Als Teenager war ich sehr angefixt von Horrorfilmen und Japan. Auch gerne in Kombination. Und das bin ich heute noch. 😉 Zwar finde ich Horrorfilme heute witzigerweise gruseliger als damals im Teenageralter, aber beides beschäftigt mich immer wieder sehr. Und warum nur auf Japan beschränken? Asiatische Horrorfilme bringen das bisschen Mehr in das teilweise abgewetzte Genre des Mysteryfilms. Folklore, Legenden, Ansichtsweisen, Inspiration – manche Ideen werden durch Unterschiede der landestypischen Mythologie und Gesellschaft in unseren Breitengraden als exotisch betrachtet, obwohl der Grundgedanke sich nicht so wesentlich von unseren „Geistergeschichten“ und dem was wir gruselig finden unterscheidet. So beispielsweise, dass etwas von einem Menschen auch nach dem Tod in der Welt bleibt oder unser Leiden oder unser Zorn auf die Menschen in unserer Umwelt wirkt. Auch wenn, wir physisch nicht mehr existieren. Tada: die klassische Geistergeschichte mit dem Plus an doppeltem Boden. Dem Beweggrund, dem Täter, der nicht nur Täter ist, sondern einst Opfer war. Dafür brauch es natürlich nicht immer Geister wie bspw. Miikes „Audition“ beweist. Ringu war wohl einer der Vorreiter dieses danach oft kopierten Subgenre und Konzepts. Viele kennen vielleicht sogar eher die zahlreichen US-Remakes der Filme, die ich heute besprechen möchte („Ring“, „The Grudge“, „Mirrors“, „Shutter“ (US), …) – aber ihre asiatischen Originale üben sich oftmals einen anderen Ton und sind meistens um einiges weniger blutig oder auf Schauwerte getrimmt. Gerade im Halloween-Monat Oktober zelebriere ich den Horrorfilm seit Jahren. Einerseits hier in den Werkschauen, andererseits im Horrorctober. In den Vorjahren ging es hier bspw. um Body Horror, die Apokalypse oder Vampire. Und dieses Jahr um sieben asiatische Horrorfilme.
„Audition International Trailer (Takashi Miike, 1999)“, via Arrow Video (Youtube)
Audition
Shigeharu Aoyama (Ryo Ishibashi) findet die Idee anfangs selber nicht gut, aber er macht mit. Vor Jahren ist seine Frau gestorben und sein Umfeld ermutigt ihn sich nach all der Zeit wieder nach einer Frau umzusehen und vielleicht sein zweites Glück zu finden. Aoyamas Freund ist Filmproduzent und hat die „geniale“ Idee ein Vorsprechen für eine Filmrolle zu organisieren. Die Bewerberinnen wissen nicht, dass es keinen Film gibt und nur ein Schaulaufen und Bewerbungsgespräch für die Rolle von Aoyamas neuer Zukünftiger ist. Genial!? Warum macht das nicht jeder so!?? Aoyama spielt mit und findet Gefallen an der zarten Asami (Eihi Shiina). Zwar gibt ihr Lebenslauf Rätsel auf, aber wenn er mit ihr zusammen ist, wischt das alle Zweifel beiseite. Was für ein Albtraum Aoyama bevorsteht, deutet sich langsam für den Zuschauer an. Der Zuschauer weiß schnell, dass hier ist faul ist, wenn man Asami apathisch neben dem Telefon auf Aoyamas Anruf wartet mit nichts als einem Sack in ihrer Wohnung, in dem sich etwas bewegt. Spätestens jetzt sollte klar sein, dass man keine Romcom schaut. Tatsächlich ist Audition ein harter Psychothriller mit Folter- und Horrorelementen, der die eine oder andere wirklich schwer zu verkraftende Szene zu bieten hat. Ich denke da nur an die Enthüllung, was in dem Sack ist oder Stichwort: Nadel. Wuah. Da schüttelt es mich noch jetzt, obwohl es eine Weile her ist, dass ich den Film gesehen habe. Miike fängt das Absurde, das Widerliche, extrem gut ein, aber auch die Andeutungen über das, was Asami zu dem gemacht hat, was sich hier als Psychopathin präsentiert. Für den Zuschauer fühlt es sich wie eine Achterbahnfahrt an, bei der man das Ende zu kennen glaubt. Alles deutet sich an, man weiß mehr als Aoyama und sieht früh wo seine Recherche über Asamis Vergangenheit hinführt. Miike bricht diesen Effekt mit albtraumhaften Einlagen, die uns zweifeln lassen: ist das gerade passiert oder war es ein Traum? Und hält uns so meisterlich bei Laune. Audition ist damit ein exzellenter Film, der aber mit seinem krassen Inhalt (und der absurden Idee des Vorsprechens) entfremdet und stellenweise (zu) sehr auf Ekel setzt.
