Horrorctober 2018 – Woche 1 („It Comes at Night“, „Suspiria“, „The Nun“)

Ich liebe den Anfang solcher Filmchallenges. Alles ist noch offen, noch hat man nichts gesehen. Bei soviel Auswahl fühlt man sich ja fast wie ein Kind im Süßwarenladen 🙂 Mein erster Film für den Horrorctober sollte „It Comes at Night“ sein. Danach ging es trotz oder vielleicht gerade wegen der hohen Erwartungen erstmal bergab.  👿 

It Comes at Night

Hat man schon Mal von Trey Edward Shults gehört? It Comes at Night ist nicht ein Debut, aber auch erst der zweite Feature Length Film, bei dem er auf dem Registuhl Platz nahm. Sein post-apokalyptischer Horrorthriller ist ein Indie-Geheimtipp, der bisher sehr durchwachsen besprochen wurde. Joel Edgerton spielt darin Paul, der zusammen mit seiner Frau Sarah (Carmen Ejogo) und seinem Sohn Travis (Kelvin Harrison) zurückgezogen in einem Haus lebt und sich vor der Außenwelt abschirmt. Sie wissen schon lange nicht mehr, was da draußen vor sich geht, seitdem der Virus um sich griff. Mensch und Tier wird seit langer Zeit krank – der Virus ist ansteckend, schnell und tödlich und hat die Gesellschaft in die Knie gezwungen. Auf der Suche nach Wasser und Essen versucht Will (Christopher Abbott) in das Haus von Paul einzubrechen, dass er für leerstehend hielt, wird aber von Paul geschnappt. Kann man Will Vertrauen? Soll man ihm Asyl gewähren?

An der Stelle geht meine Meinung etwas von der anderer Besprechungen ab: ich empfand It Comes at Night als wirklich wirklich gut, obwohl er in ein ähnliches Horn bläst wie Genrekollegen der jüngeren Zeit wie Z for Zachariah. It Comes at Night vermeidet als einer der wenigen Filme mit post-apokalyptischem Szenario die Fehler, die aus Verzweiflung, Emotionalität und zu simplen Drehbüchern entstehen, die nur geschrieben wurden, um Zuschauern zu gefallen. Die Familie lebt hier ein Leben mit einer Handvoll Regeln zum Überleben in ihrem eigenen kleinen Subkosmos in dem Haus mit der roten Durchgangstür. Das bedeutet manchmal nicht nett zu sein und unpopuläre Entscheidungen zu treffen, aber es sichert ihr Überleben. Shults zieht das in seinem Drehbuch konsequent durch wie wenige Genrekollegen es beherrschen, wodurch It Comes at Night zusammen mit Genrekollegen wie The Road einige der wenigen wirklich guten Beispiele für post-apokalyptische Filme ausmacht. Erst wenn andere Akteure dieses Gefüge ins Wanken bringen, kommen die emotionalen Zwickmühlen und moralischen Zwangslagen zum Tragen, die plötzlich und hart eskalieren. Das Ende stößt mit Sicherheit den einen oder anderen Zuschauer vor den Kopf, aber es stellt eine Frage: was hättest du getan? Und dass man mit etwas zum darüber sprechen aus den Filmen geht, ist ein Qualitätsmerkmal. Der (wenige) Einsatz von Musik ist etwas ungeschickt und die Wahl des Scores ist nicht passig, aber der Film glänzt sowieso durch die stillen Momente. Joel Edgerton sticht in seiner Rolle besonders hervor. Der Mann kann eigentlich nichts falsch machen. Und den Namen Trey Edward Shults sollte man sich merken.

