Serien-Reviews: „Mr Robot“ (Season 2), „Black Mirror“ (Season 3)

Offensichtlich versuche ich weiter den angehäuften Stapel geschauter Serien abzuarbeiten und hier zu besprechen. Ich habe mir wieder zwei rausgepickt, die eine Gemeinsamkeit haben. Bei den hier vorgestellten geht es um IT. Während Black Mirror dystopische, manchmal aber auch aktuell vorstellbare Szenarien schildert, widmet sich Mr Robot dem IT-Horror, der quasi heute schon losgetreten werden könnte. Reviews sind spoilerfrei, wer aber Mr Robot Season 1 noch nicht kennt, sollte nicht die Review zur zweiten Staffel lesen.

„Mr. Robot Season 2 Trailer (HD)“, via Television Promos (Youtube-Channel)

‚Mr Robot‘ Season 2

Die erste Staffel endete wie es in Fight Club angedacht war, nur ohne Explosionen. E Corp. wurde gehackt und das Finanzsystem und Monopol von „Evil Corp.“ massiv geschädigt. Die USA versinken im Chaos, Menschen können nicht auf ihre Geld zugreifen, andere werden ihre Schulden los. Den Zuschauer erwartet fsociety im Stand-By. So scheint es zumindest. Elliot (Rami Malek) lebt im „Exil“ bei seiner Mutter und versucht mit verschiedenen Mitteln den Einfluss von Mr Robot einzudämmen, ihn möglicherweise sogar loszuwerden. Egal ob mit Waffen, psychologischen Tricks oder Medikamenten. Es wirkt wie ein Kampf gegen Windmühlen. Er hält sich von PCs und allen Endgeräten, die mit dem Internet verbunden sind, fern. Derweil versuchen Darlene (Carly Chaikin), die jetzt der Kopf von fsociety ist, zusammen mit Mobley (Azhar Khan) und den anderen einerseits ihre Spuren zu verwischen, andererseits E Corp. weiter zu schädigen, die natürlich versuchen sich von dem Schaden zu erholen und sich wieder aufzubauen. Das Verschwinden von Tyrell (Martin Wallström), der als Haupttäter angenommen wird, sorgt für Rätsel und es gibt weitere Variablen, die die Situation von fsociety unberechenbar machen. Das FBI, insbesondere die Agentin Dominique DiPierro (Grace Gummer) investigieren, währenddessen arbeitet Angela (Portia Doubleday) für den Feind und steht vor der Frage, ob ihr Vorhaben E. Corp. von innen zu vernichten funktioniert.

Die zweite Staffel von Mr. Robot ist wesentlich stringenter und spannender als die erste. Während man in der ersten mit vielen Geschichten konfrontiert wurde, die am Ende nur noch wenig Bedeutung hatten (Elliots Drogengeschichte, die Affäre mit der Nachbarin, …), gibt es hier nur wenige Passagen, die nicht in das „größere Ganze“ passen. Lediglich die Geschichte von Joanna (Stephanie Corneliussen), Tyrells Frau, wirkt entrückt, nüchtern, dekadent – als ob sie nur noch als Spiegelbild für eine kranke Gesellschaft dient. Reich, gelangweilt, zu allem bereit. Handlungstechnisch scheint sie nur zu verdeutlichen, dass selbst sie nicht weiß wo Tyrell ist. Es sei denn natürlich dem Zuschauer wird erst später klar, ob Joanna eine größere Rolle spielt. Oder Angela. Unmöglich ist das nicht, denn die zweite Staffel beweist ein Mal mehr, dass Elliot ein unzuverlässiger Erzähler ist. Er wirft über den Haufen, was wir eine halbe Staffel lang zu glauben wussten, ohne dass es vorhersehbar gewesen wäre. Sein Innenleben bekommen wir in einer Folge sogar zu Gesicht, die vielleicht eine der besten Serienepisoden des Jahres ist. Undzwar als er mit Mr. Robot, Darlene und den anderen nur in seinem Kopf eine Folge einer 90er Jahre Sitcom durchlebt, in der sogar ALF auftaucht und alle in den Familienurlaub fahren. Da sich Elliot des Wahnsinns bewusst ist und über Mr Robot Bescheid weiß, stellen sich in der Serie viele Fragen und Kämpfe werden ausgefochten. Nicht selten sind sowohl Elliot als auch der Zuschauer – sein Verbündeter / sein unsichtbarer Freund / wir, uns nicht sicher, ob er gerade mit einer Person spricht, die vielleicht am Ende nur in seinem Kopf existiert. Alles ist unzuverlässig, alles schwebt. Und die Menschen um in herum wie Angela, Darlene und wir sind nahezu aufgeschmissen. Als sich die Geschichte zuspitzt, politischer und größer wird (Stichwort Whiterose), zieht sich die Schlinge um den Hals aller Beteiligten zusammen. Die FBI-Agentin, gespielt von Meryl Streeps Tochter Grace Gummer, ist zwar privat unendlich frustriert, aber ein harter Spürhund, der mehr weiß als man anfangs denkt. Und dann ist da noch die Dark Army, die ihrem Namen alle Ehre macht. Es sind raue Zeiten und die Serie entwickelt sich zu einem Kultklassiker unter den anspruchsvollen Serien. Man fühlt sich nicht mehr sicher. Das muss man erstmal schaffen als Serie. Nur die offenen Fragen und Cliffhanger sind echt hart.