Audition (オーディション „Ōdishon“), Japan, 1999, Takashi Miike, 113 min, (8/10)
Ju-On: The Grudge
Die deutsche DVD-Veröffentlichung bekommt den Preis für die überholteste DVD-Präsentation überhaupt. Das Menü ist ziemlich trashig. Aber hier soll es ja um den Film gehen. Ju-On zieht ähnlich wie Genre-Kollege Ringu ein ganzes Franchise hinter sich her, inklusive amerikanischer Remakes. Neulich wurde sogar mit Sadako vs Kayako ein Aufeinandertreffen der Rachegeister inszeniert. Selbst Ju-On, was ich für den Start der Reihe hielt, hat eigentlich noch einen Vorgängerfilm (Juon – The Curse). Wie ein Fass ohne Boden. Der Film hat aber auch seinen Reiz und ist zu Recht ein Grundstein der asiatischen Horrorwelle Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Er beginnt mit der Sozialarbeiterin Rika (Megumi Okina), die zu einer bestimmten Adresse geschickt wird, weil man lange nichts von der Familie mit der pflegebedürftigen Großmutter gehört hat. Rika findet die alte Frau vollkommen verwahrlost vor und das Haus ansonsten menschenleer – wo sind die Angehörigen abgeblieben? Schon bald muss Rika allerdings entdecken, dass sie doch nicht so alleine in dem Haus sind. Von da an zeigt Ju-On nacheinander die Geschichten all derer, die das Haus betreten haben, nachdem darin ein grausiger Mord stattfand und wie sie unweigerlich der Groll bzw Fluch der darin zu Tode gekommenen Menschen trifft.
Wenn man zuerst das Remake gesehen hat, findet man Ju-On: The Grudge erstaunlich unblutig. Die amerikanischen Remakes haben bei vielen Genrekollegen wie Mirrors auf Gore gesetzt oder auf andere Weise in jump scares investiert wie bei The Ring. Oftmals sind die japanischen Vorlagen besser inszeniert was das menschliche Drama betrifft, aber das Fehlen von Blut und jump scares sorgt schon ein bisschen für Stirnrunzeln und tatsächlich dafür, dass man sich verhältnismäßig wenig gruselt. Ju-On: The Grudge hat aber tatsächlich eine Szene, die einen trotz allem ausgesprochen gut in die Träume verfolgt. Stichwort: Hitomi (Misaki Ito) und Bettdecke. Also Ju-On: The Grudge kann es, keine Frage. Der Film hat seine Berechtigung als Horrorstreifen, fängt aber auch v.A. menschliches Drama ein (bspw. das der Polizistentochter Izumi, gespielt von Misa Uehara), worauf man evtl nicht gefasst ist. Trotz des spannenden Konzepts dieser ganzen episodenhaften Geschichte derer die Opfer des Fluchs wurden, bleibt der Film etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück, nicht nur in Anbetracht der Tatsache, dass er gar nicht vollends adressiert wie es zu dem Fluch kam, sondern das nur schemenhaft andeutet und leider auch kein „Ergebnis“ in dem Sinne hat.
Ju-On: The Grudge (OT: 呪怨 „Juon“), Japan, 2002, Takashi Shimizu, 92 min, (7/10)
Into the mirror
Wu Young-min (Yoo Ji-tae) hat seinen Polizeidienst nach einem Einsatz mit bösem Ausgang quittiert und arbeitet seit geraumer Zeit als Sicherheitsfachmann im Kaufhaus Dreampia. Das soll nach einem verheerenden Brand wieder neu eröffnet werden. Ein glänzender Start wäre wünschenswert, denn die Vergangenheit des Kaufhauses ist übel: bei dem Brand kamen an die zweihundert Angestellten um. Allerdings überschatten Selbstmorde das Geschehen. Die Polizei beginnt zu vermittelt und geht davon aus, dass mehr dahinter steckt. Wu Young-min folgt aber seiner Intuition, die sagt, dass die Morde etwas Groteskes und Irrationales an sich haben. Und irgendwas ist mit den Spiegeln.