It Comes at Night, USA, 2017, Trey Edward Shults, 91 min, (8/10)

Sternchen-8


„IT COMES AT NIGHT Exklusiv Trailer German Deutsch (2018)“, via KinoCheck (Youtube)

Suspiria

Mache ich mich jetzt unbedliebt, wenn ich diesen Klassiker des Giallo-Kinos, der scheinbar eine große Fangemeinde hat nicht als exzellent und lebensverändernd bewerte? Vielleicht. Dario Argento, der „Giallo-Papst“, erzählt in seinem Film von der Amerikanerin Suzy Banyon (Jessica Harper), die an einer Tanzschule in Freiburg studieren will und unter schlechten Vorzeichen anreist. In der Schule kommt ihr bereits eine scheinbar verwirrte oder verstörte Frau entgegen, die in die Nacht davonrennt. Am nächsten Tag wird Suzy von den Lehrerinnen Madame Blanch (Joan Bennett) und Frau Tanner (Alida Valli) freundlich empfangen, die Schule hat aber auch die Nachricht ereilt, dass eben diese Frau aus der Vornacht tot aufgefunden wurde. Suzy freundet sich mit ihrer Mitschülerin Sandra (Stefania Casini) an, die zu wissen glaubt, dass an der Schule etwas mysteriöses vor sich geht und dass das Mordopfer der Sache auf der Spur war. Wir alle ahnen schon: natürlich ist was dran an der Sache und natürlich geht das mehr oder minder gut für die Frauen aus. Ohne viele Giallo-Filme gesehen zu haben, liegt es auf der Hand: schöne, junge Frauen, die einem Mörder entkommen müssen und blutige, derbe Szenen – das muss wohl Giallo sein.

Der Auftaktgeber des Slasher-Genres macht seinem Ruf alle Ehre, aber mit seinen mehr als 40 Jahren auf dem Buckel ist der Film für heutige Zuschauer unter Umständen schlecht gealtert. Etwas überzeichnetes Schauspiel; Handlungssprünge, die keinen Sinn machen (eben stand sie noch am Fenster des Appartments? Wie kommt sie jetzt auf das Glasdach?), das künstlich hell-quietschrote Blut und fast komische Szenengestaltung (wenn sich die Hand des Mörders comichaft rechts und links in das Bild schiebt und zusticht), dann kommt nicht mehr ganz die Stimmung auf, die der Film 1977 erzeugt hat. Außerdem fehlt es etwas an Substanz. Im Film, der an einer Tanzschule spielt, wird schon ziemlich wenig getanzt oder unterrichtet – gerade mit Musik hätte man hier wirklich mehr machen können.  Und mit Weiblichkeit. Man sieht sehr deutlich, dass der Film diese gar nicht ausspielt, sondern genießt zarte Frauen in Opferrolen zu sehen. Giallo eben? Dann ist das wohl nicht mein Ding. Aber in vielen Gesichtspunkten ist er auch stimmungsvoll und lässt den Kult verstehen. Beispielsweise angesichts der Kulissen, die vor dunklem Pomp, Jugendstil und Design im Stil von M.C. Escher nur so überquillen. Oder die Farbgestaltung, bei der Dario Argento wortwörtlich extra am Regler gedreht hat und mit glühendem Rot, Blau und Grün die Szenen und Stimmungen vorgibt und vorhebt. Die grausigen Szenen in denen wir die Opfer des Mörders (oder der Mörderin) wiederfinden sind in jedem Fall kreativer als in vielen heutigen Slashern. Filmen, die im Vergleich zu heutigen schlecht gealtert zu sein scheinen, sind deswegen nicht schlecht. Nur eben anders und ungewohnt und können ihren Reiz in anderen Zeitaltern schwerer transportieren. Für mich wird der Film kein Meilenstein, dafür war mir die Handlung zu gestelzt. Aber der Klassiker-Aspekt ist unverkennbar.