(9/10)

Sternchen-9

„Black Mirror | Official Trailer – Season 3 [HD] | Netflix“, via Netflix US & Canada (Youtube-Channel)

‚Black Mirror‘ S3

Inzwischen hat sich unter den Serienjunkies rumgesprochen, dass Black Mirror eine extrem gute und vielseitige Serie ist, die den Nerv der Zeit trifft. Und der Erfolg bestimmt zum Glück auch hier die Nachfrage. Die Serie wurde dieses Mal schneller verlängert und von drei Episoden auf sechs Episoden pro Staffel erweitert, die vierte Staffel scheint schon in der Pre-Produktion zu stecken. Das Schema bleibt gleich und gleich gut. Jede ca. einstündige Episode erzählt eine sich abgeschlossene Geschichte mit einem völlig anderen Thema und anderen Darstellern. So begleiten wir in „Nosedive“ (3×01) Bryce Dallas Howard durch eine Welt, die wie ein soziales Netz funktioniert. Die Anzahl der Likes, das persönliche Ranking macht einen zu einem Menschen höherer oder niedriger Klasse. „Playtest“ (3×02) spielt mit der Idee von VR-Games, die ein bisschen zu real sind. In „Shut Up and Dance“ (3×03) wird ein Junge zum Spielball eines Erpressers, der ihn über seine Webcam in einer verfänglichen Situation aufgenommen hat. „San Junipero“ (3×04) ist eine bittersüße Liebes-Geschichte, während „Men Against Fire“ (3×05) sich mit technisch aufgemotzten Soldaten beschäftigt. Die letzte Episode, „Hated in the Nation“, zeigt wie mächtig und gefährlich hate speech und shitstorms werden können, wenn soziale Netze missbraucht werden.

Black Mirror bleibt sich in allen Punkten treu. Die Themen variieren und die Episoden überraschen. Manchmal erschließt sich der Zusammenhang zu Technik und Medien erst später („San Junipero“). Manchmal hat man das Gefühl zu wissen worum es geht und schon alles ‚erkannt‘ zu haben, die wahre Bedeutung und der Twist offenbart sich manchmal erst spät („Shut Up and Dance“). Manche Episoden sind futuristisch („Men Against Fire“), andere heute denkbar („Shut Up and Dance“, mit Einschränkungen „Hated in the Nation“) – was zum fürchten ist. Manche Episoden sind witzig („Nosedive“), andere traurig („San Junipero“), andere zum fürchten („Playtest“). Alle Folgen sind perfekte, kleine Meisterwerke. Unter Umständen kann sich eine Gewöhnung beim Zuschauer eingestellt haben, weil man die Bildsprache von Black Mirror inzwischen kennt und nicht mehr so überrascht wird. Aber die Zutaten sind gleich gut. Zwar wirken die Techniken, die die Episoden adressieren ähnlich (mehrmals VR bzw. AR), aber nicht wenn man in die Tiefe geht und sie technisch betrachtet. Die ersten Staffeln haben viel mit den Medien, Youtube oder Künstlicher Intelligenz gespielt. In dieser Staffel sind es Exploits und Trojaner, VR, Mind-Uploading, Reward-Systeme, elektrische Autos, Hatespeech und noch viele weitere. Sie adressieren aber unsere Urängste und nehmen sich des großen Themas an. Nicht wie böse Technik ist, sondern was Technik verursachen kann, je nachdem wie wir damit umgehen. Wie aufmerksam wir sind und wie vernünftig oder unvernünftig. Was Technik uns schenken kann, was sie uns aber auch nehmen kann. Freiheit, Moral, Würde. Eine schöne Nebensächlichkeit ist wieviele bekannte Gesichter man in den Episoden sieht, beispielweise Jerome Flynn (Game of Thrones, Ripper Street), Mackenzie Davis (Halt and Catch Fire) und noch viele mehr. Ein unbestrittenes Meisterwerk, ein Wachrüttler, jede Sekunde wertvoll.

