„Überfrachtet“, „überbordend“, … wenn eins dieser Adjektive im Zusammenhang mit einem Film und dessen Handlung fällt, dann ist das meist ein Indikator dafür, dass man versucht hat zuviel in zu kurze Laufzeit zu pressen und dass der Film als Serie besser aufgehoben wäre. Manchmal betrifft das sogar Filmreihen, obwohl in denen ja schon mehr Platz sein sollte. Vor Kurzem liefen mir drei solcher Filme oder Filmreihen über den Weg, bei denen ich mir stattdessen eine Serie gewünscht hätte.
Brazil
Terry Gilliams Dystopie Brazil schäumt nur so über vor genialen Ideen, subversiven Motiven, Satire und Design, dass ich es ehrlich bereut habe, dass das alles einzeln betrachtet so kurz kommt. Alleine die heldenhaften, fantasievollen Träume des Protagonisten Sam Lowry, die seltsamen Episoden mit seiner Mutter und deren durch Schönheitsoperationen immer mehr zerfallenden Freundin, die immer mal wieder eingestreuten und nie weiter beleuchteten Terrorattacken oder Sams Beförderung und danach irrwitzig umständliches Arbeiten – das alles ist so vollgepumpt mit Ideen, die so schnell hintereinander abgefeuert werden, dass man gar nicht alle wertschätzen kann. Als Serie wäre für all das mehr Platz.
„Brazil (1985) Official Trailer – Jonathan Pryce, Terry Gilliam Movie HD“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)
Interessant dabei ist ja, dass Gilliam so schon herbe Probleme hatte seinen Film endlich veröffentlicht zu bekommen, weil er scheinbar für einige Gemüter zu satirisch war. Bei diesem Film stellt sich mir aber auch eine Frage, die sich bei den anderen nicht stellt: wäre die Atmosphäre und Wirkung noch dieselbe, wenn die Handlung mehr Zeit hat? Schließlich macht die dystopische Achterbahnfahrt und das Tempo mit dem Sam von einer Groteske in die nächste stolpert Brazil auch aus.
20th Century Boys
Der Manga 20th Century Boys des japanischen Autoren und Zeichners Naoki Urasawa wurde vor über zehn Jahre bereits verfilmt. Die japanische Filmreihe wurde als Trilogie angelegt und versucht in die neun bis zehn Stunden Film 24 Mangabände zu pressen. Kann das gut gehen? Sagen wir mal so – es ist nicht die schlechteste Mangaverfilmung. Aber ganz offensichtlich auch nicht die beste. Die Effekte sind mittelgut gealtert, aber die Kostüme und das Make-up waren schon vor zehn Jahren schlecht. Schließlich werden hier Charaktere über mehrere Jahrzehnte dabei begleitet eine große Verschwörung aufzuklären. Sie wollen die Identität eines Sektenführers aufdecken, der sich selbst der „Freund“ nennt und ganz offenbar die Ideen weiterentwickelt, missbraucht und kriminalisiert, die sie als Kind hatten. Dabei gibt es immer wieder Rückblicke in ihre Kindheit, die bei so ziemlich jedem Leser Nostalgie auslösen dürften.
„20th Century Boys Trilogy UK Trailer“, via 4DigitalMedia (Youtube)
20th Century Boys ist genial und einer meiner ungeschlagenen Lieblingsmanga. Die Reihe wurde übrigens gerade in Deutschland neu aufgelegt und kommt in schicken Sammelbänden als Ultimate Edition neu raus. Die Zutaten der Reihe sind echtes Filmmaterial und eigentlich unfassbar gut für eine Adaption geeignet. Aber bei der Masse an Material müsste es schon eine Serie sein, denn selbst das Schicksal zahlreicher Nebencharaktere hat soviel Potential! Über einen anderen grandiosen Naoki-Urasawa-Manga (Monster) gab es bereits Meldungen – er soll evtl von niemand geringerem als Guillermo del Toro verfilmt werden. Liegt aber leider schon ein Stück zurück (Quelle: comicbook.com), womit die Chancen wohl inzwischen schlecht stehen.
„Der Dunkle Turm“
Vor ein paar Monaten las ich den dritten Teil der „Dunkler Turm“-Reihe von Stephen King. Es war der erste, der mich so richtig abholte und genug am Haken hatte um mit Begeisterung weiterlesen zu wollen, während die Teile davor auch immer ein Stück weit „meh“ waren. Als ich dann gerade so mitten im Hype „Blaine, den Mono“ googelte und mich fragte wie der wohl in der Verfilmung mit Idris Elba als Roland aussieht, wurde mir schnell klar: den haben sie wohl ausgelassen. Es war kein Bild zu finden, egal wie kreativ meine Suchbegriffe waren. Kein Blaine? Ich las einen spoilerfreien Beitrag zu den „5 größten Nachlässigkeiten der Verfilmung“. Und als dort stand, dass Eddie und Susannah auch ausgespart wurden, war sehr schnell klar, dass es die Adaption einiger Ideen aus der Reihe sein kann und als diese ja vielleicht nicht verkehrt, aber es wird offenbar eine insgesamt komplett andere Geschichte erzählt.
Also wenn dieser Dunkle Turm so anders ist und soviele Motive vermissen lässt, dann hoffen wir mal, dass er doch nochmal als Serie wiederkommt, auch wenn Amazon vor wenigen Monaten erst einen Rückzieher gemacht hat (Quelle: deadline.com). Warum ich mir das so wünsche? Weil die Reihe einen sehr coolen Genremix hat, sehr divers angelegte Helden und echt starke Motive (langsame Mutanten, gehässige rätselvernarrte Züge, Landschaften von Wüste bis Dschungel bis undefinierbar). Dadurch, dass die Bücher so durchwachsen geschrieben sind, schöpfen sie das Potential all dessen nicht besonders gut aus (sorry King-Hardcore-Fans), sodass ich mir da schon das Ganze mal im Bewegtbild wünsche.
Jetzt seid ihr dran: welcher Film oder welche Filmreihe sollte eurer Meinung nach unbedingt als Serie mehr Zeit gewidmet bekommen? Bei welcher Literaturvorlage wäre das längst überfällig? Oder mal andersrum gefragt: wurde mal eine Reihe oder ein Film aus einer Buchreihe adaptiert und hat genau das richtige Pacing gefunden? Welche funktioniert trotz Auslassungen vielleicht sogar sehr gut für euch?
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