Suspiria, Italien, 1977, Dario Argento, 94 min, (6/10)

Sternchen-6

„SUSPRIA – 40th Anniversary Re-Release Trailer Deutsch“, via Vierund Achtzig (Youtube)

The Nun

Warum genau wollte ich The Nun schauen? Achso, weil der Trailer gruselig war. Denn Conjuring 2 habe ich schon nicht gesehen, obwohl die Figur der geisterhaften Nonne eigentlich in dem Film eingeführt wird. Tatsächlich kann man den Film ziemlich gut ohne Vorwissen aus Conjuring 2 schauen, da The Nun als Prequel angelegt ist. Die Handlung spielt im Jahr 1952 und zeigt wie sich zwei Nonnen im rumänischen Kloster St. Carta einer dämonischen Präsenz (Bonnie Aarons) stellen. Tage später findet ein Lieferant (Jonas Bloquet) aus dem nahe gelegenen Dorf die Leiche einer Nonne vor dem Tor des Klosters, die offenbar Selbstmord begangen hat. Der Vatikan beauftragt Pater Burke (Demián Bichir) und die Novizin Schwester Irene (Taissa Farmiga) in dem Kloster nach dem Rechten zu sehen. Ein scheinbar ungleiches Paar, die aber verbindet, dass der Vatikan sie für diesen Auftrag für besonders geeignet hält. Das ist darin begründet, dass Schwester Irene Visionen hat und Pater Burke schon einiges gesehen und einige Exorzismen durchgeführt hat. Das was in dem Kloster allerdings vor sich geht, stellt beide vor eine große Herausforderung. Das Problem bei dem Film ist allerdings, dass er einige denkwürdige und tatsächlich cinematografisch gut gedrehte Szenen hat, aber irgendwann nicht mehr gruselig ist. Wenn alle 10 Sekunden eine Geisternonne aus der Ecke springt, ist das halt nicht mehr gruselig oder stimmungsvoll. Wir wussten es ja alle – „viel hilft viel“ ist Quatsch. Das Drehbuch hinkt kräftig und hat eine „Origin-Story“ erdichtet, dessen Umsetzung an die eine oder andere Szene aus Filmen erinnern lässt, die schon eine Weile auf dem Markt sind (bspw. Hellboy). Vielleicht ist es doch kein so kluges Konzept James Wans das Conjuring-Filmuniversum auf immer mehr Schultern zu verteilen. In jedem Fall steckt The Nun voller wirkungsvoller jump scares, die sich aber zu schnell abnutzen und gut gefilmter Szenen, aber eine Story voller Plattitüden und einem Soundtrack, der erst im Abspanntitel überhaupt (positiv) auffällt.

The Nun, USA, 2018, Corin Hardy, 98 min, (5/10)

Sternchen-5

„THE NUN Trailer German Deutsch (2018)“, via KinoCheck (Youtube)

Und sonst so?

Da ja quasi erst vor ein paar Tagen die Ankündigung und Filmliste online gegangen und der Oktober noch jung ist, gibt es noch nicht viel zu berichten 🙂 Aber ich habe inzwischen angefangen American Horror Story: Roanoke zu schauen. Sehr stimmungsvoll, keine Frage XD Aber irgendwie wird AHS den Effekt des „Haunted House“ nicht los. Viele Staffeln fühlen sich zwangsläufig so an,  obwohl eigentlich nur die erste dieses Thema bedienen sollte. Beispielsweise Hotel und auch Roanoke. Oder empfinde das nur ich so?

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Ankündigung und Filmliste

Das wahrscheinlich seltsamste und verrückteste waren in dieser ersten Horrorctober-Woche wohl weniger die Filme, sondern v.A. Amazon Instant Video. Ich Sparfuchs wollte mir dort „It Comes at Night“ anschauen, da es zu dem Zeitpunkt nur 0,99€ kostete – ehrlich alle anderen Preise sind bei Amazon I.V. einfach Unfug. Aber zurück zum Thema. So bestellte ich dort den Film und las die Beschreibung. In der einfach mal das Ende beschrieben steht!!11!elf! Bitte was!!?? Also … an alle von euch, die den Film dort sehen wollen: nicht die verdammte Beschreibung lesen! Und welche Überraschungen hielt eure erste Horrorctober-2018-Woche für euch parat?