Das amerikanische Remake Mirrors mit Kiefer Sutherland hat sich in typischer Manier von Hollywood-Remakes der besten Szenen des Films bedient und ihn ansonsten mit starken Gore ausstaffiert und einer hohlen Erklärung für den Spuk. Das führt zu dem seltsamen Effekt, dass wenn man Mirrors zuerst gesehen hat, man bei Into the mirror unweigerlich denkt „Mensch, gar nicht so blutig“ oder sogar „Mensch, gar nicht so gruselig“. Dabei ist der koreanische Film wahrscheinlich der Vorreiter, der den Spiegel wieder gruselig gemacht hat. Die Szenen von sich selbstständig machenden Spiegelbildern bleiben hängen und ähneln dem, was wir später u.a. auch in Aronofskys Black Swan sahen. Über alles andere wollen wir aber mal nicht reden. Zum Beispiel den Fakt, dass Wu Young-min das Prinzip des Spiegelverkehrten nicht kennt (vielleicht bei der Übersetzung und Synchro hinten runter gefallen?) oder dass er erst zu seinem Kumpel, einem Arzt, gehen muss, der ihm dann erklärt, dass es eine Spiegelwelt gibt, und wer in der echten stirbt, lebt dort weiter. Leonardo da Vinci soll angeblich aus der Spiegelwelt sein. Wer weiß das nicht!? Natürlich stammt der Visionär aus der Spiegelwelt. (Ironie Ende) Bei solchen Bullshit-Momenten muss man sich nicht wundern, wenn der Film für ungewollte Lacher sorgt. Was soll’s. Immerhin hat der Film 15 Jahre auf dem Buckel. Den Nonsense, der der Übersetzung geschuldet ist, mal beiseite gelassen, sind aber auch die Effekte eher schlecht gealtert.
Into the mirror (OT: 거울 속으로), Südkorea, 2003, Kim Sung-ho, 113 min, (5/10)
A Tale of Two Sisters
Als die Schwestern Su-mi (Lim Su-jeong) und Su-yeon (Moon Geun-young) nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik nach Hause kommen, ist die Freude schnell getrübt. Zuhause bedeutet nicht nur, dass sie ihren Vater (Kim Kap-soo) wiedersehen, sondern auch ihre Stiefmutter (Yeom Jeong-a). Beide Schwestern sind nicht glücklich, dass ihr Vater eine neue Frau hat und empfinden ihre Art als bissig. Während Su-yeon Angst vor ihr hat, begegnet Su-mi der Stiefmutter ebenso auf Konfrontationskurs. Dass die Drei eine Vorgeschichte haben bzw. was zur Einweisung der Schwestern in eine Klinik geführt hat, kommt nicht zur Sprache. Als im Haus seltsame Dinge vor sich gehen, spitzt sich auch die Situation der Schwestern und ihrer Stiefmutter zu und die Schwestern sind sich sicher, dass ihre Stiefmutter sie loswerden will: es ist nur eine Frage der Zeit. Regisseur Kim Jee-woon hat auch das Drehbuch beigesteuert und Anfang der 2000er Jahre demonstriert, dass es noch kluge Twists im Horrorfilm gibt. Er hat keinen klassischen Genrefilm geschaffen, sondern ein kleines, melancholisches und inszenatorisches Meisterwerk was Atmosphäre betrifft. Der Zuschauer weiß lange nicht, ob er ein Drama sieht, indem sich tatsächlich eine garstige Stiefmutter der Kinder entledigen will, oder ob man einen Horrorfilm schaut und wer hier überhaupt das Opfer ist. Die Aufklärung kommt und der Twist ist hart, soviel sei verraten. Vorher mag einiges konfus und Details und Erlebnisse nichtig erscheinen. Spätestens nach der Auflösung sieht man den Film und die Szenen in einem neuen Licht. Und selbst danach steht immer noch die Frage in dem Raum: hat es gespukt? Spukt es in dem Haus immer noch? Was habe ich gesehen und was ist wahr? Alleine das ist eine Kunst.
