Bericht vom „Far East Film Festival“ online + Film-Besprechungen

Nach dem Filmfestival ist vor dem Filmfestival? Kaum war der letzte „Nippon Connection“-Film geschaut, trug die freundliche Filmpodcaster/blogger*innen-Community die Info in die Welt, dass in Udine (Italien) auch zufällig ein weiteres Festival für asiatischen Film online veranstaltet wird: das Far East Film Festival (FEFF). Pack die Bandbreite ein, auf zum FEFF. Und wie war das so?

Udine, Italien, Everywhere?

Das FEFF hat den sehr schönen Leitspruch face to face, heart to heart – nur ist das face to face in Udine wie bereits zuvor für die Nippon Connection (NC) in Frankfurt am Main gestrichen. FEFF fand online statt, hauptsächlich über Twitch und den italienischen Streaminganbieter MyMovies. Anders als bei der NC gab es hier mehrere Festivalpässe aus denen man auswählen konnte. Auch im günstigsten war das Streamen des gesamten Angebots der FEFF enthalten, was schon mal ein schöner Deal ist.

Allerdings war es doch etwas schwierig sich durch das Festival zu navigieren. Einige Webseiten wie die zur Anmeldung waren stellenweise nur auf Italienisch verfügbar. Während die Hauptseite bzw der Blog des Festivals auch idR alle Seiten auf Englisch anbot, musste man sich gerade durch die Anmeldung und AGBs etwas mühsam „durchfuddeln“. Auch das System von MyMovies war nicht so selbsterklärend wie es hätte sein können. Alles in Allem war das Festivalerlebnis für mich eher verwirrend und zum Schluss vor Allem frustrierend, weil fast alle Filme, die ich höher priorisiert sehen wollte nur aus Italien verfügbar waren. Manch einer weiß nun um Möglichkeiten wie man „deichseln“ kann, aber selbst dann waren wohl nur italienische Untertitel verfügbar. Hier darf man halt nur mit einem Augen weinen, denn an lizenzrechtliche Gegebenheiten muss man sich eben halten. Und man weiß ja, dass es ein italienisches Festival ist und bei der NC ähnliche Einschränkungen galten.

Leider waren auch Ankündigungen, Rückblicke und manche der Festivalprogramme italienisch moderiert, was die FEFF für mich nach hinten raus leider mehr zu einem frustrierenden Erlebnis gemacht hat. Natürlich ist es auch hier eine Leistung, dass man das Festival trotz der widrigen Umstände durchgeführt hat, auch wenn es sich nicht so grenzenlos und barrierefrei angefühlt hat wie ich die NC wahrgenommen habe. Letzten Endes schmerzt es mich schon arg, dass ich viele Highlights des Festivals wie Better Days und I Weirdo dann nicht schauen konnte. Immerhin habe ich My Sweet Grappa Remedies, meinen Favorit der NC, hier noch einmal schauen können und mit i – Documentary of The Journalist einen Film nachgeholt, der mir auf der NC entgangen ist. Mich würde interessieren, ob ihr auch online teilgenommen habt und wie das Festival auf euch gewirkt hat? Oder ob ihr ähnliche Online-Events erlebt habt und wie die organisiert wurden?

Filmbesprechungen


„i-Documentary of the Journalist | FEFF22 Trailer“, via Far East Film Festival (Youtube)

i – Documentary of the Journalist

Was war zuerst da: The Journalist oder i – Documentary …? Das konnte ich nicht eindeutig herausfinden. Regisseur Tatsuya Mori begleitete jedenfalls die Journalistin Isoko Mochizuki einige Monate lang und erfuhr aus erster Hand wie Mochizuki in glimpflicheren Fällen gemieden, in den eher prekären sabotiert und bedroht wird. In Japan ist es Gang und Gäbe, dass Journalisten von einem Presseclub zu Pressekonferenzen eingeladen werden und gehalten sind, sich in ihrer Berichterstattung an die dort verteilten Informationen zu halten. Zumindest gehört das zum guten Ton. Mochizuki sticht dabei als Journalistin heraus, die unbequeme Fragen stellt – und das frontal. Der Dokumentarfilm ist einerseits die perfekte Ergänzung zu The Journalist, weil er die wahren Begebenheiten aufgreift, die in dem Film fiktionalisiert wurden und andererseits vielleicht sogar besser als der Film, weil er den Zuschauer selber werten lässt und auf überdramatische, filmische Stilmittel wie suggestive Farbgebung verzichtet. Zuschauer aus dem Ausland nimmt er etwas zu wenig an die Hand, sodass man die Kisha Clubs (Presseclubs) als solches erstmal nicht wirklich erkennt oder schwer einordnen kann. Davon abgesehen erklärt er gegen Ende das i im Filmtitel und ruft dazu auf sich als Individuum eine Meinung zu bilden, statt das Schaf in der Herde zu bleiben.

i – Documentary of the Journalist (OT: i -新聞記者ドキュメント- „i -Shimbunkisha dokyumento-„), Japan, 2019, Tatsuya Mori, 111 min, (8/10)