12 Antworten

  1. „Suspiria“ ist von 1977. Folglich ist er 41 und nicht 50 Jahre alt. Oder lebst du 9 bis 10 Jahre in der Zukunft? Wenn ja, wie verläuft denn der Brexit? Wie endet „Game Of thrones“? 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich hab halt aufgerundet XD 41 ist mehr als 40 und man kann ja davon ausgehen, dass er nicht innerhalb eines Jahres erdacht, gedreht und veröffentlicht wurde. Aber wenn dich das so tört, dann ändere ich das doch gerne im Text 😉

  2. Du hast genau 3 Filme und eine Serie mehr als ich geschaut/angefangen. Die letzte Woche war so anstrengend, dass ich einfach keine Zeit hatte zu DVD World zu gehen lol. Aber fingers crossed, dass ich meine Horrorctober watchlist im Oktober schaffe. Schade, dass THE NUN nicht so gut ankommt – das habe ich jetzt schon mehrfach gehört und mitbekommen. Ich glaube, ich lasse den dann lieber aus. Viel Erfolg und Spaß in Woche 2!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja so ist das manchmal, aber ärgere dich nicht – das kommt bei mir früher oder später auch, dass ich eine Woche habe wo ich entweder zu nix komme oder mit ach und krach einen Film schaue. Ist meistens so 🙂 Ich wünsche dir jedenfalls auch viel Spaß mit dem Horrorctober und drücke die Daumen, dass du schaffts, was du dir vorgenommen hast. 😀 Tschakka.
      Und ja, ich hätte vielleicht auch auf die Stimmen zu „The Nun“ hören sollen.

  3. Ich hab keinen deiner drei Filme bisher gesehen und „The Nun“ werde ich mir wohl definitiv nicht anschauen, obwohl Taissa Farmiga mitspielt, die ich eigentlich immer gern sehe (z.B. auch bei AHS).

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Die Farmiga-Geschwister sehe ich auch sehr gern! Und dass sie hier mal quasi in einer Filmreihe auftreten, finde ich sehr cool. Auch wenn ich die Filmreihe, zumindest die Ableger von The Conjuring, jetzt offiziell nicht mehr cool finde …

  4. Ich liebe Suspiria sehr! Schade, dass er dich nicht so wirklich umgehauen hat. Bin auch auf die Neuverfilmung gespannt…

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja so sind die Geschmäcker wohl tatsächlich … wäre ja auch langweilig, wenn wir alle zu 100% dieselben Dinge gleich cool finden würden. Da gäbe es ja auch gar nichts mehr, worüber wir uns unterhalten könnten 😀 Vielleicht kannst du mir erklären, was für dich den Reiz des Films ausmacht, dann sehe ich vielleicht etwas, dass ich vorher nicht darin gesehen habe.
      Aber ja! Du Neuverfilmung hat schon im Trailer so einen Stil bei dem ich das Gefühl habe, dass ich das sehr mögen werden. Aber der Regisseur hat es mir auch sehr angetan dieses Jahr.

  5. „It Comes At Night“ fand ich durchwachsen. Der hatte schon echt eine gute Atmosphäre und war teilweise auch echt sehr verstörend.

    Bei „Suspiria“ gebe ich dir absolut Recht. Die Story ist einfach nur Banane, aber so der ganze Stil war unglaublich gut. Das hat bei mir so viel mehr bewirkt als die ganze Story. Die Musik, die Beleuchtung, die Schnitte und all das fand ich echt gut. Der erste Horrorfilm, nach dem ich tatsächlich mal einen Alptraum hatte.

    „The Nun“ war einfach nur mies. Jeden jump scare hat man schon von Weitem kommen sehen… und es war einfach nicht gut.

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