A Tale of Two Sisters (OT: Janghwa, Hongryeon/장화, 홍련), Südkorea, 2003, Kim Jee-woon, 110 min, (9/10)
„Shutter – 2004 trailer“, via LonChaneySr (Youtube)
Shutter
Auf dem Heimweg nach der Hochzeit eines Freundes passiert es: der Fotograf Tun (Ananda Everingham) und seine Freundin Jane (Natthaweeranuch Thongmee) überfahren in einem unachtsamen Moment eine Frau. Am Steuer sitzt zwar Jane und nicht der betrunkene Tun, aber unter Schock treffen sie eine Entscheidung, die sie beide bereuen werden – sie begehen Fahrerflucht. Jane fühlt sich unendlich schuldig und kann kaum noch schlafen. Tun wird von den Geschehnissen auf andere Weise verfolgt. Plötzlich sieht er immer öfter während seiner Aufträge durch den Sucher seiner Kamera das schemenhafte Gesicht einer Frau, die aber gar nicht vor der Kamera steht. Als in Tun und Janes Freundeskreis immer mehr Menschen Selbstmord begehen und beide von Horrorvisionen geplagt werden, beginnen sie Nachforschungen anzustellen, die in Tuns Vergangenheit münden. Shutter ist inzwischen fast fünfzehn Jahre alt, funktioniert aber noch ausgesprochen gut. Der Film hat eine mitreißende Geschichte, einen bitteren und schockierenden Twist und gute Darsteller. Die Filmemacher haben verstanden wie man für einen jump scare sorgt und wie man mit filmischen Mitteln die unheilschwangere Atmosphäre erzeugt, die einem die Nackenhaare zu Berge sehen lässt. Aus heutiger Sicht entsteht leicht der Eindruck, dass der Film allzu formelhaft funktioniert und Genrekollegen und Vorreitern wie Ju-On und Ringu zu stark gleicht, zu sehr klassische Erzählmuster des amerikanischen Popcornkinos bedient, aber zumindest was das erste betrifft muss man schlichtweg sagen: er war sowieso schon sehr weit vorn mit dabei und ist nicht wesentlich älter als bspw. Ju-On, wirkt aber heute nach fast fünfzehn Jahren noch zeitgemäßer als seine Kollegen.
Shutter (OT: ชัตเตอร์ กดติดวิญญาณ), Thailand, 2004, Banjong Pisanthanakun/Parkpoom Wongpoom, 92 min, (8/10)
The Host
Der nichtsnutzige Kang-doo (Song Kang-ho, bekannt aus u.a. Durst und Lady Vengeance) arbeitet mit seinem Vater im Imbiss an einer Flusspromenade. Eines Tages steigt ein riesiges, fischähnliches Monster aus dem Fluss auf und schnabuliert Passanten. Es greift sich auch Hyun-seo (Ko Ah-sung), Kang-doos Tochter. Sie wird von da an für tot erklärt und ihre ganze Familie in die Quarantäne gesteckt, da sie Kontakt mit dem Monster hatten und das Militär erklärt, dass sie Träger eines gefährlichen Virus sind. Als sie einen Anruf von Hyun-seo bekommen, bitten sie um Hilfe. Niemand glaubt ihnen, dass das Mädchen noch lebt und irgendwohin verschleppt und wahrscheinlich gefangen gehalten wird. Also beschließen sie zu türmen und das selber in die Hand zu nehmen.
Militärische Willkür und das Einmischen in die Angelegenheiten anderer Länder – eine politische Aussage in Anlehnung an nicht nur ein historisches Ereignis. Ich hätte nicht gedacht, dass der Film so politisch wäre. Aber es gibt auch (vielleicht gerade deswegen) viele groteske, absurde und witzige Momente in The Host. Die Familie ist zerstritten, überlebt gerade so und nicht alle sind die hellsten. Aber sie halten zusammen, wenn es drauf ankommt und lieben sich, auch wenn sie manchmal nur harte Worte füreinander haben. Ich denke da nur an die Szene, in der alle wegen Hyun-seos angeblichen Todes heulen und sich zum Schluss total aufgelöst auf dem Boden wälzen. Das meine ich mit grotesk: manchmal übertreiben sie es. Aber Übertreibung wirkt: es provoziert Reaktionen und Emotionen. Den visuellen Effekten kann ich so ziemlich gar nichts abgewinnen, aber wie die Handlung in Segmenten zusammengefügt ist, die Schnitte und spannenden Kameraeinstellungen und auch der Wechsel zwischen Action, Dramatik und Groteske hat mich die zwei Stunden erstaunlich gut bei Stange gehalten, während ich anfangs noch dachte „Wuäh, zwei Stunden Monsterfilm?“ Aber es ist ein innovativer Monsterfilm, der so ziemlich kein Klischee des Monsterfilms bedient. Und das ist sehr erfrischend! Der Film ist gerade auch wegen der Groteske und wenig heldenhaften Charaktere anders, mutig, interessant und unterhaltsam. Alleine die Fragestellung worauf der Titel anspielt, ist Stoff zum diskutieren. Trotzdem finde ich, dass die Geschichte ein paar Umwege zuviel macht und die Optik im Zeitraffer hat weitaus mehr zu bieten als das Monster und die schlechten CGI-Effekte.
The Host (OT: 괴물 „Gwoemu“), Südkorea, 2006, Bong Joon-ho, 119 min, (7/10)
The Wailing – Die Besessenen
Für den Dorfpolizisten Jeon Jong-gu (Kwak Do-won) ist es schon ungewöhnlich, dass überhaupt jemand in seiner Gemeinde umgebracht wird. Als er aber am Tatort ankommt, muss er feststellen, dass eine ganze Familie regelrecht abgeschlachtet wurde. Der Täter ist nicht ansprechbar, sieht aus als ob er im Blut gebadet hätte und wirkt verwahrlost. Vor Kurzem war er noch ein normales Mitglied der Gemeinde. Während die einen sagen, dass es giftige Pilze gewesen sind, die ihn halluzinieren ließen, sagen andere, dass der japanische Einsiedler (Jun Kunimura) schuld ist. Er wäre ein Vampir, ein Geist, ein Teufelsanbeter, ja sogar der Teufel höchstpersönlich. Die Gerüchte werden immer wilder, die Morde häufen sich. Als eines Tages die kleine Tochter Jeon Jong-gus auch besessen zu sein scheint, nimmt er die „Gerechtigkeit“ selbst in die Hand. The Wailing ist ein Ausnahme-Mystery-Thriller, der sowohl Charaktere als auch Zuschauer mit seiner bombastischen Laufzeit von etwas mehr als zweieinhalb Stunden durch eine wahre Tour de Force schickt. Anfangs wirken die Dorfpolizisten in ihrer Unbeholfenheit witzig, satirisch und die Menschen um sie herum grotesk, die nicht nur ein bisschen xenophob wirken, wenn sie da alle so ihre Mythen über den einzigen Japaner im Dorf zum Besten geben. Dann aber schlägt die Stimmung sehr schnell um. Mit der Erkrankung/Besesssenheit von Jeon Jong-gus Tochter verändert sich alles. Aus anfänglichen Späßen wird eine Hetzjagd, Verzweiflung entsteht, Blut wird vergossen und hier liegt der grandiose Kniff. Erstens weiß man gegen Ende des Films beim besten Willen nicht mehr wer der Böse ist und zweitens ist der Mysterythriller Schrägstrich Horrorfilm anfangs keiner. Erst nachdem der Polizist das erste Blut mit eigenen Händen vergossen hat, kommt das Übernatürliche ins Spiel. Homemade Horror bekommt damit eine ganze andere Bedeutung. Und wer ist jetzt hier der Besessene?
The Wailing (OT: 곡성, 哭聲, Gokseong), Südkorea, 2016, Na Hong-jin, 156 min, (9/10)
„THE WAILING: Die Besessenen Exklusiv Trailer German Deutsch (2017)“, via KinoCheck (Youtube)
Der asiatische Horrorfilm wurde Anfang der 2000er so inflationär oft kopiert, dass gruselige kleine Kinder schon quasi zum Meme wurden. Nur das man es damals noch nicht Meme nannte. Aber gerade „The Wailing“ zeigt, dass der asiatische Horrorfilm noch da ist und ganz andere Motiv bedienen kann. Oftmals gleitet er natürlich ins trashige ab, aber in vielen Fällen bringt er extra Tiefe in die klassische Geistergeschichte. So haben beispielsweise wenige „alte“ Mystery-Stoffe den Horror hinterfragt. Warum sucht der Geist die Familie heim? Mit „Ringu“ und seinen Genrekollegen bekamen Gruselfilme Grauschattierungen und einen doppelten Boden. Fast alle Horror-Filme bedienen sich seitdem des berühmten Twists. Und gleiten in ein Franchise aus Mehrteilern und Remakes ab. Für mich war der Twist dieser Werkschau der, dass ich tatsächlichen die gore-igen Stellen der Remakes vermisst habe. Und das hat mich selber überrascht, war ich doch nie ein besonders großer Gore-Fan. Wie geht es euch da? Was ist für euch der klassische asiatische Horrorfilm, den man gesehen haben muss? Oder seid ihr evtl gar nicht so große Fans der asiatischen Erzählweise von Horror?
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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