den Komponenten mündet in ein stimmiges Ende, das im wahrsten Sinne des Wortes mindblowing ist. Wie hier eine bittere Ironie zuschlägt und den Zuschauer mit tausend Was-wäre-wenns zurücklässt demonstriert was Kino kann. Der Film hallt lange nach. Neben den diskutierenswerten Bildern und Fragen tut das Vor Allem auch Jóhann Jóhannsson Soundtrack (dafür sollte es eine Oscar-Nominierung geben). Das hat der Villeneuve ja perfekt zusammengefügt. Übrigens basiert der Film auch auf einem Buch, nämlich auf Story of Your Life von Ted Chiang. Und ich denke, dass ich von dem Menschen jetzt was lesen möchte.
Arrival, USA, 2016, Denis Villeneuve, 117 min, (9/10)
„Arrival“ Trailer, via KinoCheck
Denis Villeneuve ist auf dem besten Weg einer meiner neuen Lieblingsregiesseure zu werden. Vor Allem wegen der Themenvielfalt. Und er gibt jedem Thema, dass er anpackt einen völlig neuen Anstrich. Und das mit einer Ernsthaftigkeit, die ich bewundernswert finde. Nach Filmen wie Sicario und Prisoners ist Arrival erstaunlich weich, aber doch sehr konsequent, wissenschaftlich und sachlich. Ich bewundere außerdem, dass er dem modernen Kino solche modernen Frauenfiguren und Heldinnen gibt. Danke! Habt ihr die Filme schon gesehen? Was sind eure Gedanken dazu? Kennt ihr vielleicht sogar die Literaturvorlagen?
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