Sternchen-8

Ashfall

Popcornkino-Alarm. Koreas höchster, aktiver Vulkan, der Paektusan, bricht aus – einhergehend mit Erdbeben, die ganze Städte zerstören. Die Regierung Südkoreas will weiteren, verheerenden Erdbeben vorbeugen mit einer vom Wissenschaftler Kang Bong-rae (Ma Dong-seok) kühn zusammengedrechselten Idee. Dazu führen sie „einfach“ im Berg eine Sprengung durch und unterbrechen die Kettenreaktion. Dazu brauchen sie aber nukleare Sprengköpfe. Der Plan: die sollen Nordkorea(!) gestohlen werden. Teil der politisch gewagten Aktion ist ein Sonderkommando um den Sprengstoff-Experten Jo In-chang (Ha Jung-woo) und nordkoreanischen Doppelagenten Ri Jun-pyeong (Lee Byung-hun), die sich beide nicht ganz grün sind. Wäre es ein amerikanischer Film, würden wahrscheinlich The Rock, Tom Cruise oder andere Actionhelden die Parts mimen und abhängig vom Personal entweder sehr pathetisch oder sehr geblödelt auf die Mattscheibe transportieren. Hier gelingt zumindest der Spagat zwischen Action und Comedy, denn Ha Jung-woo und Lee Byung-hun liefern sich ein herrliches, gag-geschwängertes Gezeter ab, während die Spannungskurve nicht zu verachten ist. Bei all dem muss man aber manchmal beide Augen zudrücken vor lauter Schwachsinn. Nordkorea bestehlen, nukleare Sprengköpfe, die vom Erdbeben einstürzenden Hochhäuser und aufbrechenden Erdwälle … das ist so wie hier dargestellt sogar für actionbewährte Popcornkino-Liebhaber Unfug. Aber halt lustiger.

Ashfall (OT: 백두산 „Baekdusan“), Sükorea, 2019, Kim Byung-seo/Lee Hae-jun, 128 min, (6/10)

Sternchen-6


„Ashfall | FEFF 22 Trailer“, via Far East Film Festival (Youtube)


„Vertigo | FEFF 22 Trailer“, via Far East Film Festival (Youtube)

Vertigo

Seo Yeong (Woo-hee Chun) arbeitet als Grafikerin für eine IT-Firma und das Leben wie sie es aktuell führt, scheint sprichwörtlich auf der Kippe zu stehen. Sie hat eine Affäre mit ihrem Chef, von der sie hofft, dass daraus mehr wird. Außerdem tritt ihre Mutter wieder in ihr Leben, obwohl beide keine gute Beziehung zueinander haben. Einerseits läuft ihr Arbeitsvertrag aus und sie will sich von der besten Seite zeigen, andererseits keine Schwäche zugeben und verheimlicht daher, dass sie unter Schwindelgefühlen und dem drohenden Verlust ihres Gehörs leidet. Dieses Gefühl, als ob ihr der Teppich unter den Füßen weggezogen wird, verstärkt sich umso mehr als alle diese Faktoren sich weiter zuspitzen – physisch als auch psychisch.

Dabei wirkt es so, als ob sie in einem goldenen Käfig sitzen würde. Von außen schaut der Fensterputzer Seo Gwan Woo (Jeong Jae-Kwang) auf die junge Frau, die in ihrer Firma zu ersticken droht. Er hat selber sein Päckchen zu tragen, scheint aber der Fallhöhe des Lebens (nicht nur metaphorisch) gefasster begegnen zu können. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder – mal mit Glasscheibe zwischen ihnen, final vielleicht ohne? Vertigo ist ein metaphernreiches, in schönen Bildern und sehr mitfühlend inszeniertes Drama; aber auch ein Slowburner. Nebenbei wird viel Zeit auf Seo Yeong verwendet, ohne aber ihr Innenleben oder ihre Gedanken abzubilden, was den Film irgendwie hermetisch macht und den Eindruck entstehen lässt, dass Seo Gwan Woo ihr die „Show stiehlt“. Was das betrifft ist der Film unangenehm ausbalanciert und er wirkt lückenhaft erzählt, insgesamt schwach trotz guter Zutaten und eines offensichtlichen Händchens für Szenenschnitt und Dramaturgie.

Vertigo (OT: 버티고 „Beotigo“), Südkorea, 2019, Jeon Gye-soo, 115 min, (4/10)

Sternchen-4

So habe ich es also bei der FEFF nur auf vier Filme gebracht – leider. Falls ihr teilgenommen habt: wie war das Filmfestival für euch? Ich habe aktuell das Gefühl jetzt erstmal genug von den Filmfestivals zu haben und muss mal rauskriegen, ob ich jetzt ein Abo für MyMovies an der Backe habe … ich hoffe nicht.

3 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Dieser Ashfall klingt ja ganz unterhaltsam. Nach dem muss ich mal Ausschau halten. Hast du „The Wandering Earth“ gesehen? Das ist auch ein durchaus sehr unterhaltsamer chinesischer Katastrophen-/ Science-Fiction-Film

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      „Die Erde mit Raketenantrieb aus der Umlaufbahn …“ waaaaas? XD Das klingt echt verrückt! Wird mal gemerkt, danke für den Tipp. 😉 Also nein, „The Wandering Earth“ sagte mir bis jetzt nichts. Aber es klingt ähnlich schräg.
      Ashfall ist tatsächlich unterhaltsam, aber wie oben geschrieben, muss man bei zwei, drei Dingen am besten beide Augen zudrücken, weil die selbst für Popcornkino schon etwas zu beknackt sind. Aber das macht ja manchmal auch Spaß XD

      1. Avatar von donpozuelo
        donpozuelo

        Die Erde mit Raketenantrieb… jupp. Klingt gaga, ist aber recht unterhaltsam.

        Ach, beknacktes Zeug in Popcornkino ist okay. Damit komme ich klar. Gerade, wenn es dann auch noch ein Katastrophenfilm ist.

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