(10/10)

Sternchen-10

Obwohl die Serien extrem gut sind, gab es zumindest eine Enttäuschung. Undzwar dass ich auf Amazon Prime Instant Video ‚Mr Robot‘ anfangs noch im englischen Originalton schauen konnte. Mit Veröffentlichung der deutschen Synchronfassung wurde die Originalversion aber aus dem Prime-Segment genommen und ich hätte nur noch die deutsche Version schauen können ohne draufzahlen zu müssen. Sehr ärgerlich. Zwar empfinde ich die deutsche Synchro-Fassung als wirklich gut von der Stimmfarbe und Atmosphäre, aber ich bevorzuge es so zu schauen wie ich angefangen habe. Nichtsdestotrotz eine gute Staffel, auch wenn ich ‚Mr Robot‘ durchaus als ‚anstrengend‘ empfinde, da mein Softwareentwicklerinnen-Hirn da immer mitarbeitet und versucht mitzukommen was sie wie gemacht haben. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Viele der genutzten Services und Software gibt es wirklich wie das aufs hacken ausgelegte Linux-Derivat. Andere Webseiten sind manchmal vom Produzenten aufgesetzte Seiten. Man kann sie aufrufen und anschauen, aber sie tun nichts. Trotzdem ganz witzig sich auf die Spuren der Hacks zu begeben. ‚Black Mirror‘ empfand ich allerdings als weitaus einfacher und unanstrengender, auch wenn die Qualität der gezeigten Dystopien hoch ist. Habt ihr die Staffel gesehen? Wie gefallen sie euch? Was sind eure Theorien über die Zusammenhänge in ‚Mr Robot‘? Hat ‚Black Mirror‘ für euch schon den Zauber verloren? Häufig erlebt man es ja bei Serien, dass sie anfangs noch neu und innovativ wirken und obwohl sie ‚abliefern‘ die Begeisterung abnimmt, weil man jetzt schon weiß was einen bei den Serien erwartet und nicht mehr so überrascht wird.

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).

4 Antworten

  1. Die zweite Staffel von „Mr. Robot“ habe ich bisher noch nicht geschaut. Ist aber schon mal gut, das sie dir gefällt, dann kann ich da ja beruhigter rangehen. „Black Mirror“ kenne ich gar nicht. Wo lief das eigentlich? Bei Netflix wahrscheinlich…

  2. Zu „Mr. Robot“ kann ich leider nichts sagen, aber die neue Staffel von „Black Mirror“ fand ich auch großartig – nicht unbedingt jede einzelne Episode, man hat dann ja doch seine Favoriten, aber im Großen und Ganzen war es wieder mal ein Meisterwerk. Mir persönlich haben die ersten vier Episoden am besten gefallen. „Shut Up and Dance“ insbesondere deshalb, weil es so realitätsnah und aktuell war. „San Junipero“ wiederum aufgrund dieser bittersüßen Story, die du schon angesprochen hattest. Und ganz besonders die erste Episode, weil ich mir erschreckenderweise wirklich vorstellen könnte, dass das einmal unserer Zukunft ähnelt.

  3. […] Black Mirror S3 – bleibt sich treu, wachrüttelnd, innovativ […]

  4. […] Qualität gesprochen. Aber die Handlung reißt vermutlich niemanden vom Hocker, der schon „Black Mirror„ geschaut hat. Auch die britische Serie kreiert seit Jahren bittere Zukunftvisionen rund um […]

Schreibe einen Kommentar zu Rückblick auf das Serienjahr 2016 | Miss Booleana Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert